Vor seinem Start in den Himalaja und zum Nordpol hat der Extremabenteurer mit Skippers Travel darüber gesprochen, was Reisen für ihn bedeutet und warum man die Komfortzone verlassen muss, um neue Erfahrungen zu machen.

Was ist für Sie am wichtigsten, wenn Sie auf Expedition gehen?
Unbekanntes zu entdecken, Dinge zu erreichen, die noch niemandem gelungen sind. Ich will Regionen erforschen, die mich interessieren, denn neue Orte zu entdecken ist stets eine Bereicherung. Ich reise immer mit einem klaren Ziel, so auch diesen Frühling an den Nordpol. Dort will ich Erfahrung und Wissen sammeln, einmal mehr über mich hinausgehen und meine körperlichen und mentalen Grenzen neu ausloten. Eine Reise dient nicht nur dazu, mit den Augen Neues zu sehen, sondern mit dem Verstand und dem Herzen Neues zu fühlen und das ist nur möglich, wenn man die eigene Komfortzone verlässt. Das macht Reisen interessant und aufregend.

Von welchen Landschaften wurden Sie am meisten geprägt?
Am interessantesten sind für mich die Polarregionen, denn dort ist die Reise ins Innere grösser und sinnstiftender. Reisen, um Ferien zu machen oder um sich der Natur zu nähern, sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Der Versuch, Unerreichbares zu erreichen, fasziniert mich. Schon bei der Reisevorbereitung muss man überlegen und planen, wie man das Unbekannte am besten angeht und in der menschenfeindlichen Umgebung etwas Komfort findet.

Erzählen Sie uns von Ihren drei schönsten Begegnungen.
Als ich fast zwei Jahre mit Ski dem nördlichen Polarkreis entlang die Welt umrundete, traf ich bei minus 60 Grad mitten in Sibirien auf eine kleine Fischerhütte. Der Bewohner lud mich zu sich ans Feuer ein und teilte den frisch gefangenen Lachs mit mir. Jemandem im Eis zu begegnen und bildlich und wörtlich Wärme zu spüren, war völlig unerwartet und aussergewöhnlich. Ein andermal begegnete ich während meiner Breitengrad-Null-Expedition entlang des Äquators Ashaninka-Indianern, die mich in ihre riesige Hütte baten. Ich war der einzige Weisse und die Indianer zelebrierten ein feierliches Ritual, um mir eine gute Reise zu wünschen. Sie tanzten um ein Feuer und liessen mich an ihrer Kultur teilhaben. Bei Zufallsbegegnungen an entlegenen Orten trifft man authentische Menschen. Gegen Ende meiner Breitengrad-Null-Expedition, bei der ich 40 000 Kilometer zurückgelegt habe, wurde ich in Kongo von einem Hinrichtungskommando überrascht, das mich töten wollte. Ein einziger Mann stand für mich ein und überzeugte die anderen, dass ich kein Rebell, sondern ein Forscher sei. Er hat mir nicht nur das Leben gerettet, sondern mich auch darin bestätigt, an das Gute im Menschen zu glauben. Solche Reiseerfahrungen und extremen Gefühle prägen dich fürs Leben.

Wohin gehen Sie, wenn Sie in Ihre Heimat Südafrika zurückkehren?
Ich kehre vor allem an meinen früheren Wohnort zurück, zu meinen Wurzeln in Kapstadt. Reisen bedeutet für mich nicht nur nach vorne schauen, sondern auch in die Vergangenheit zurückblicken. Wenn man als Erwachsener an Orte zurückkehrt, an denen man als Kind oder Jugendlicher war, sieht man die Dinge anders. Früher nahm mich mein Vater zum Bauernhof meines Onkels mit, damit ich die Tiere sehen konnte. Als ich das erste Mal seit meiner Kindheit wieder dort war, stiegen ganz viele kleine Erinnerungen und Emotionen in mir hoch. Aber aus den Sandpisten sind Strassen geworden. Der Horizont hat sich verändert und die Fantasie hat sich in Realität verwandelt.

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Was mögen Sie an der Schweiz am liebsten?
In der Schweiz sind wir so verwöhnt! Ich bin mit Dreissig nach Châteaud’Oex gekommen, es ist mein Zuhause geworden. Rund um die Städte verändert sich viel, aber die Bergdörfer haben ihre Ursprünglichkeit und ihre traditionellen Hütten behalten und sind schnell erreichbar. In der Schweiz wird auf die Natur Rücksicht genommen. Man schützt sie und baut sie nicht komplett zu. Die Schweiz ist ein Tourismusparadies, hat ihren Charme und ihre Schönheit aber trotzdem bewahrt. Es gibt Orte, die seit vielen hundert Jahren unberührt sind.

Was ist für Sie auf Reisen Luxus?
Freiheit! Freiheit will erarbeitet sein. Man muss sich damit auseinandersetzen, wie man reisen will, und sich entsprechend vorbereiten. Luxus besteht auch darin, etwas Einzigartiges zu machen, etwas zu schaffen, das nur wenigen gelingt. Bei minus 60 Grad auf dem Packeis das Nordlicht zu bewundern bedeutet für mich Luxus.

Welchen Tipp würden Sie Reisehungrigen geben, die unsere Erde entdecken und gleichzeitig schützen möchten?
Jeder soll die Orte so hinterlassen, wie er sie vorgefunden hat. Warum nicht versuchen, etwas Positives zu bewirken, mitzuhelfen, die Natur und die Urvölker zu schützen? Das ist eine gute Art verantwortungsbewusst zu reisen. Wenn eine Reise bereichernd sein soll, sollte man nicht unter Landsleuten bleiben, sondern den Kontakt mit den Einheimischen suchen, ihre Erfahrungen teilen, mit ihnen sprechen und ihnen zuhören. Ausserdem sind viele Reisende mit viel zu schwerem Gepäck unterwegs, voller unnötiger und unnützer Dinge aus ihrem Alltag. Wenn man sich den Begebenheiten vor Ort anpasst und lokal einkauft, wird man viel eher akzeptiert.

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Was haben Sie immer dabei?
So wenig wie möglich! Aufgeschlossenheit, damit ich mich besser anpassen kann.

Ihr Lieblings-Reisebuch
In meiner Kindheit verschlang ich die Bücher von Stanley über seine Expeditionen in Afrika und von Scott über seine Polarforschungen. Wir sind viel gereist. Als wir den Spuren von Vasco da Gama und Magellan bei ihrer Umrundung des Horns von Afrika folgten, las mir mein Vater dort, wo die beiden Entdecker ein Kreuz errichtet haben, Bücher über ihre Erlebnisse vor.

Ihr Lieblingsrestaurant in der Schweiz?
Zuhause bei meinen Töchtern, denn ich bin sehr selten in der Schweiz. Wenn ich von einer Expedition zurückkehre, laden sie meine Freunde ein, wir trinken Bier und Rotwein und grillieren. Es gibt nichts Besseres.

Was sagen Sie Ihren Töchtern, bevor Sie aufbrechen?
Es sind vor allem Annika und Jessica, die reden, denn sie planen meine Expeditionen, wie das ihre Mutter bis zu ihrem Tod getan hat. Sie informieren mich über ihre Nachforschungen und schenken mir so Freiheit und ihre Unterstützung.

Welche Person hat Sie am stärksten beeinflusst?
Mein Vater, er hat mich mit dem Reisefieber angesteckt. Er kaufte mir ein Velo, weil er meinen Freiheitsdrang kannte, und schrieb mir nur etwas vor: Ich musste um sechs Uhr abends zuhause sein. Ich konnte selbst entscheiden, wohin ich fuhr. Wieder zu Hause hörte er zu, wenn ich erzählte, was ich erlebt hatte. Ich habe dadurch Verantwortung gelernt. Heute werden die Kinder viel zu oft ermahnt «geh dort nicht hin», «mach dies oder das nicht». Man unterbindet ihre Kreativität, anstatt sie zu fördern.