Sonne, Passat, türkisfarbenes Wasser, ein festliches Rahmenprogramm und eine internationale Beteiligung bilden seit über zehn Jahren das Erfolgsrezept der Voiles de Saint-Barth. Der beliebte Anlass wurde 2010 von François Tolède und Luc Poupon ins Leben gerufen und begeistert nach wie vor Topsegler aus aller Welt. Nach der Zwangspause wurden dieses Jahr im Revier von Gustavia, dem Hauptort der kleinen Insel im Norden des Antillenbogens, wieder mit viel Herzblut die nautischen Klingen gekreuzt.

Text: Bertrand Duquenne

Die ansehnliche Zahl der Buge vor dem Hafengebäude macht klar: Die Teams brennen nach der zweijährigen Pause regelrecht darauf, sich endlich wieder zu messen. Für den internationalen Segelanlass haben die Milliardärsjachten ihren Platz geräumt. Auf jedem freien Meter werden Segel ausgebreitet, kontrolliert und in einem sympathischen, regattatypischen Durcheinander an Bord gehievt. Unzählige Carbonmasten überragen die bunten Dächer des Hafenbezirks.

Am Briefing geben sich Segelstars und erfahrene Amateure ein Stelldichein. Sie starten in zehn verschiedenen Kategorien. Ebenso vielfält die teilnehmenden Boote. Der bootsbauerische Spagat – vom Diam 24 bis zur Maxi-Jacht Rambler 88 – und das illustre Feld verleihen dem Wettkampf viel Charme. Péan, Pajot, Schmidt, David und andere prominente Persönlichkeiten haben hier Segelgeschichte geschrieben und Rekorde geknackt. Fest entschlossen, ihren grossen Vorbildern einzuheizen, lassen sich die Novizen an ihrer ersten Regatta von diesem Starauflauf keineswegs einschüchtern.

DIE BIEKER 53 FUJIN PRESCHT AUF EINEM RUMPF ÜBERS WASSER.

Einmal rund um die Insel

An den Voiles de Saint-Barth werden praktisch ausschliesslich natürliche Bahnmarken verwendet. Die Segler umrunden die Insel im Gegenuhrzeigersinn und weichen dabei den verschiedenen Naturparks aus. Auf lange Vorwindschläge folgen Surfs unter Spi, auf den Abwind der teilweise abrupt abfallenden Küsten der Hexenkessel des Kap Toiny.

Schon im ersten Lauf geht es hoch her. Sehr zur Freude der Foto- und Filmschaffenden an Bord und am Ufer werden die Teams von einem kräftigen Passat erwischt. Die Wellen verwandeln jedes Manöver in ein Spektakel mit meterhohen Gischtwolken. Man muss den Start der MaxiJachten live miterleben, um ihre geballte Kraft zu spüren. Sie knistern, krachen und beben. Die Carbonmonster ächzen unter der Kraftanstrengung und klatschen mit immer höherer Geschwindigkeit gegen die Wellen. Die Männer auf der Kante scheint die Dauerdusche nicht zu kümmern. Wassermassen schwappen über die Vorderdecks und die Hochseilartisten versuchen mehr schlecht als recht die Befehle der Afterguard auszuführen.

AUF DEM OFFENEN MEER KONNTEN DIE BOOTE AUF LANGEN SCHLÄGEN SURFEN, WIE HIER DIE BOTIN 52 CARO UNTER SCHWEIZER FLAGGE.

Profi-Kämpfe

Kampflustig preschen die Teams über die Startlinie. Sie liefern sich auf den 25 bis 30 Seemeilen langen Strecken Duelle in reinster Match-Race-Manier und schenken einander keinen Zentimeter. Unter ihnen: das Schweizer Boot Caro von Maximilian Klink, eine Botin 52, die 2021 in Neuseeland entworfen und gebaut wurde, um Offshore-Klassiker zu gewinnen. Obwohl sie ein paar Sekunden hinter ihrer direkten Gegnerin, der TP52 Jolt ins Ziel kam, überzeugte sie auf der ganzen Linie. Solche herausfordernden Kräftemessen veranlassen immer mehr internationale Spitzensegler, an den Voiles de Saint-Barth mitzumischen. Justin Ferris, der als Grosssegeltrimmer auf der Caro agierte, ist sonst an Topevents wie dem Volvo Ocean Race anzutreffen. Direkte Folge dieser hochklassigen Beteiligung sind die professionellen Manöver. Überzeugt von der hohen Qualität hat die International Maxi Association die Voiles als eine von vier Regatten in die von ihr gegründete Caribbean Maxi Challenge aufgenommen.

Führungswechsel sind in den verschiedenen Klassen an der Tagesordnung. Oft stehen sich David und Goliath gegenüber. Die als letzte gestarteten Maxis rollen das Feld von hinten auf und eine Diam24, die am Wind eine Vesper in voller Gleitfahrt kreuzt, ist nichts Aussergewöhnliches.
Auf dem Wasser kommt zwar kein anderes Boot an die vor Kraft strotzende Rambler heran, aufgrund ihres Ratings bleibt ihr aber ein Podestplatz verwehrt. Ebenso wenig gelingt es ihr, an der Richard Mille Trophy von Saint-Barth nach Saint-Martin ihren eigenen Rekord zu unterbieten. Ihre Aufholjagd ist hingegen ein Bild für die Götter. Die Teams der nicht minder prestigeträchtigen J121 müssen hilflos zuschauen, wie die Rambler an ihnen vorbeizieht.

JE NÄHER, DESTO BESSER: PETER HARRISON AUF DER TP52 RICHARD MILLE SEGELTE MÖGLICHST NAHE AN DER KÜSTE, UM VOM ABWIND ZU PROFITIEREN.

Dritte Halbzeit

Nach drei Tagen intensiver Wettkämpfe folgt mit dem Off-Tag am Nikki Beach die wohlverdiente Erholung. An der Crew Party wird ein gargantueskes Essen serviert und der Rosé fliesst in Strömen. Geselligkeit und der festliche Aspekt sind feste Bestandteile der Voiles de Saint-Barth. Am Tisch wird lautstark über die angewandte Taktik debattiert, gelacht, gestichelt und Seemannsgarn gesponnen. Auch Gelegenheit, sich auszuruhen, gibt es genug. Spätestens, wenn zu den Spielen geläutet wird, meldet sich der Kampfgeist zurück. Nachmittags stehen Tauziehen und eine Schatzsuche nach Champagnerflaschen auf dem Programm. Daneben bleibt Zeit, sich mit Arnaud Jerald, dem Schirmherrn der Veranstaltung, zu unterhalten. Für den mehrfachen Weltrekordhalter im Apnoe-Tauchen ist der Regattazirkus Neuland, er fühlt sich aber sichtlich wohl.

EIN- UND MEHRRÜMPFER REGATTIERTEN NEBENEINANDER. HIER DAS GUNBOAT 62 UND DIE SIEGREICHE LOMBARD PATA NEGRA.

Regattieren, was das Zeug hält

Nach einer kurzen Nacht geht es bei schönem Passatwind und herrlichem Sonnenschein zurück auf die Regattabahn. Auch bei den Mehrrumpfbooten wird hart gekämpft. Insbesondere die Offshore-Multis sorgten für packende Duelle. Fujin, der auf einem Rumpf surfende Bieker 53 von Greg Slyngstad, und das Gunboat Mach Schnell von Eigner und Skipper Kent Haeger, machen einander die Hölle heiss. Haeger hat mit Thierry Fouchier, der mit Oracle den America’s Cup gewonnen hat, und seiner Tochter Annie Haeger Mitglied des US-amerikanischen 470er-Teams an den Olympischen Spielen in Rio, zwei Koryphäen an Bord.

Ich selbst erhalte die Chance, auf der Pata Negra mitzusegeln. Die von Bernard Girod gesteuerte Lombard 46 ist zum zweiten Mal dabei und dominiert ihre Klasse seit Anfang der Woche souverän. Als ich dazustosse, hat sie bereits drei Siege in drei Wettfahrten eingefahren. Kein Wunder, schliesslich wird sie von einer eingespielten Crew gesegelt, die schon seit Jahren zusammen regattiert. Für die Voiles wurden zur Verstärkung noch ein paar Topsegler dazu geholt, darunter der Weltmeister der Melges 24. Die Manöver werden flüssig und lautlos ausgeführt. Wir haben kaum Zeit, die zerklüftete Landschaft zu bewundern, als plötzlich wie aus dem Nichts eine Farr40 unter Spi auf uns zuschiesst und sich an unsere Seite heftet. Eine etwas verspätete Halse, ein raumer Wind, der auf sich warten lässt, und wir nehmen ihr ein paar Sekunden ab, die uns den vierten Sieg bescheren.

In vielen Klassen ist das Niveau so ausgeglichen, dass die Voiles erst am letzten Tag auf der letzten Bahn entschieden werden. Ein Marathon, seufzen einige Teammitglieder, denen es nicht ganz so einfach fällt, die Regatten und das Rahmenprogramm unter einen Hut zu bringen, ohne vor Müdigkeit umzufallen.
Es gäbe noch viel mehr über diese Woche zu berichten. Die vielen zufriedenen Gesichter und die lobenden Kommentare der Teams zeugen von der Begeisterung, die der Anlass bei allen Beteiligten auslöst, und dem Wunsch, nächstes Jahr wieder dabei zu sein. Gut möglich, dass alle Startplätze schnell vergeben sein werden. Es gibt viele Gründe, um an den Voiles de SaintBarth teilzunehmen. Schon allein auf der Website des Anlasses listen die Organisatoren zehn auf. Falls Sie einen elften brauchen: Das Feuerwerk zum Abschluss der Preisverleihung steht jenem eines WM-Finals in nichts nach und lässt sich dazu noch am Strand bei einem Glas Rosé bestaunen.