Die Wahl eines Co-Skippers für eine Zweihandregatta ist eine schwierige Aufgabe. Damit eine Paarung gut funktioniert, muss die Chemie stimmen. Skippers wollte wissen, wie solche Tandems zustande kommen und hat bei einigen Teams nachgefragt.

Text: Vincent Gillioz

Alan Roura und Sébastien Audigane, Valentin Gautier und Simon Koster, François Gabart und Gwénolé Gahinet… Zweihandteams entstehen aus verschiedenen Beweggründen. Die einen schliessen sich aus finanziellen Über- legungen zusammen, die anderen möchten ihr Wissen weitergeben und noch andere machen gemeinsame Sache, weil sie sich ergänzen. Interessant dabei ist aber, was nach all diesen Abwägungen schlussendlich den Ausschlag gibt, sich für oder gegen einen Segler zu entscheiden. Denn wie jeder weiss, sind Zweihandteams eigentlich nur zwei Einhandsegler, die mehr oder weniger gut miteinander harmonieren.

Den Röstigraben überwunden

Eines der ersten für die Transat Jacques Vabre gemeldeten Teams war das Rösti Sailing Team bestehend aus Valentin Gautier und Simon Koster. Der gelernte Bootsbauer aus der Westschweiz und der Ingenieur aus der Deutschschweiz hatten nach ihrer letzten Mini-Transat beschlossen, ein Schweizer Offshore-Regattateam zu bilden, weil es hierzulande sozusagen keine Strukturen für Hochseesegler gibt. Sie entwickelten ein genau durchdachtes Konzept und trieben das nötige Geld auf, um nach Plänen von Manuar die Class40 Mach 40.4 Banque du Léman zu bauen. «Unser Team ist praktisch von selbst entstanden», sagt Valentin Gautier. «Aber natürlich macht unsere unterschiedliche Herkunft das Projekt marketingtechnisch interessant. Für einen Sponsor vertreten wir die beiden wichtigsten Sprachregionen der Schweiz.» Die Zusammenarbeit beruhe aber nicht nur auf dem Wunsch, dieses Jahr an der Transat teilzunehmen, betont er. «Unser Projekt ist langfristig ausgelegt. In den nächsten drei Jahren wollen wir das gesamte Programm der Klasse bestreiten.»

Im Rahmen ihres Projekts hat jeder seine Spezialgebiete, für die er zuständig ist. Die beiden setzen auf Komplementarität. «Simon ist Ingenieur und hat bereits Bauprojekte betreut», erklärt Valentin. «Er begleitet daher auch den Bootsbau und bringt sein Fachwissen ein. Ich kümmere mich eher um die Kommunikation und das Marketing. Simon ist zweisprachig, ich aber nicht, was die Dinge nicht immer einfach macht. Bisher haben wir aber immer Lösungen gefunden. Auch auf dem Wasser ergänzen wir uns bestens. Ich bin impulsiv, nervös und sorge für Dynamik. Er ist überlegt und bringt in Extremsituationen die nötige Ruhe in die Sache. Es klingt zwar etwas klischeehaft, aber unsere Charaktereigenschaften sind typisch für unsere Herkunft. Simon ist rational und ich intuitiv. Das ergibt eine gut funktionierende Mischung.» Um aus ihren Unterschieden den grösstmöglichen Nutzen zu ziehen, lassen sich die beiden von einem Mentaltrainer beraten. Gemeinsam suchen sie nach der besten Methode, um erfolgreich miteinander zu harmonieren. «Unsere Zusammenarbeit basiert auf Kompromissen, typisch schweizerisch eben», grinst Valentin.

Geteilte Erfahrung

Bei den IMOCA hat der frischgebackene Rekordhalter der Atlantik-Überquerung Alan Roura bereits im März den erfahrenen Co-Skipper Sébastien Audigane verpflichtet. Der Franzose war Weltmeister der Ozean-Rekorde, hat zweimal die Jules Verne Trophy gewonnen und zwei Atlantikrekorde geknackt. «Das erste Mal bin ich Alan auf dem Meer in der Nähe des Wolf Rock begegnet», erinnert sich Sébastien. «Ich kehrte gerade von einem Rekordversuch zurück, er absolvierte die Qualifikation für die Route du Rhum und wir sprachen kurz per Funk miteinander. Danach sind wir uns noch mehrmals begegnet und allmählich reifte der Gedanke einer Zusammenarbeit.» Obwohl Sébastien schon viel Erfahrung mit Spitzenprojekten und entsprechend hochkarätigen Strukturen gesammelt hat, lobt er das Team von La Fabrique in den höchsten Tönen: «Sie sind wirklich grossartig und haben das Boot extrem verbessert. Ich schätze es sehr, dass ich meine Erfahrung mit solchen Leuten teilen kann. Wir tauschen uns intensiv aus.» Alan Roura erhofft sich von der Zusammenarbeit, dass er von der umfassenden Erfahrung seines Teampartners profitieren kann, um im Hinblick auf die Vendée Globe 2020 bestimmte Aspekte zu verbessern. «Alan ist in erster Linie ein Seefahrer und kein Regattasegler. Er hat schon mehrfach bewiesen, wie motiviert er ist. Er gibt nie auf, das ist wirklich sehr eindrücklich», meint der Franzose bewundernd. «Strategisch und bei der Gesamtorganisation kann er sich aber noch steigern. Ich kann ihm in Bezug auf das Leistungsmanagement einiges zeigen. Die Regatta wird uns zudem bei der Wahl der Segel für die Vendée Globe helfen. Obwohl erfahrungsgemäss nur wenig Wind weht, habe ich ein paar Ideen, über die wir diskutieren werden.»

Vielseitigkeit als Vorteil

Bei der Wahl des Co-Skippers sind also bestimmte Kriterien ausschlaggebend, die vom Teamchef definiert werden. In der Klasse der Ultim 32/23 erweist sich die Entscheidung als besonders schwierig, denn es gibt nur sehr wenige Segler, die die nötigen Kompetenzen mitbringen. Hinzu kommt, dass die Skipper extrem hohe Ansprüche an ihre Mitsegler haben. François Gabart hat sich für das Nonstop-Zweihandrennen Brest Atlantiques mit Gwénolé Gahinet einen der schnellsten Segler ins Boot geholt. Das exklusiv für die Ultim 32/23 organisierte Rennen von Brest über Rio de Janeiro und Kapstadt zurück nach Brest wurde ins Leben gerufen, nachdem die Veranstalter der Transat Jacques Vabre die Klasse aus logistischen Gründen von der Teilnahme ausgeschlossen hatten. «Wir gehören der gleichen Generation an», verkündete der Skipper des Trimarans MACIF bei der Bekanntgabe der Zusammenarbeit im Juli. «Ich bin schon oft mit erfahreneren Kollegen zweihand gesegelt, mit Pascal Bidégorry, Michel Desjoyeaux und Sébastien Col zum Beispiel. Aber Gwénolé ist extrem vielseitig, das macht ihn so wertvoll.

Er ist auf Figaro und auf IMOCA gesegelt und hat mit Paul Meilhat eine Transat Jacques Vabre bestrit- ten. Ausserdem kennt er die Class40, beherrscht das Foilkiten und war 40 Tage auf dem Ultim-Trimaran von Francis Joyon bei dessen Welt- umseglung dabei. Er kennt also alle Probleme eines Ultim. Er stand bei 40 Knoten stundenlang allein am Steuer. Eine solche Erfahrung können nur wenige Segler vorweisen. Gwénolé ist daher genau der Mann, den ich für mein Projekt brauche.»
Gautiers, Rouras und Gabarts Erläuterungen zeigen, dass es sehr unterschiedliche Rezepte für erfolgreiche Zweihandprojekte gibt. Wichtig ist aber immer, dass die beiden Segler auf der gleichen Wellenlänge liegen.