Im Offshore-Rennsport, vor allem bei Mehrrümpfern, haben Frauen oft einen schweren Stand. Doch wenn sie die Chance bekommen, stechen sie durch Talent und Entschlossenheit hervor. Diese Erkenntnis steht hinter einer der interessantesten Frauen-Initiativen in der Multi-Hochseeszene: UpWind by MerConcept will gezielt Hochseeseglerinnen fördern und so die Zukunft des Sports sichern.
In der Offshore-Szene sind Seglerinnen rar. Ein drastisches Beispiel war die Route du Rhum 2022, bei der nur 7 von 138 Teilnehmenden Frauen waren. Bei der Arkea Ultim Challenge fehlten sie komplett. Cécile Andrieu, Leiterin der Hochseeregatten bei MerConcept, beobachtet sogar einen rückläufigen Trend: «Wenn man bei fast null Prozent liegt, kann es eigentlich nicht noch schlechter werden, und dennoch ist die Zahl der Seglerinnen bei den Mehrrümpfern in den letzten zwanzig Jahren weiter gesunken.» Diese Situation gefährdet nicht nur die Geschlechtergleichheit, sondern auch die Zukunft des Offshore-Rennsports. «In zehn Jahren wird sich niemand mehr mit uns identifizieren können, wenn wir nicht zeitgemäss bleiben», warnt Andrieu.
Starkes Frauenteam
Diese alarmierende Entwicklung rief die von François Gabart gegründete Firma MerConcept auf den Plan. Sie wollte nicht untätig zusehen, wie sich die Situation mehr und mehr verschlechterte, und gründete daher 2024 das Projekt Upwind. Sein Ziel: Seglerinnen mit unterschiedlichem Hintergrund den Einstieg in den Mehrrumpf-Rennsport zu erleichtern. Ein Aufruf brachte in wenigen Wochen über 120 Bewerbungen. «Die Qualität und die Vielfalt der Profile sind beeindruckend. Für mich zeigt das klar: Wenn Frauen eine Chance bekommen, sind sie zur Stelle.» Ausgewählt wurden schliesslich sechs Talente, die auf dem Ocean Fifty unter der Leitung von Francesca Clapcich segeln. «Wir haben bewusst eine Crew mit unterschiedlichem Niveau zusammengestellt», erklärt Cécile Andrieu. So können die erfahrensten Seglerinnen an den Rennen teilnehmen und die weniger erfahrenen im Training und an den Überführungsetappen dazulernen.»
Vielversprechende erste Saison
Upwind ist fulminant in die erste Saison gestartet. Nach den ersten beiden Küstenregatten in St. Malo und Pornichet trat das Kernteam aus Francesca Clapcich, Élodie-Jane Mettraux und Anne-Claire Le Berre Mitte August in Saint-Pierre-et-Miquelon zur Route des Terres-Neuvas an. Wenige Tage vor dem geplanten Start am 16. August sagte Élodie-Jane Mettraux: «Es ist unser erstes Hochseerennen auf diesem Boot. Wir wissen nicht, wie es sich in den Wellen verhält. Das Ergebnis ist zweitrangig, wir wollen vor allem gut segeln, zufrieden sein mit dem Trimm und mit unseren Entscheidungen. Und wir werden den Ocean Fifty wenn nötig pushen. Da die Trimarane keine Einheitsklasse sind, kommen sie mit den unterschiedlichen Bedingungen auch nicht alle gleich gut zurecht.» Nach dieser Transatlantikregatta wird Upwind den MedMax Occitanie und die Abschlussregatta in St. Maxime bestreiten. Obwohl die Frauencrew in ihrer ersten Saison Zeichen setzen will, bleibt Élodie-Jane Mettraux realistisch: «In dieser ersten Aufbausaison sollten wir uns nicht allzu hohe sportliche Ziele setzen. Unser Fokus liegt darauf, eine solide Basis für die Zukunft zu legen.»
Grosse Ambitionen
Längerfristig verfolgt das Projekt ehrgeizige Ziele. Upwind will nicht nur bei den Ocean Fifty Series erfolgreich sein, sondern auch eine Skipperin an die Route du Rhum 2026 schicken. Sogar ein Jules-Verne-Rekordversuch mit einem gemischten Team ist in Planung. «Gut möglich, dass wir in Zukunft auf anderen Booten segeln, aber die Förderung von Frauen im Offshore-Mehrrumpf-Zirkus bleibt unsere Priorität», betont Andrieu. «Darüber hinaus möchten wir auch abseits der Regatten mehr Frauen an Bord holen.»
Im Hochsee-Segelsport weht offenbar ein frischer Wind, doch der Weg zu echter Gleichberechtigung ist noch weit. Skipperinnen wie Sam Davies, Justine Mettraux und Clarisse Crémer haben durch ihre Teilnahmen an renommierten Regatten wie der Vendée Globe zwar an Bekanntheit gewonnen, aber in Führungspositionen sind Frauen im Segelsport noch immer selten anzutreffen. Vielfach fehlen sie ganz, zum Beispiel bei den TF35 auf dem Genfersee. Upwind aber gibt talentierten Seglerinnen eine Bühne und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Frauenförderung im Segelsport. Oder, um es mit den Worten von Cécile Andrieu zu sagen: «Wir wollen nicht einfach nur eine Topseglerin aufbauen, sondern einen Talentpool schaften, aus dem die Teams schöpfen können.»