America’s Cup
Das Protokoll für den 38. America’s Cup ist vollgepackt mit Neuerungen. Ob es allerdings Gültigkeit erhält, hängt von der Unterzeichnung eines Partnerschaftsabkommens ab. Bei Redaktionsschluss hatte die «Deed of Gift» noch nicht alle Teams überzeugt.
Seit 174 Jahren gilt beim America’s Cup ein fast monarchisches Prinzip: Wer die Silberkanne hält, ist allmächtig und bestimmt daher Auch sämtliche Regeln. Das undemokratische Konzept war seit der Erstaustragung im Jahr 1851 das Salz in der Suppe des Wettkampfs, doch im Zeitalter des Profisports scheint es vielen den Appetit zu verderben. Am 12. August, zehn Monate nach dem finalen Match des 37. America’s Cups in Barcelona, präsentierten der Defender Royal New Zealand Yacht Squadron, vertreten durch Team New Zealand, und Sir Ben Ainslies Rennstall Athéna Racing als Challenger of Record unter der Flagge des Royal Yacht Squadron Ltd. das Protokoll für die 38. Ausgabe, die 2027 in Neapel stattfinden soll. Grant Dalton, der Chef des neuseeländischen Teams, bezeichnete das Dokument als «bahnbrechend».
Kurswechsel
Der spürbare Wunsch nach einem Kurswechsel hat ein Bündel zeitgemässer Reformen hervorgebracht. Einige der fortschrittlichen Änderungen zielen klar auf eine Kosteneindämmung ab. Die Protokollunterzeichner erhoffen sich davon eine grössere Anzahl Syndikate und mehr Interesse der breiten Öffentlichkeit. Zu den wichtigsten Neuerungen gehören zweifellos die Kostenobergrenze von 75 Millionen Euro, die Vorschrift, dass mindestens ein Crewmitglied eine Frau sein muss und die Lockerung der Nationalitätenregel, nach der neu zwei Nicht-Staatsangehörige an Bord sein dürfen. Auf den AC75 wird nur noch ein fünfköpfiges Team segeln, da die Velofahrer, die zuvor die nötige Energie erzeugten, durch Batterien ersetzt werden. Um Sponsoren zu gewinnen, die Medienpräsenz zu fördern und Fans zu begeistern, darf zudem auf jedem Boot ein Gast mitsegeln. Auch am Rennformat wurde geschraubt. Die Gruppenphase des Louis Vuitton Cups besteht sowohl aus Match Racing als auch aus Fleetraces, an denen alle Syndikate gegeneinander antreten. 2026 soll es mit den Vorregatten losgehen. Technisch und technologisch wird ebenfalls auf mehr Kosteneffizienz gesetzt. Die Teams, die in Barcelona dabei waren, müssen ihre «alten» Rümpfe verwenden. Neue Syndikate können entweder eine alte AC75 kaufen oder einen neuen Rumpf nach einem bestehenden Design bauen.


HELD IN BARCELONA. ©JamesSomerset
Partnership Agreement
Auf den ersten Blick deuten diese Veränderungen auf eine Öffnung hin. Doch trotz des scheinbaren Reformwillens sehen einige potenzielle Herausforderer darin nur ein Mittel für den neuseeländischen Titelverteidiger, seine sportliche Vormachtstellung zu sichern. Brad Butterworth, vierfacher Cup-Sieger und Alinghi-Vorstandsmitglied, kommentierte spitz: «Mit diesen Regeln ist der America’s Cup unmöglich zu gewinnen!» Mehr wollte er dazu nicht sagen. Dass sich Ernesto Bertarelli, Brad Butterworth und der amerikanische Geschäftsmann Doug DeVos seit einem Jahr aktiv in die Gespräche mit den Challengern des letzten Cups und dem Defender eingebracht haben, ist ein offenes Geheimnis. Sie waren es auch, die ein Partnerschaftsabkommen vorgeschlagen haben, das die Teams rechtlich gleichstellt, sie zu einer Art Miteigentümer macht und ihnen Mitspracherecht und Gewinnbetei-ligung gewährt. So gesehen wäre das Konzept tatsächlich revolutionär. Sicher ist aber noch nichts, denn gemäss Artikel 3.1 tritt das Protokoll nur in Kraft, wenn das Partnership Agreement bis am 9. September 2025 um Mitternacht unterzeichnet ist. Andernfalls ist die «Deed of Gift» null und nichtig. Grant Dalton bezeichnete die Reform als «mutigste Veränderung in der 174-jährigen Geschichte des Cups» und fügte hinzu: «Mit dieser Partnerschaft erhalten die Teams, die kommerziellen Partner und die Veranstaltungsorte die Sicherheit, in mehrere Cup-Editionen investieren zu können.»
Wer ist dabei?
Bei Redaktionsschluss, wenige Tage vor der alles entscheidenden Deadline, stiess das Partnerschaftsabkommen nicht bei allen Teams auf Zustimmung. Mit wie vielen Challengern können Grant Dalton und Sir Ben Ainslie wohl rechnen? Luna Rossa aus Italien scheint bereit zu sein, das Protokoll unverändert zu akzeptieren. Ihnen reicht die Wahl von Neapel als Austragungsort zum Glück. Die Verantwortlichen des französischen Syndikats liessen über ihren Pressesprecher ausrichten, dass sie sich momentan nicht äussern wollen. Auch die Schweizer und die Amerikaner halten sich bedeckt. Es wird jedoch gemunkelt, dass sie sich unter bestimmten Bedingungen dazu durchringen könnten, die Vereinbarung zu unterzeichnen. Wer schlussendlich dabei sein wird, erfahren wir spätestens am Anmeldeschluss des 38. America’s Cups, dem 31. Januar 2026. Aber schliesslich gehört Geheimniskrämerei zum Charakter der «alten Dame», Demokratisierungsbemühungen hin oder her.