Zwischen den polynesischen Inseln unter dem Wind befindet sich eine Lagune, die aussieht, als wäre sie der Fantasie von Stevenson entsprungen. Etwas weiter entfernt liegt gut geschützt durch eine heikle Riffpassage eine in allen Blauschattierungen leuchtende Idylle, aus der die bergige Silhouette von Maupiti auftaucht. In dieser Abgeschiedenheit verbirgt sich ein kleines Paradies.

Text und Fotos: Bertrand Duquenne

Maupiti wurde 1772 vom Holländer Roggeven entdeckt und wird aufgrund der geologischen Ähnlichkeit gern mit Bora-Bora verglichen. Auf dem kleinen Atoll erhebt sich der Mont Teurefaatiu 380 Meter über einer türkisfarbenen Lagune. Man soll dort das ursprüngliche Maurua-Blau bestaunen können, das die ersten Polynesier so in ihren Bann zog, dass sie beschlossen, sich hier niederzulassen. Doch damit hören die Gemeinsamkeiten mit der grossen Schwesterinsel auch schon auf. Maupiti ist mit ihren elf Quadratkilometern dreimal kleiner als Bora-Bora, liegt abseits der üblichen Touristenrouten und hat ihren unvergleichlichen Charme bewahrt. Ihre Bewohner stehen zu dieser exklusiven Abgeschiedenheit und haben mit überragender Mehrheit gegen die Errichtung von Hotels gestimmt. Luxuskomplexe oder Whirlpools auf Stelzen sucht man hier vergeblich. Auf den Motu empfangen ein paar wenige Familienpensionen die spärlichen Touristen. Die Inselbewohner leben im Rhythmus der Sonne und mit dem, was das Meer ihnen gibt. Nur einmal monatlich kommt ein kleiner Frachter vorbei und versorgt sie mit dem Nötigsten.

VA’A, DAS TYPISCHE POLYNESISCHE AUSLEGERKANU, IST IDEAL FÜR DAS KORALLENLABYRINTH.

Sesam öffne dich

Für uns war Maupiti die Krönung unseres Törns. Ich reise zwar seit zehn Jahren regelmässig nach Polynesien, das kleine Paradies blieb mir aber bisher verwehrt. Immer wieder musste ich den ersehnten Trip verschieben, entweder, weil der Wellengang zu stark war oder weil mir schlicht die Zeit fehlte. Begierig sog ich die Erzählungen anderer Skipper auf, merkte mir ihre Tipps, notierte nützliche Infos, immer in der Hoffnung, dass es das nächste Mal klappen würde. Als Vollblutsegler konnte ich mich nicht dazu durchringen, die Reise mit dem Flugzeug anzutreten.

IM DORF VAIEA AM FUSS DES MONT TEURAFAATIU LEBEN DIE MEISTEN INSELBEWOHNER.

Ich wollte die als tückisch verrufene Riffpassage unbedingt selbst segeln. Wer dort durch
will, muss buchstäblich gegen den Strom schwimmen. Die Passage ist das krasse Gegenteil der Inselbewohner: abweisend, kabbelig und alles andere als vertrauenswürdig. Solche Strömungen treten in Polynesien in den meisten gegen den Pazifik offenen Lagunen auf. Je enger die Durchfahrt, desto stärker die Zugkraft.

Bei einer Dünung von mehr als 1,5 Metern am Eingang der Lagune wird die austretende Strömung so stark, dass sie mit voller Wucht gegen die Wellen prallt, die dann mit grosser Gewalt am Riff brechen. Hier musste schon manch einer Federn lassen. Umso mehr ist Geduld gefragt. Man muss die Wetterdaten genau studieren und den richtigen Moment abwarten, denn hineinfahren ist das eine, hinausfahren das andere. Einige fahrlässige
Zeitgenossen haben hier schon mehrere Wochen festgesessen. Bei einer Weltumsegelung
kann man die Planung entsprechend anpassen, bei einem mehrwöchigen Törn aber
muss man deswegen unter Umständen auf Maupiti verzichten.

Der grosse Test

Ein letzter Wettercheck und wir können starten. Wir verlassen Bora-Bora in der Morgendämmerung, gleiten gemütlich durch ganze Schwärme fliegender Fische, sanft vorwärtsgeschoben von einem leichten Wind. Zur Mittagszeit haben wir die Einfahrt erreicht. Aufgeregt und konzentriert bringen wir das Boot in die richtige Position. Es wehrt sich, treibt leicht ab, bietet der Strömung aber die Stirn. Während wir wie auf Nadeln sitzen, beobachten uns die Fischer mit spöttischem Blick und winken uns dabei fröhlich zu. Für sie ist die Gegenströmung ein Spiel, das sie seit ihrer Kindheit kennen.

IN DIESEM ENGEN, AUF DEN MEISTEN KARTEN NICHT EINGEZEICHNETEN KANAL, ANKERN WIR IN RUDERWEITE DER SANDBÄNKE.

Dann ist plötzlich alles still. 200 Meter weiter sind die Wirbel verschwunden, das Meer gischtet nicht mehr. Ganz weg ist die Strömung zwar nicht, aber alles scheint ruhig. Im dichten Grün der Motu sind ein paar traditionelle Hütten, sogenannte Fare, auszumachen. Kinder spielen im Wasser und ein flacher Kahn dient der Bevölkerung als Verkehrsmittel, das die Motu mit dem Dorf verbindet. Im Hintergrund ragt der Mont Teurefaatiu wie ein Pokal in die Höhe. Um uns herum hat Mutter Natur ihre ganze Palette an Türkistönen ausprobiert. Wir haben die Durchfahrt unbeschadet hinter uns gebracht!

Eine gerade, betonnte Meile führt ins Dorf Vaioa. Es wird dringend davon abgeraten, sich weiter hinaus zu wagen. Die Gefahr, sich im Korallenlabyrinth zu verirren, ist einfach zu gross. Die Karte von Maupiti erinnert an die einer Schatzinsel. «Nicht hydrografiertes Gebiet, übersät mit zahlreichen, dicht an die Wasseroberfläche reichenden Korallengruppen»: Diese Beschreibung passt praktisch auf die gesamte Lagune. Die Kinder an Bord denken sich Piratengeschichten aus und stellen sich vor, wie sie den Schatz von Kapitän Flint ausgraben. Wir ankern zwischen zwei Korallengruppen in der Nähe des Manta-Schutzgebiets. Die Rochen gehören definitiv auch zum Schatz von Maupiti. Wer die Chance hat, ein paar Züge mit den eleganten Damen zu schwimmen, ist von Glück gesegnet.

Ein Segelboot war uns in den Kanal gefolgt. Wir teilen uns den Ankerplatz. Die Jacht gehört Pierre, einem Segelfreund, der die Region gut kennt und uns bei unserem ersten Apero mit vielen nützlichen Tipps eindeckt.

«Komm heute Abend zum Imbiss. Dort findet ein Konzert statt und es wird gefeiert, weil das Versorgungsschiff eingetroffen ist», fordert er mich auf. Seine Ankunft ist ein Ereignis. Die Maupitier strömen – im tahitischen Tempo – herbei, entladen das Schiff, entpacken die Ware und füllen die Regale. Dazwischen wird Boccia gespielt, schliesslich geht das Leben weiter. Geduldig warten die Bewohner vor den Krämerläden, um ihre Bestellung abzuholen. An diesem Abend befindet sich die gesamte Inselbevölkerung in den wenigen Geschäften. Bald startet die Party. Hinano-Kisten werden geladen, Kuchen gebacken und Kokosnuss geraspelt. Es wird Musik und Tanz geben, also macht man sich hübsch.

Auf Tuchfühlung mit Mantas

Wir suchen nach dem Schatz von Maupiti. Für die Kinder war die Vorfreude auf die einmalige Begegnung eine Motivation, die vielen Stunden auf hoher See über sich ergehen zu lassen.
Zunächst erblicken wir nur einen Schatten im Wasser, dann schwenkt er die Flosse und

EINER DER LAGUNENBEWOHNER BEI SEINEM MORGENDLICHEN AUSFLUG.

entblösst seine weissen Flanken. Trotz einer Spannweite von drei Metern gleitet er mit fliessenden Schlägen durchs Wasser. Während er uns in Zeitlupe umkreist, können wir seine anmutigen Bewegungen bestaunen. Die Neugier scheint auf Gegenseitigkeit zu beruhen, denn plötzlich tanzen zwei, dann drei Mantas um uns herum. Wir tauchen unter, verstecken uns hinter den Felsen und geniessen das Schauspiel, bis uns die Luft ausgeht. Beim Auftauchen strahlen die Kids übers ganze Gesicht. Das Erlebnis ist so unglaublich berührend, dass wir jeden Morgen mit der Sonne aufstehen, um es auf keinen Fall zu verpassen.

Die Mantas schenken uns jedes Mal unvergessliche Minuten, wenn sie in der Morgendämmerung vom Hafen der Felswand entlang in die Riffpassage schwimmen. Die Lagune ist spiegelglatt, das Licht göttlich und die Kamera überhitzt. Jeden Tag erleben wir von Neuem, was einen perfekten Törn ausmacht. Wir paddeln in der Lagune, verfolgen Gefleckte Adlerrochen und planschen mit Stechrochen. Langsam verstreicht die Zeit zwischen Erkundungstouren und Badeplausch. Wenn wir durstig sind, öffnen wir eine Kokosnuss. Wir kühlen uns im Wasser ab, lassen uns im Schatten der Palmen trocknen und stürzen uns wieder ins Wasser. Wir leben einfach in den Tag hinein. Nur ein knurrender Magen und roher Fisch reissen uns aus unserer wohltuenden Lethargie.

IN DIESER OASE LEBT MAN MIT DER SONNE UND DER BRISE.

Die Insel kann gut zu Fuss erkundet werden. In wenigen Stunden erreicht man den paradiesischen Strand Teiera, von wo man über Sandbänke zu Fuss zu den Motu gelangt. Zur Freude der Grossaugen-Heringsmakrelen wirbeln wir bei unserem Spaziergang im Meer Sand auf. Auf dem Rückweg nehmen wir uns Zeit für ein paar Schwätzchen mit den Bewohnern. Sie freuen sich immer über neue Gesichter, denn sie können ihnen von der Schönheit der Lagune und dem wunderbaren Geschmack ihrer Firi vorschwärmen. Die Zeit scheint still zu stehen, aber genau danach haben wir ja gesucht. Wir wollten abschalten und das Polynesien von vor 50 Jahren kennenlernen, als die Lagunen noch unberührt waren und kein Lärm von Kreuzfahrtschiffen und Jetskis die Idylle störte. Als die Luft etwas abkühlt, besteigen wir den Mont Teurefaatiu. Zwei Stunden dauert der Aufstieg über einen schmalen Pfad durch üppige Vegetation. Hier und da können wir durch Löcher im Dickicht erkennen, wie hoch wir schon gestiegen sind und einen Blick auf die Lagune erhaschen. Das letzte Stück gleicht einer Kletterpartie. Wir müssen uns mit Seilen helfen, doch was uns oben erwartet, lässt die Strapazen vergessen. Inmitten von Weissschwanz-Tropikvögeln, die kunstvoll den Grat entlang fliegen, geniessen wir eine Rundumsicht auf die Lagune. Wir lassen die Aussicht erst einmal still auf uns wirken. Von hier oben ist gut erkennbar, warum die Lagune so schwer erreichbar ist. Am Horizont ist zwischen zwei Platzgewittern Bora- Bora zu erkennen.

VON OBEN IST GUT SICHTBAR, AUF WELCHE STELLEN MAN BEI DER DURCHFAHRT DER MAUPITI-PASSAGE ACHTEN MUSS.

Über die vielen Einladungen und Zwischenhalts haben wir unsere Einkaufsliste vergessen. Es erweist sich als nicht ganz einfach, in den Kartons mit der noch nicht eingeräumten Waren das Nötige zu finden. Unsere Tasche ist gefüllt mit Früchten, die uns die Einwohner auf unserem Spaziergang geschenkt haben. Zusammen mit einem Fisch und ein paar Bieren haben wir alles für einen Apero auf unserem Motu zusammen. Allein auf der Welt, die Füsse im Wasser, diskutieren wir über Gott und die Welt und beobachten die Fischer, wie sie ein paar Schwärme Kleinfische umkreisen. Morgen müssen wir wieder durch die Riffpassage. Eigentlich hätte ich nichts dagegen, wenn mich die Dünung hier gefangen hielte. Das würde mir etwas mehr Zeit in diesem entschleunigenden Paradies verschaffen. Ich könnte die kleinen Korallengärten in den Wasserpfützen erkunden, mit dem Kajak durch die Lagune paddeln, mich im Schatten eines Brotbaums ausruhen, über den Verlauf der Sonne diskutieren oder den Älteren beim Boccia-Spielen zuschauen … einfach nur das Leben geniessen. Maupiti ist unverfälscht. Eine Perle mehr in Polynesien, wo jede Insel mit neuen Überraschungen aufwartet. Die Abgeschiedenheit und der schwierige Zugang machen jeden Aufenthalt zu etwas Besonderem. Abgesehen davon habe ich auf Maupiti wiedergefunden, was mir bei meinem ersten Besuch in Polynesien so gefallen hat: die Gastfreundschaft der Bewohner, die jedem Gast das Gefühl geben, zur Familie zu gehören.


Reise-Infos

Segeln
Segeln bei den Inseln unter dem Wind beginnt immer mit einem Flug nach Tahiti und einem
weiteren nach Raiatea. Die Destination liegt nicht gerade vor der Haustür, aber ihre Schönheit will schliesslich verdient sein. Schon beim ersten Baden sind die Reisestrapazen vergessen. Die meisten Chartergesellschaften der Inseln unter dem Wind bieten Törns ab Uturoa auf der Insel Raiatea an. Segeln in diesem Paradies ist ein Traum. Die Temperaturen sind tropisch, das Wasser warm, die Distanzen kurz und die Lagunen gleichen grossen Schwimmbädern – oder besser noch riesigen Aquarien, denn es tummeln sich unzählige Tiere im Wasser.

Anreise
Um nach Maupiti zu segeln, sollte man einen 14-tägigen Törn einplanen. Nur so lernt man die Inseln unter dem Wind richtig kennen und kann den richtigen Zeitpunkt für die Durchfahrt der Maupiti-Passage abwarten. Mit einem ortskundigen Skipper wird die Erfahrung vermutlich noch eindrücklicher, denn jede Insel hat ihre Geheimplätze, die man als Fremder nicht unbedingt findet.

Ansonsten gibt es auch noch eine zweite Flugvariante: Maupiti wird dreimal die Woche aus Raiatea via Bora-Bora angeflogen. In den vielen Familienpensionen kann man nach einem langen Törn wunderbar entspannen.

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Egal, ob Sie nach einem Törn mit oder ohne Skipper oder einen Kabinentörn suchen, Sie werden fündig. Wärmstens empfehlen kann ich Ihnen Tahiti Yacht Charter (tahitiyachtcharter.com). Ich segle bereits seit mehreren Jahren mit ihnen. Das Unternehmen wird von einer tahitischen Familie betrieben und hat ein erstklassiges Törn- und Hotelangebot entwickelt, mit dem Sie das echte Polynesien erleben.