Das IMOCA-Reglement sei eine Evolution, keine Revolution, versprach Klassenpräsident Antoine Mermod. Einige freut’s, andere bedauern, dass die Chance auf einen radikalen Kurswechsel verpasst wurde.

Text: Vincent Gillioz

Die International Monohull Open Class Association, kurz IMOCA, verabschiedete diesen Frühling die neuen, bis zur nächsten Vendée Globe 2024/25 gültigen Klassenregeln. Das Reglement 21-25 ist ein aus langen Diskussionen hervorgegangener Konsens. Es wurde vom technischen Komitee, in dem 15 Teams vertreten sind, ausgearbeitet und lässt relativ viel Spielraum, verhindert aber ein Wettrüsten. Nach fast 100 Stunden Online-Sitzungen stand der Entwurf fest. Ein Kraftakt, über den sich Klassenpräsident Antoine Mermod freut: «Es ist keine leichte Aufgabe, faire Regeln aufzustellen, die Raum für Innovationen lassen, gleichzeitig die bestehende Flotte unterstützen und das Budget unter Kontrolle halten.»

Für Justine Mettraux, die auf der 11th Hour Racing mitsegelt, enthält die neue Fassung keine weltbewegenden Neuerungen. «Die Änderungen waren vorhersehbar», sagt die erfahrene Seglerin. LinkedOut-Skipper Thomas Ruyant sieht das genauso: «Die IMOCA hat sich für einen konservativen Ansatz entschieden. Ich finde das gut. Bei der letzten Generation wurde ein technologischer Quantensprung vollzogen. Vor dem nächsten Schritt müssen die Konstruktionen erst konsolidiert werden.» Konsolidieren ja, meint Alan Roura, er kann sich aber nicht mit allen Entscheidungen anfreunden.

Ja zu Foils, aber mit Einschränkungen

An der Vendée Globe 2016 waren sechs Boote mit Foils ausgerüstet, vier davon kamen ins Ziel. An der letzten Ausgabe bildeten die Foiler mit 19 von 33 Jachten die Mehrheit. Die vielbeschworenen Tragflächen, die das Boot bei bestimmten Bedingungen deutlich schneller machen sollen, erfüllten die Erwartungen nicht. Jean Le Cam kritisierte die angeblichen Wunderwaffen daher auch harsch. Er selbst fuhr mit seinem konventionellen Schwertboot aus dem Jahr 2007 nur rund zehn Stunden hinter dem Sieger auf den 4. Platz. Trotzdem wurde der Einsatz der Foils nicht infrage gestellt. Da sich die Verantwortlichen bewusst waren, dass ein Foil mit zunehmender Grösse teurer wird, mehr Verstärkungen erfordert und das Bootshandling erschwert, und sie die Kosten eingrenzen wollten, einigten sie sich schliesslich auf folgende Lösung: Im Reglement werden die Abmessungen der Foils festgelegt, beim Design und den Geometrien haben die Teams hingegen freie Hand.
Alan Roura befürwortet die angestrebte Kostenreduzierung und die Grössenlimitierung der Foils, ganz zufrieden ist er dennoch nicht: «Ich finde es schade, dass Tragflächen an den Ruderblättern nicht erlaubt sind. Erst dann kann das Boot richtig fliegen. So bleibt es auf einem Bein, das ist etwas wacklig. Die Idee von foilenden One-Design-Ruderblättern wurde zwar diskutiert, dann aber verworfen. Vermutlich kommen sie aber mit der nächsten Generation». Michel Desjoyaux äusserte sich im Mai ähnlich zu diesem Thema. Er verglich die Open 60’ ohne hintere Tragflächen mit einem Hocker, dem ein Bein fehlt. Justine Mettraux hätte hingegen schärfere Auflagen begrüsst. «Man hätte durch strengere Regeln für Foils den Bau der Boote und die damit zusammenhängenden Kosten stärker beeinflussen können», befand sie.

Den Planeten retten und die Kosten senken

Im neuen IMOCA-Reglement sind neben Technik- und Leistungsvorschriften auch Nachhaltigkeitsauflagen enthalten. Die Klasse will aktiv zum Umweltschutz beitragen. Daher werden Materialien aus biologischem Anbau begünstigt und jedes Boot muss unter den acht erlaubten Segeln ein grünes Segel mitführen, das aus alternativen Materialien hergestellt und/oder vollständig recycelbar ist. Zudem muss für alle neuen Boote und alle neuen Teile eine Lebenszyklusanalyse erstellt werden. Der Dieselmotor wird aus Sicherheitsgründen beibehalten, die Teams können aber für alternative Lösungen eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Ergänzt wird dieses umfassende Nachhaltigkeitsprogramm mit einer «IMOCA Teams Charta», in der sich die Teilnehmer in Bereichen wie Mobilität, Kommunikation, Energie, Wasser und Ernährung zu einer umweltschonenderen Praxis verpflichten. Die Charta ist als gemeinsamer Rahmen gedacht, an den sich die Teams während der gesamten IMOCA Globe Series 2021-2025 und anschliessend bis ins Jahr 2030 halten sollen. «11th Hour Racing hat sich intensiv mit diesen Fragen befasst», sagt Justine Mettraux. «Wir mussten zum Beispiel von Beginn weg an den Strom denken, den unsere Computer verbrauchen. Da sind grosse Optimierungen möglich. Ich glaube, dass die Klasse auch in Bezug auf die Nachhaltigkeitsvorschriften zu zögerlich war.» Alan Roura wollte sich dazu nicht äussern: «Das Thema ist sehr komplex und es lässt sich nur schwer beurteilen, ob die Auswirkungen auf die Umwelt tatsächlich reduziert werden können.»

Ein Reglement für zwei Programme

Die neuen Regeln sind zwar nur eine «Evolution», mit den IMOCA Globe Series 21-25 erlebt die Klasse dennoch eine Revolution. Die Meisterschaft umfasst neu Teamregatten: das Ocean Race Europa im Mai-Juni und das Ocean Race (Weltumsegelung) im Oktober 2022. 11th Hour Racing wird am Ocean Race Europe auf der 2015 entworfenen und auf das Team angepassten IMOCA Hugo Boss teilnehmen. Im Juli soll dann eine brandneue Jacht folgen, die für die Weltumsegelung im Jahr 2022 optimiert ist. «Zwischen einem für die Vendée Globe und einem für das Ocean Race konzipierten Boot gibt es keine grundlegenden Unterschiede», sagt Justine Mettraux. «Deck und Cockpit sind vielleicht etwas anders gestaltet, die Unterschiede sind jedoch minim. Auf einem Einhandboot achtet man darauf, alles möglichst zu vereinfachen, aber das sind Details. Vom Design her wird das nächste Boot etwas robuster sein, denn es wird stärker beansprucht als bei einem Solo-Rennen.»
Auch Thomas Ruyant, der seine LinkedOut nach der Vendée Globe im Hinblick auf das Ocean Race Europe einem grossen Refit unterzogen hat, glaubt nicht, dass sich die Bootstypen stark unterscheiden. «Meine Open hat ein breites Cockpit und ist auf Teams ausgerichtet. Die Werftarbeiten diesen Frühling dienten vor allem der Instandsetzung. Wir haben ein paar Dinge angepasst, aber nichts Wesentliches. Die Flotte wird homogen bleiben, auch wenn das eine oder andere Boot vielleicht etwas stärker typisiert ist. Insgesamt denke ich, dass die breiteren Einsatzmöglichkeiten der Boote, das heisst einhand oder im Team, die Klasse beleben wird.»