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Schon kurz nach der Landung wird klar: English Harbour, wo sich auch die Sunsail-Basis befindet, ist etwas Besonderes. Gastfreundliche Hotels, die in keinem Vergleich zu den langweiligen Resorts stehen, naturbelassene Strände und ein aktives Nachtleben machen den Süden Antiguas zum Place to be. Die sturmgeschützte Bucht war unter Admiral Horatio Nelson lange Zeit Stützpunkt der der British Navy.

Wir nehmen unsere Sunsail 41 – eine Sun Odyssey 409 – in Besitz. Wie häufig ist es auch diesmal schwierig vor Einbruch der Nacht aufzubrechen, da die Charterfirmen ihre Boote gewöhnlich von Samstag zu Samstag verleihen. Paul und Marine können ihre Ungeduld kaum im Zaum halten, zumal die Bevorratung bereits erledigt ist. Die wird auf Wunsch nämlich von Sunsail übernommen, was angesichts der horrenden Preise in den ortsansässigen Geschäften eine gern genutzte Dienstleistung ist. Als Alternative kann man sich mit einem Taxi für rund 30 Euro für Hin- und Rückfahrt zum nächsten richtigen, wenige Kilometer von der Hauptstadt Saint John entfernten Supermarkt chauffieren lassen. Wir vertreiben uns die Zeit an diesem ersten Abend mit einer Fahrt nach Falmouth Harbour. In der nahegelegenen Bucht im Westen der Insel erwarten uns zahlreiche für die Antigua-Woche startklare Superjachten. Die berühmte, 1968 lancierte Regattawoche vereint jedes Jahr mehr als 100 Jachten aus aller Welt und die Crème de la Crème der Skipper. Ein freundlicher Wachmann erlaubt uns, die 80 bis 100 Fuss langen Monster aus der Nähe zu bewundern.

Am Sonntagmorgen findet unser Wetter- und Navigationsbriefing statt. Unser Sunsail-Vertreter empfiehlt uns, die Insel im Uhrzeigersinn zu erkunden. Das hat seinen Grund: Der Passat ist sehr wechselhaft. Jetzt gerade weht er aus Südost, wird aber laut Wettervorhersagen Mitte der Woche in einen schwächeren Nordostwind umschlagen. Wir tun deshalb gut daran, unsere Fahrt hinauf in den Norden nach Barbuda schnellstens in Angriff zu nehmen um danach erneut raumschots und in einem optimalen Winkel in Richtung Süden zu segeln. Das Zweite, was uns beim Überprüfen der Detailkarte überrascht: Unsere Charterfirma hat über die Hälfte der Küste schraffiert. Praktisch alle Korallenriffe bleiben uns verwehrt.

11.15 Uhr: Wir nutzen den Schutz der Bucht von English Harbour, um unser Grosssegel einmal zu reffen. Kaum auf offener See, wird die Genua zu drei Fünfteln gehisst. Der Wind bläst konstant aus 110 Grad. Trotz des Beibootes im Schlepptau segeln wir zwischen 5 und 5,5 Knoten hart am Wind. Wir wollen den südöstlichen Zipfel Antiguas umrunden und danach in Richtung Norden Kurs aufs offene Meer nehmen. Unsere Wunschdestination ist Green Island. Die wenigen Schläge, die wir benötigen, um aufs offene Wasser zu gelangen, versetzen unsere empfindlichen Mägen in Aufruhr. Diese erste Teilstrecke mit bis zu 24 Knoten starkem Gegenwind und zwei Meter hohen Wellen geht an die Substanz. Bei halbem Wind ist die Genua komplett gehisst; wir legen fast einen Knoten zu und unsere Sun Odyssey gleitet wesentlich ruhiger durchs Wasser. In unserer Begeisterung merken wir nicht, dass wir Man of War Point ganz im Süden von Green Island bereits passiert haben. Das Echolot, das Navigationsgerät und vor allem der Anblick der hohen Wellen bringen uns zur Vernunft: Wir befinden uns nicht vor York Island, sondern haben den Buchteingang komplett verpasst und müssen eine knappe halbe Stunde drauflegen, bis wir unsere erste Anlegestelle in Rickett Harbour erreichen, denn in der weiter südlich gelegenen Tempound Bay ist die Brandung für unseren Geschmack etwas zu heftig. Höchste Zeit für unser erstes Bad. Das Wasser ist mit 28° C für Ende März herrlich warm. Mit Hilfe des Aussenborders fahren wir noch vor Einbruch der Nacht zurück. In der Lagune liegt die Sun Odyssey gut geschützt und völlig ruhig auf dem Wasser. Der Passat wird schwächer. Bei Sonnenuntergang baden und schnorcheln wir nochmals ausgiebig. Nur eines bedauern wir bei diesem ersten Zwischenstopp auf Green Island: Ausser einer schillernden Dorade sind hier kaum Fische zu sehen.

Traumhafter Ankerplatz

Frühmorgens frischt der Wind auf 10 bis 12 Knoten auf und bleibt dann stabil. Auf nach Barbuda! Es warten gute 30 Meilen mit gehisstem Grosssegel und vollausgerollter Genua. Paul springt als Skipper ein und schlägt einen Kurs auf 380° vor. Seltsam. Bei 360° hört der Kompass eigentlich auf. 340° passt uns auch. In guter Entfernung zur Küste wird der Passat wieder stärker und weht mit konstanten 20 Knoten. Wir gleiten mit 6 bis 7 Knoten durch die Wellen. Das im Vergleich zum Vorabend wesentlich besser gelaunte Team flippt beim Anblick der fliegenden Fische und einer vorbeischwimmenden Schildkröte völlig aus. Wir wechseln uns am Ruder ab, damit jeder die Weite des Meeres geniessen kann. Barbuda ist so flach, dass wir die Insel erst sehr spät erkennen. Wir fahren einen weiten Umweg, um den vielen Korallenbänken auszuweichen. Schliesslich erreichen wir einen traumhaften Ankerplatz vor einem endlosen, weissen Sandstrand, der sich unter unseren Füssen wie feinstes Mehl anfühlt. Willkommen in Cocoa Bay! Eine Schildkröte empfängt uns und lässt uns ganz in ihre Nähe. Gemäss unserem Reiseführer befindet sich das Hotel an der Buchtspitze in Privatbesitz. Nicht einmal seinen Durst löschen kann man hier. Wir versuchen es trotzdem – barfuss und in Badehosen – und werden ziemlich schroff abgewiesen. Zum Trost verabreden wir uns für den nächsten Mittag vor dem Wachhaus des Flughafens mit Uncle Roddy. Ihm gehört ein kleines Restaurant in Spanish Well Point. Wir steigen auf die Ladefläche seines Pickups und fahren eingehüllt in eine dicke Staubwolke davon. Das Restaurant ist das Abenteuer wert: Zwischen Strand und Kasuarinenbäumen wird auf ein paar einfachen Kunststofftischen als einziges Menu Languste serviert. Wieder an Bord bleibt uns gerade noch genügend Zeit, um vor Einbruch der Nacht bis nach West Tuson Beach zu segeln. Der schmale Dünenstreifen trennt das Meer von der grossen Lagune. Es herrscht zwar ziemlich heftiger Wellengang, dafür liegt hier aber der berühmte rosa Sand, auf dem die vom Sturm gefällten Bäume und die angeschwemmten Muscheln im Licht der untergehenden Sonne wie eine Theaterkulisse wirken.

An unserem vierten Tag bläst der Wind wie angekündigt aus Nordosten und beschert uns eine weitere Fahrt am Wind bei 15 bis 20 Knoten Geschwindigkeit. Wieder gleiten wir mit durchschnittlich 7, maximal 8,5 Knoten übers Meer. Eine sanfte Dünung auf halber Distanz, ein Wal oder ein Orka am achteren Steuerbord, ein kleiner Sturm, um uns daran zu erinnern, dass wir uns in den Tropen befinden, und schon haben wir den äussersten Nordwesten Antiguas erreicht. Hier wollen wir zwischen Küstenstrich und Korallenbänken entlangschippern, diesmal allerdings unter Motor, denn irgendwann muss man ja schliesslich die Batterien wieder aufladen. Die Nordostküste ist eine Ansammlung von Resorts und deshalb für Kreuzfahrer uninteressant, aber die wenigen Inseln ganz im Süden sind einzigartig. Am besten gefallen hat uns Great Bird Island mit seinen beiden ruhigen und fischreichen Stränden und den unzähligen Makrelenschwärmen. Ein paar Ankerbojen in der Nähe des Ufers bei 1,50 Meter Wassertiefe sind für Passagierschiffe reserviert. Gesehen haben wir allerdings keines. Wir beschliessen, für die Nacht an den Bojen drei bis vier Meter weiter draussen festzumachen. Am nächsten Morgen wollen wir auf exakt dem gleichen Kurs wie am Vorabend zurück in den Norden nach Parham Sound, dabei die Hotels von Dickenson Bay meiden und zur Deep Bay am Fuss des Forts Barrington segeln. Diese von Kokospalmen gesäumte, tiefe Bucht mit ihrem türkisblauen Wasser ist eine einzige Postkartenidylle. An Land gibt es auch Verpflegungsmöglichkeiten. Mitten am Nachmittag lichten wir den Anker, um die Westküste in Richtung Süden zu erkunden. Hier ist das Meer ruhig, wir befinden uns im Windschatten der Insel. Endlich fahren wir in die grosse Bucht von Five Islands Harbour ein. Der ganz im Osten wilde, aber perfekt geschützte Ankerplatz weicht im Süden einer vielbesuchten, luxuriösen Touristenattraktion. Von hier aus sind es nur noch wenige Meilen bis Jolly Harbour. Unser Reiseführer verspricht einen „zivilisierten“ Aufenthaltsort mit Bars, Restaurants, Geschäften und vielem mehr. Eine willkommene Abwechslung zu unserem unter freiem Himmel genossenen karibischen Dosenbier! Neben der Fahrrinne der Marina wurde ein alter, 60 Meter langer Küstendampfer in ein Wassersportzentrum mit Riesenrutsche umfunktioniert. Wir beschliessen draussen zu bleiben. Die Anlegestelle ist völlig überfüllt und uns bleibt nichts anderes übrig, als ziemlich nahe ans Ufer zu fahren. Das Wasser ist hier allerdings wesentlich trüber als an den bisherigen Ankerplätzen. Spätabends begeben wir uns alle mit unserem Beiboot auf Entdeckungsreise. Da wir die Taschenlampe vergessen haben, muss unser Handy als Leuchtquelle herhalten. Auf der Suche nach ein paar bunten Lichtern, die uns den Weg zu einer Seemannskneipe weisen, schlängeln wir uns zwischen Trossen, Booten und Bojen hindurch und machen schliesslich vor dem Restaurant Al Porto fest. Die Speisen sind nicht wirklich karibisch und die Preise erinnern eher an Paris, aber das Ambiente ist freundlich und die französischen Gastgeber auch. Wer sich gut mit ihnen versteht, darf vielleicht sogar eine Nacht an ihrem Ponton übernachten. Übrigens kann für 20 USD eine Boje im Hafengelände von Jolly Harbour gemietet werden. Empfehlenswert ist ein Frühstück vor dem Schwimmbad der Marina. Marine taucht ihr Croissant in ihren Kaffee. „Ich habe schon gesehen, wie Leute Brot in Milch und Biskuits in Tee getaucht haben, aber das ist neu!“, staunt die Bedienung. Wir Franzosen sind doch einfach unverbesserlich!

Eine verrückte Regatta

Auf unserer letzten Fahrt segeln wir Seite an Seite mit einer anderen von Sunsail gecharterten Sun Odyssey 409. Ihr Team besteht aus sechs kräftigen Kerlen, die, wie sich herausstellt, doch nicht ganz so mutig sind wie vermutet, denn sie reffen im Gegensatz zu uns die Segel. Drei gute Stunden kreuzen wir zwischen Ufer und Korallenbänken. Noch einmal passieren wir unser Schwesterschiff und dann versteht das Team unsere Botschaft. Die wilde Verfolgungsjagd kann beginnen. Wir übernehmen die Führung und können deshalb am Kap eine kurze Verschnaufpause einlegen. Dann bekommen unsere Konkurrenten den Trimm plötzlich in den Griff. Mit hochgeklapptem Aussenbordmotor am Beiboot ziehen sie an uns vorbei. Wie an den ausgelegten Fischerreusen zu erkennen ist, herrscht ziemlich starker Gegenwind. Ich entscheide mich für einen langen Schlag in Richtung Festland, während unsere Herausforderer hinter der Untiefe von Cades Reef aufs offene Meer fahren. Beim nächsten Aufeinandertreffen haben wir ihnen eine Viertelmeile abgenommen. Mit einem Riesenvorsprung legen wir in Pigeon Beach an. Wir haben die improvisierte Regatta klar für uns entschieden. Ein letztes Bad und ein paar herrlich kühle karibische Biere aus dem Kühlschrank und weiter geht’s bei wolkenbruchartigem Regen unter Motor zurück zum nur 30 Minuten entfernten English Harbour. Zum Glück kehrt die Sonne hier in den Tropen fast genauso schnell zurück, wie sie verschwindet!