Text: Walter Rudin

Der Thunersee-Yachtclub (TYC) und der Yacht Club Kreuzlingen (YCK) feiern dieses Jahr ihren 100. Geburtstag. Beide Segelclubs wurden wenige Monate nach der verheerenden Spanischen Grippe im Jahr 1920 gegründet. Es scheint eine Ironie des Schicksals, dass ihr grosses Jubiläum wieder mit einer Pandemie zusammenfällt.

DIE DRAGONS HABEN DIE BINNENDREISSIGER ABGELÖST. Archives TYC

Weder die Schrecken des Ersten Weltkriegs noch Millionen Grippetote konnten die mutigen und entschlossenen Männer davon abbringen, einen Segelclub ins Leben zu rufen. Sowohl am Bodensee als auch in Bern gehörten die Gründer angesehenen Familien mit Pioniergeist
an, die das gesellschaftliche Leben förderten und neue sportliche und kulturelle Angebote schufen. Der Thunersee-Yachtclub und der Yacht Club Kreuzlingen zählen zu den grossen, traditionsreichen Akteuren der Schweizer Segelszene. Obwohl vorerst auf gebührende Feierlichkeiten verzichtet werden muss, bieten doch beide Clubs ihren Mitgliedern und Freunden mit einer umfangreichen Chronik in Buchform einen interessanten Einblick in die 100-jährige Vereinsgeschichte. Darin werden unzählige Geschichten und Anekdoten preisgegeben: Erzählungen über sportliche Erfolge wie der erste Schweizermeistertitel im Segeln, den die TYCMitglieder Hans Peter Roost und Edi Heer 1941 errangen, gesellschaftliche Grossereignisse, Auseinandersetzungen mit Behörden, gelebte Freundschaften mit andern Segelclubs, Schicksalsschläge wie der Tod dreier Segler, deren Bootsmast mit einem Starkstromkabel in Berührung kam, oder verheerende Hochwasser, die grosse Schäden an Clubhäusern, Booten und Stegen verursachten. Die beiden Clubs haben viele Strömungen und Entwicklungen parallel durchlebt. Dennoch gibt es einige bemerkenswerte Unterschiede.

ThDIE DRACHENKLASSE IST AUF DEM THUNERSEE STARK VERTRETEN. Samuel Hess

Clubhaus prioritär?

In Kreuzlingen wurde gleich an der ersten Generalsversammlung der Bau eines Clubhauses beschlossen. Bereits ein Jahr später konnten 65 Anwesende das heimelige Bootshaus direkt
am See einweihen. Es wurde mehrmals renoviert, ist mit seinem markanten Walmdach aber bis heute erhalten geblieben. Anstelle der Aussicht auf den Bootssteg vor dem Haus blicken die Mitglieder jetzt allerdings auf den Kreuzlinger Jachthafen, der nach einigen politischen Turbulenzen 1986 hier entstanden ist. Ganz anders lief es im Berner Oberland. Hier stand nicht die Clubhausfrage im Vordergrund. Vielmehr war der TYC in den ersten Jahren bemüht, die «Segelei» durch die Suche nach einer Klassenjacht zu fördern. Die Wahl fiel auf den Binnendreissiger. Über viele Jahre waren die schönen Holzboote der gediegenen Berner Herrschaften die dominierenden
Rennjachten auf dem Thunersee. Seit den 1960er-Jahren werden grosse internationale Klassen im Regattaprogramm besonders gefördert. Da der TYC lange in Bern domiziliert war, tat man sich schwer mit der Wahl eines Standorts für ein Clubhaus. Hilterfingen, Thun, Faulensee oder Spiez waren im Gespräch. Es dauerte Jahrzehnte, bis der TYC fündig wurde. 1964 konnte der Club das Gelände der Furrer-Werft in der Seeallmend vor Thun übernehmen. Die Gebäude waren leider in einem desolaten Zustand und nach jahrelangen Diskussionen kam deshalb nur ein Neubau in Frage. Das erste Clubhaus des TYC wurde erst am 18. Juni 1977, über 50 Jahre nach der Gründung, eingeweiht.

Organisatoren mit Weitblick

Beide Clubs leisteten einen wesentlichen Beitrag zur Gründung des Schweizerischen Seglerverbands. Nach jahrelangen zähen Verhandlungen war die Société Nautique de Genève (SNG) bereit, die nautische Autorität für die Schweiz an einen nationalen Dachverband abzutreten. Beide Jubilare waren dabei, als im Mai 1939 in Hilterfingen am Thunersee die Union Schweizerischer Yachtclubs (USY) gegründet wurde. Der TYC-Vorstand hatte zur Feier alle Bootseigner zu einem «Geschwadersegeln» aufgerufen, schliesslich wollte man bei den Gästen aus dem ganzen Land in einem guten Licht erscheinen. 75 Jahre später waren wieder beide Vereine vertreten, als 2014 zukunftsorientierte Segelclubs die Swiss Sailing League gründeten. YCK und TYC segeln die Clubmeisterschaft mit und organisieren regelmässig Acts auf ihren Revieren. Beide Clubs kauften eine eigene J70, um ihren Teams ein gutes Training zu ermöglichen.
Kreuzlingen und Thun waren Schauplatz unzähliger Schweizermeisterschaften und sogar Europa- und Weltmeisterschaften wurden ausgetragen. Für die Bodenseesegler war der Kontakt mit den deutschen Clubs stets wichtig. Der YCK ist bis heute an der Austragung der Bodenseewoche in Konstanz beteiligt.

LACUSTRES DES YCK IM EINSATZ AUF DEM SILVAPLANERSEE. Ruth Baumgartner

Grosse Namen

TYC- und YCK-Regatteure gehören seit jeher zu den Schweizer Spitzenseglern. Besonders viele
klingende Namen stammen aus Thun. Der TYC ist mit seinen rund 700 Mitgliedern aber auch
etwa viermal grösser als der YCK. Zu den bekanntesten TYC-Mitgliedern zählen Starsegler Flavio Marazzi, der mit seinem Bruder Renato und mit Enrico De Maria an vier olympischen
Spielen teilgenommen hat, Christoph Burger, Jürg Menzi, Dominik Liener, das Ehepaar Christen
oder in jüngerer Zeit das Frauenteam Linda Fahrni und Maja Siegenthaler, die Juniorenweltmeisterinnen und Olympiaseglerinnen von 2016. Die Thunersee-Segler sorgen seit Jahrzehnten in vielen Klassen für eine anhaltende Reihe von SM-, EM- und WM-Titeln. Prominentestes YCK-Mitglied ist Rolf Zwicky. Der ehemalige Olympionike amtete als Nationaltrainer
und Swiss-Sailing-Vorstandsmitglied und ist seit 14 Jahren Präsident des Ostschweizer Clubs. «Wir legen grossen Wert auf ein ausgewogenes Programm mit sportlichen und gesellschaftlichen Anlässen. Traditionen, aber auch Offenheit haben den Club dahin gebracht, wo er heute steht», betont Zwicky. Peter Kilchenmann leitet den TYC ebenfalls seit 14 Jahren. Er setzt hingegen mehr auf sportliche Akzente: «Ich wurde als Vertreter der Sportfraktion in dieses Amt gewählt. Sie motiviert mich, nach vorne zu schauen und einen Club zu erhalten, der den Namen Sportclub verdient.» Sowohl in Thun als auch in Kreuzlingen ist neben dem gesellschaftlichen und sportlichen Aspekt auch die dritte tragende Säule intakt, die einem Sportverein gute Zukunftsperspektiven verheisst: In beiden Clubs sorgen gut funktionierende Juniorenabteilungen für Nachwuchs.