Kurz vor der Landung haben sich die Wolken aufgelöst. Ob ein glücklicher Zufall oder das Mikroklima dahintersteckt, spielt keine Rolle. Der Anblick ist auf jeden Fall umwerfend. Ich drücke mein Gesicht ans Fenster und beobachte fasziniert die rot-schwarzen, karg bewachsenen Vulkaninseln, die wie asiatische Kegelhüte aus dem kristallblauen Pazifik ragen. Die Vorfreude erfasst auch die anderen Fluggäste. Schon bald werden wir den legendären Archipel, den wir uns schon so oft ausgemalt haben und von dem alle Naturliebhaber träumen, hautnah erleben.

Text: Héloïse Martin

Die Galápagos bestehen aus neunzehn, 955 Kilometer westlich der ecuadorianischen Küste gelegenen Inseln. Sie wurden von den Europäern im 16. Jahrhundert entdeckt und blieben bis Ende des 19. Jahr hunderts unbewohnt, was sie zu einem idealen Lebensraum für viele Tierarten machte. 1832 wurde der Archipel zu einer Provinz Ecuadors. Deren Behörden errichteten dort zunächst ein Gefängnis, bevor sie die Inseln in den 1930er-Jahren Freiwilligen zur Besiedlung zur Verfügung stellten. Seither wurden unzählige wissenschaftliche Expeditionen durchgeführt, um mehr über die aussergewöhnliche Tier- und Pflanzenwelt zu erfahren, die Charles Darwin zu seiner Theorie über die Entstehung der Arten veranlasst hatte.
Das Biosphärenreservat der Galápagosinseln steht seit 1978 auf der Lis- te des UNESCO-Weltnaturerbes. Dieses Jahr wurde es um 14,6 Millionen Hektar erweitert. Grund waren die barbarischen Fischfangmethoden der Wilderer, die dem Meeresgebiet rund um die Inseln arg zusetzten.

Paradies für Wohlsituierte

Wir landen in Baltra, einer kleinen Insel nördlich von Santa Cruz, die den Amerikanern im Zweiten Weltkrieg als Militärbasis diente und 1946 an Ecuador abgetreten wurde. Die Eintrittsformalitäten versetzen unserer Freude, endlich im heissersehnten Naturparadies angekommen zu sein, einen Dämpfer. Offenbar haben die Lokalbehörden zum Schutz des Nati- onalparks ein sehr einträgliches System eingerichtet. Ihre Bemühungen
sind im Grunde genommen löblich, würden sie den Zugang zu den Inseln nicht auf Vermögende reduzieren. Doch offenbar leisten sich nicht nur die oberen Zehntausend diesen Luxus, denn der Andrang flaut nicht ab. Jedes Jahr kommen 240 000 Touristen auf die Galápagos. Die von der Nationalparkleitung eingeführten Quoten werden bis auf den letzten Platz aus- geschöpft. Gemäss den Statistiken ist die Zahl der Landbesucher in den letzten zehn Jahren um 90 Prozent gestiegen, der Meerestourismus hat im gleichen Zeitraum um 10 Prozent zugenommen. Diese Diskrepanz lässt sich mit den drastischen Regeln für Fahrtensegler er- klären (siehe Kasten). Dennoch ist und bleibt ein Törn die beste Möglichkeit für eine ausgiebige und genüssliche Inselbesichtigung.

Unermessliche Schätze

Wir beginnen unsere Reise in Santa Cruz, wo alle Exkursionen und Törns starten. Auf der mit rund 15 000 Einwohnern bevölkerungsstärksten Insel des Archipels befinden sich mehrere Restaurants, ein Supermarkt, verschiedene Shops und ein Fischmarkt. Sehenswert ist vor allem die Charles Darwin Research Station. Sie widmet sich der Forschung und dem Schutz des örtlichen Ökosystems und beherbergt eine Brut- und Aufzuchtstätte für Riesenschildkröten, die kostenlos besichtigt werden kann.
Wir gehen an Bord des Nemo III, einem gediegenen 22-Meter-Katamaran aus Aluminium mit allem möglichen Komfort. Er wurde nach der Jahrtausendwende von der französischen Werft Alumarine gebaut und bietet Platz für bis zu 14 Personen. Unser All-inclusive-Törn bein- haltet einen Premium-Service, der von einer achtköpfigen Crew gewährleistet wird. Auf den täglichen Exkursionen werden wir von einem englischsprachigen Naturforscher begleitet.
Nach Einbruch der Nacht ziehen wir weiter Richtung Floreana im Süden des Archipels. Trotz günstiger Winde und ruhigem Meer zieht es der Kapitän vor, unter Motor zu fahren. Die Segelfans sind etwas enttäuscht, aber es gilt das Programm einzuhalten.

Floreana ist eine 173 Quadratkilometer kleine Vulkaninsel, um die sich fantasievolle Räuber- geschichten ranken. Sie erzählen von Piraten und Abenteurern, die an diesem paradiesischen Ort die Einsamkeit gesucht haben. Neben der einzigen Süsswasserquelle des Archipels findet man auf Floreana eine reizvolle, sehr abwechs- lungsreiche Landschaft. Auf einem durch das Mineral Olivin grün gefärbten Sandstrand bezirzen sich Blaufusstölpel mit lustigen Tänzen, in einer Salzwasserlagune stelzt die einzige Rosaflamingoart Amerikas durchs flache Wasser, an einem weissen Sandstrand verbuddeln Meeresschildkröten ihre Eier und das Landesinnere wartet mit zahlreichen Lavatunnels auf.
Schnorcheln ist auf den Galápagosinseln ein magisches Erlebnis. Rund um Floreana trifft man auf unzählige Grüne Galápagos-Meeresschild- kröten, Wirbellose, Rifffische, Stachel-, Adler- und Mantarochen sowie auf viele grunzende und streng riechende Seelöwen. Die an Land so behäbigen Flossenfüsser entpuppen sich im Wasser als grazile Akrobaten und vollführen ein begeisterndes Wasserballett, als wollten sie die Menschen unterhalten. Die jüngeren zeigen keine Berührungsängste. Vorwitzig schnuppern sie an den Gesichtern oder knappern an den Flossen. Am liebsten würde man sie knuddeln!
In der folgenden Nacht setzen wir – erneut unter Motor – zur kleinen, ganz in der Nähe von Santiago gelegenen Insel Chinese Hat über, wo wir eine tolle Wanderung auf vulkanischem Boden unternehmen. Am Ufer sonnen sich hunderte Meerechsen. Die prähistorischen Kreaturen liegen da, als wären sie tot. Pelikane, Maskentölpel, Lachtauben, Fregattvögel und viele andere endemische Arten machen die Insel zum Mekka für Ornithologen und Vogelfreunde.
Im Wasser ist die Artenvielfalt ebenso eindrücklich wie an Land. Rund um die Insel trifft man auf eine grosse Vielfalt an Riffhaien wie Schwarz- spitzenhundshaie und Weissspitzenriffhaie. Zurück an Bord bemerken wir weitere Haiarten. Galápagoshaie umkreisen unser Boot. Sie scheinen auf ihr Mittagessen zu warten. Meine Neugier ist viel zu gross, um dem Treiben von der Reling aus zuzusehen. Ich beschliesse, dem Guide ins Wasser zu folgen. Ausgewachsene Galápagoshaie können bis zu 3,50 Meter lang werden. Sie schwimmen in weiten Kreisen um uns herum. Ich werde das Gefühl nicht los, als würden sie sich langsam anschleichen. Plötzlich schert einer aus und nähert sich mit kräftigen Flossenschlägen. Mir bleibt vor Schreck das Herz stehen. Galápagoshaie können nicht nur neugierig und aufdringlich, sondern unter Umständen auch gefährlich sein. Doch dann wendet sich der Raubfisch ebenso plötzlich wieder ab, wie er gekommen ist. Ich habe genug Adrenalin für heute und steige schnell wieder ins Boot. Uff! Ich bin klatschnass und das liegt nicht nur am Wasser!

Auf Bartholomé mache ich weitere sehr emotionale Erfahrungen. Sie sorgen aber nicht für Angstschweiss, sondern zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht. Wir machen Bekanntschaft mit den Galápagos-Pinguinen. Die liebenswerten «Pinguinos» leisten uns beim Schwimmen Gesellschaft. Sie lieben alles, was glänzt und klopfen mit ihren Schnäbeln furchtlos gegen unsere Taucherbrillen und Kameras, bevor sie wieder pfeilschnell abtauchen und dabei noch schnell nach ein paar kleinen Rifffischen schnappen. Von der Insel aus hat man zudem einen herrlichen Blick auf den gesamten Archipel. Die Panoramabilder der Galápagosinseln wurden alle hier aufgenommen.

In der Dämmerung setzen wir zum ersten Mal die Segel und nehmen Kurs auf die weiter südlich gelegene Insel Baltra. Wir kommen nur langsam voran, aber was soll’s. Die letzten Sonnenstrahlen färben das Meer golden, ein lauer Wind schiebt uns vorwärts und ein Blick vor die Buge macht uns sprachlos: Eine Horde Mantarochen weist uns saltospringend den Weg.

Am nächsten Tag besuchen wir mit dem Dinghi Black Turtle Cove, die Kinderstube der Galápagosinseln. Mehrere hunderte Fisch-, Haiund Schildkrötenarten suchen in dem flachen, ruhigen und vor Raubfischen sicheren Wasser der Mangroven Zuflucht. Wir entdecken Hammerhai- und Riffhai-Babys und die ganze Meeresfauna im Miniaturformat.
Unsere nächste Station heisst Isabela, die grösste Insel des Archipels und Heimat von sechs Vulkanen. Wolf ist mit 1710 Metern der höchste. Mit ihrem kilometerlangen Sandstrand lockt Isabela Unmengen Surfer an, bleibt aber ansonsten sehr wild. Auf den Wanderwegen begegnet man vielen verschiedenen Tieren und findet zahlreiche exotische Pflanzen.
Die Galápagosinseln sind weltweit einzigartig, ein Refugium der Natur mit vielen seltenen und wertvollen Tier- und Pflanzenarten. Um diesen Garten Eden vor dem zerstörerischen Tun der Menschen zu schützen, arbeitet der ecuadorianische Staat eng mit Wissenschaft, Forschung und Umweltschützern zusammen und beschränkt den Zugang für Touristen, indem er pro Tag nur eine bestimmte Anzahl Bewilligungen ausstellt. Diese restriktive Politik ist zwar umstritten, aber ein Vorzeigebeispiel für Umweltbewusstsein, vor allem auf dem amerikanischen Kontinent, der an seiner Natur noch immer vielerorts Raubbau betreibt.
Für uns ist der Törn durch die Galápagosinseln eine fantastische, sehr emotionale Erfahrung, ganz im Sinne von Darwin, der vor knapp zweihundert Jahren in sein Tagebruch schrieb: «Wir scheinen daher in beiden Beziehungen, sowohl im Raume als in der Zeit, jener grossen Tat- sache – jenem Geheimnis aller Geheimnisse –, dem ersten Erscheinen neuer lebender Wesen auf der Erde, nähergebracht zu werden.»

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Abstecher zu den Buckelwalen vor dem ecuadorianischen Festland

Buckelwale nehmen jedes Jahr die lange Reise von der Antarktis bis in die Tropenregionen auf sich, um sich zu paaren und ihre Jungen in wärmeren Gewässern zur Welt zu bringen. Vor der ecuadorianischen Küste kann man die kontaktfreudigen und neugierigen Meeressäuger und ihre akrobatischen Sprünge gut beobachten. Das Schauspiel lockt zwischen Juni und Septem- ber jedes Jahr viele Touristen in die Badeorte Puerto Lopez, Puerto Cayo und San Lorenzo. Damit die geschützten Tiere nicht gestört werden, darf pro Tag nur eine beschränkte Anzahl zugelassener Boote auslaufen und die Tourveranstalter werden von den Lokalbehörden streng kontrolliert, damit sie sich an die Auflagen halten. Von Puerto Lopez aus lohnt sich ein Besuch der Insel La Plata, auch bekannt als «kleine Schwester der Galápagos». Sie ist Heimat vieler Blaufusstölpel und Galápagos-Fregattvögel. Langfahrtensegler, die vor den Galápagosinseln die Küste Ecuadors hinuntersegeln, profitieren von günstigen Bedingungen – relativ ruhiges Meer, leichter Wind und lange, selten mehr als zwei Meter hohe Wellen –, die ideal sind, um das Naturschauspiel in aller Ruhe zu geniessen.

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Reise-Infos

Beste Reisezeit

Das ganze Jahr, am sonnigsten ist es aber von Januar bis Juni.
Trockenzeit: Juni bis Dezember (mit ständi- gem Nieselregen)

Regenzeit: Januar bis April (mit strahlend blauem Himmel und gelegentlichen Tropen- gewittern)

Anreise

– Mit dem Flugzeug: Ab Zürich dauert die Reise zu den Galápagosinseln mit zwei Zwischenstopps in Südamerika 15 bis 35 Stunden.

– Mit dem Schiff: Für Langfahrtensegler sind die Galápagosinseln eine reizvolle Etappe auf der Transpazifikroute. Vorsicht ist vor stürmischen Bedingungen bei der Überfahrt von Panama geboten.

Preise

  • Hin- und Rückflug Zürich-Galápagos: 1500 USD (Richtpreis)
  • Eintrittsgebühr für den Nationalpark: 100 USD
  • Transitkarte: 20 USD pro Person
  • Unterkunft: für kleine Budgets: 60 USD/Nacht – Luxus: 3000 USD/Nacht (Richt- preise)Aktivitäten
  • Tagesausflüge (Wandern/Schnorcheln, inkl. Verpflegung und Ausrüstung): 130 USD (Richtpreis)
  • Tauchen: 160 USD/Tag (Richtpreis)
  • Charter: je nach Dauer, Programm und Leistungsstandard zwischen 1000 und 6000 USD

Für massgeschneiderte Reisen und/oder Törns:

my Charter, info@mycharter.ch, mycharter.ch

Wissenswertes

Vorschriften für Fahrtenboote:

Nachdem sich die Segler in Santa Cruz angemeldet haben, müssen sie ihr Boot in einem der fünf erlaubten Ankerplätze stationieren. Sie können die Inseln wie die mit dem Flugzeug angereisten Touristen nur über einen Reiseveranstalter besuchen. Ohne Guide kommt niemand in den Nationalpark.

Tauchen/Schnorcheln:

Das Meer rund um die Galápagosinseln ist erstaunlich kalt (in der Trockenzeit zwischen 16 und 19 Grad), man sollte sich also gut ausrüsten. Tauchen wird aufgrund der Strömungen nur für Fortgeschrittene empfohlen. Anfängern ist es leider nicht vergönnt, den Hammerhaien bei ihrem wilden Tanz in Gordon Rocks zuzusehen.