Der Skipper des Décision 35 schreibt Regattageschichte. Mit acht Siegen ist er der erfolgreichste Teilnehmer der Bol d’Or Mirabaud. Sein W-Team gewann vor dem TF35 Artexplora mit Loïck Peyron am Steuer.

Text: Jean-Guy Python

Kaum hatte Christian Wahl wieder festen Boden unter den Füssen, meinte er überwältigt: «Ich weiss gar nicht, was ich sagen soll, ausser, dass ich ein tolles Team habe und die Wetter- und Windbedingungen auf unserer Seite waren.» Am Samstag, 11. Juni kurz vor Mitternacht schrieb der segelbegeisterte Unternehmer Regattageschichte. Nach 12 Stunden, 24 Minuten und 16 Sekunden traf er als Sieger in der Genfer Société Nautique ein und konnte damit an der Bol d’Or bereits seinen achten Erfolg feiern. Am Mikro rang der müde Segler mit den Emotionen, fasste sich aber schnell wieder und setzte ein breites Siegerlächeln auf.

©L.von.Siebenthal

Christian Wahl und sein junges Team, bestehend aus Romuald Hausser, Romain Defferard, Nelson Mettraux, Guillaume Rol und Mathieu Cadei, hatten bei der Ausfahrt aus dem unteren Seebecken die Führung übernommen und sie bis zum Schluss nicht mehr abgegeben. Mit der richtigen Nase für die feinen Windwechsel kontrollierte er das Rennen von Anfang bis Ende und ging knapp nach 22.24 Uhr als souveräner Sieger ins Ziel.

Den See lesen

Wie, wenn nicht mit magischen Kräften, hat es der erfahrenere Regatteur angestellt, den See ohne sichtbaren Wind zweimal in seiner ganzen Länge zu überqueren? «Mein Geheimnis ist eigentlich gar keines. Ich kenne den See extrem gut und weiss, wie ich ihn nehmen muss das ist eigentlich schon alles», meinte Christian Wahl ohne falsche Bescheidenheit. «Wir sind genau richtig gesegelt und vor allem gab es mehr Wind, als wir erwartet hatten. Man muss das, was auf dem See passiert, verstehen. Natürlich gelingt das nicht immer. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wussten wir, dass es keinen Sinn machte, dem Wind nachzujagen (Anm. d. Red.: nämlich dann, als der Grossteil der TF35 vor Lausanne in einer Flaute feststeckte). Das war wie so oft ein entscheidender Moment im Rennen. Man muss mit dem Wind segeln und ihn vor allem so gut wie möglich nutzen.»

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Wie ein Mantra bläute der Windkenner seinem Team des Centre d’Entraînement à la Régate (CER) diesen Grundsatz ein: «Genau das habe ich auch meinem Team gesagt», bestätigt der Sieger. «Wir jagen dem Wind nicht nach, denn bis wir dort sind, wo wir ihn vermuten, ist er meist schon wieder weg. Es war ein Rennen, bei dem man sich mit dem zufriedengeben musste, was man hatte, und ständig darauf achten musste, wie sich der Wind verändert. Warum es auf der Rückfahrt am französischen Ufer plötzlich vorwärts ging, ist schwierig zu verstehen. Vereinfachend gesagt lag es an der sich verändernden Thermik. Thermische Winde gab es an der Regatta viele, ihre Abfolge richtig zu interpretieren, ist eine meiner Stärken. Ich taste mich Schritt für Schritt heran, bereite den nächsten Moment vor, analysiere, wie das Szenario weiter vorne aussieht und wie es sich entwickeln wird. Step by Step lautet meine Devise. Im Grunde geht es darum, dem Kurs immer einen Schritt voraus zu sein», meinte der Zauberer vom Genfersee. So erklärt klingt das relativ simpel, wenn man die Strategie auf einem spiegelglatten See und bei lähmender Hitze in die Praxis umsetzen muss, gestaltet sich das ganze aber doch etwas komplizierter.

Sein achter Sieg

Sein achter sei sein schönster Sieg, freute sich Christian Wahl nach seinem Triumph, denn er segle mit einem super Team und gemeinsam hätten sie eine tolle Leistung gezeigt. «Wir haben eine praktisch fehlerfreie Fahrt hingelegt. Ein besonderer Dank geht auch an unseren Meteorologen Philippe Jeanneret, mit dem wir im Vorfeld intensiv gearbeitet haben. Unseren Sieg verdanken wir einer Kombination aus meiner Erfahrung und der Frische der anderen Teammitglieder», meinte der Skipper, der mit seinen acht Siegen zum erfolgreichsten Teilnehmer der Bol d’Or Mirabaud geworden ist.

Das junge Team von Okalys Youth Project um Skipper Arnaud Grange lag lange auf dem 2. Platz, musste seine Siegeshoffnungen aber begraben, als es sich auf der Rückfahrt vor Yvoire für die falsche Seeseite entschied. Genau umgekehrt lief es für den brillanten und brandgefährlichen Loïck Peyron am Steuer des TF35 Artexplora. Geduldig kämpfte er sich nach vorne, bis er wieder zur Spitze aufschloss und schliesslich mit komfortablem Vorsprung auf den drittplatzierten Décision 35 Okalys Youth Project und eine kompakte Gruppe aus den M2 Blackpearl und Victorinox sowie den wiederauferstandenen TF35 Zen Too, Alinghi Red Bull Racing als 2. die Linie passierte.

©Sebastien-Aubord

In diesem Flautenjahr lagen die Spezialisten mit ihren Prognosen alle komplett falsch. Die als grosse Favoriten gehandelten TF35 wurden von ihren Foils ausgebremst, da der Wind nicht einmal die für einen Flug nötigen 8 Knoten erreichte. Zen Too, der hinter Peyron zweitbeste TF35, belegte lediglich den 10. Schlussrang. Noch schlechter schnitten Realteam (14.), Alinghi Red Bull Racing (18.) und die anderen TF35 ab. Sie landeten sogar noch hinter den ersten Einrumpfbooten. Der letztplatzierte musste sich mit Rang 21 begnügen.

Hart umkämpfte Monohull-Wertung

Bei den Einrumpfjachten lieferten sich die Luthi 1090 Katana von Philippe de Weck und die Psaros 40 Cellmen ein hartes Duell, in das sich zeitweise auch die QFX von Thomas Jundt und die schnellsten Psaros 22 Carpediem Cube, Eole 7 und Raijin einmischten.

Die ungarische Libera Raffica startete nach einem verpatzten Auftakt zu einer furiosen Aufholjagd, bei der sie das Feld von hinten aufrollte und sich im Gesamtklassement als beste Einrumpfjacht doch noch als 11. klassierte. Da es ihr dritter Sieg in fünf Jahren war, konnte sie die Bol de Vermeil definitiv nach Hause nehmen. Das ist vor ihr noch keiner anderen Jacht gelungen. Mit diesem Erfolg stösst Skipper Zsolt Király zum exklusiven Club der sechsfachen Bol-d’Or-Gewinner Ernesto Bertarelli, Louis Noverraz, Daniel Stampfli und Yves Detrey.

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Für eine Überraschung sorgte auch Thomas Jundt und seine fantastische Foilerjacht QFX. Er wurde 2. in der Einrumpfwertung und 16. in der Gesamtwertung. Sein Konstrukteur konnte sein Glück kaum fassen: «Wir waren trotz des schwachen Winds schnell unterwegs», frohlockte er. «Es fehlte nicht viel und wir hätten auf unseren Foils abgehoben und Raffica den Sieg streitig gemacht.»

Eric Monnin, der Konstrukteur des Monofoil Gonet, sicherte knapp hinter den beiden Psaros 40 Cellmen Ardentis (François Thorens) und Syz  (Jean Psarofaghis) Platz 5. Erwähnenswert sind zudem der hervorragende 26. Schlussrang des 18-Footers Peyrot Conseil Immobilier von Cyril Peyrot und der 46. Platz der Toucan von Patrick Ducluzaux.

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Die mit 107 Booten grösste Klasse der Surprise-Jachten wurde über weite Strecken von Thierry Campiche auf Adrénaline Les 2 Rives dominiert. Am frühen Sonntagmorgen kam dann aber plötzlich Wind von hinten auf und schob die weit abgeschlagenen Verfolger wieder an die führende Crew heran. Vor Corsier setzte sich Marius Lanz auf Malice an die Spitze und verteidigte seinen Vorsprung bis ins Ziel.

Bei den aus neun Einheiten bestehenden Klasse der Psaros 33 hatte die von Guillaume Girod gesteuerte Raijin die Nase vorn (25. im Gesamtklassement). Luc Munier und seine Carpediem Cube beendeten das Rennen knapp vor Pétrel3 mit Cyrus Golchan an 27. Position.

Little Nemo mit Bernard Borter setzte sich einmal mehr bei den Grand Surprise durch.

Nach berechneter Zeit ging der Sieg an Gilles Fontan auf seiner Nitro 80. Er traf zusammen mit seinem Team, zu dem auch der frischgebackene französische Meister der Performance-Cruiser Frédéric Péroche gehörte, nach einer aufreibenden Nacht um 5.42 Uhr morgens bei der SNG ein. Den zweiten Platz holte sich die Toucan Gaston 3 von Patrick Ducluzaux und die Esse850 Darnetal von David Pertuiset.

Die Seglerinnen der Sailing Squad, die Schirmherrinnen der Bol d’Or Mirabaud, brachten ihre 69F bei dem schwachen Wind nicht zum Fliegen. Als einziges Frauenteam dieses Jahr plagten sie sich mit der Flaute herum, bis sie gegen Mitte des Nachmittags schliesslich von der Ziellinie erlöst wurden.

Äusserst positive Bilanz

Wettfahrtleiter Yann Pétreman zeigte sich mit dieser 83. Bol d’Or Mirabaud sehr zufrieden: «Es gab zwar nur wenig Wind, wodurch es viele Booten nicht ins Ziel schafften (283 von 437 gestarteten), aber ausgenommen von diesem Aspekt, den wir nicht kontrollieren können, hat auf dem Wasser und an Land alles geklappt.»

Mit Müh und Not ins Ziel

Einen Foiler bei so wenig Wind zu segeln ist keine einfache Aufgabe. Die vier Seglerinnen der Sailing Squad setzten alles daran, trotzdem rechtzeitig in Genf einzutreffen. Nach einem 29-stündigen Kraftakt überquerte ihre 69F endlich die Linie. Die vollständige Serie über die vier Schirmherrinnen der Bol d’Or Mirabaud finden Sie auf dem Youtube-Channel der Regatta.