In St. Moritz trifft sich die Elite. Nicht nur jene mondäner Gesellschaftsschichten, sondern auch das Who is Who der internationalen Match-Race-Szene. Erneut kämpfte am St. Moritz Match Race ein Spitzentableau um Punkte, den Titel „King of the Mountain“ und Preisgelder in Höhe von 150‘000 Franken. Der Grade-1-Event ist eine von neun Stationen der World Tour und mit Abstand das wichtigste Match-Race-Ereignis in der Schweiz. Zehn der besten zwölf der ISAF-Weltrangliste waren dieses Jahr der Einladung von Neo-OK-Präsident Christian „Blumi“ Scherrer gefolgt, darunter viele Gesichter aus dem America’s Cup. Ebenfalls am Start: Jes Gram Hansen von Mascalzone Latino und Michael Hestbaek vom Team Germany. Die ganz grossen Namen aus dem AC-Circuit verzichteten dieses Jahr aber auf einen Abstecher in die Engadiner Berge. Christan Scherrer dazu: „Wir haben etwas gepokert und auf die Teilnahme zweier Koryphäen gehofft. Leider mussten diese wieder absagen. Die unsichere Situation im AC-Cup zwingt die Segler momentan zu sehr viel Spontanität.“ Für den in der Weltrangliste auf Platz 11 gesetzten Schweizer Eric Monnin haben die Absagen sogar einen positiven Effekt: „Die schon fast pensionsreifen AC-Skipper haben auf den kleinen Booten in St. Moritz nieeine besonders gute Figur gemacht. Sie haben sich auf andere Dinge spezialisiert. Die jüngeren Crews, die jetzt am Start sind, erreichen hier wohl das höhere Niveau.“ Ganz unrecht sollte Monnin mit dieser Einschätzung nicht behalten. Gesegelt wurde dieses Jahr erstmals auf Einheiten der in der Schweiz designten blu26. Sie sorgten – wie in den Vorjahren die Streamlines – für schnelle Manöver und viel Action. Auch die Segler standen dem Design positiv gegenüber (vgl. Kasten).
Schwierige Winde, packende Matches
Schon vor den ersten Races wurde selbst den St. Moritz-Neulingen klar: Das Engadin ist keine World Tour-Station wie jede andere. „Hier herrscht eine sehr familiäre Atmosphäre und die Berge, der kleine See sowie die Höhe machen den Anlass einzigartig“, sagte etwa Susi Ballois, OK-Mitglied und ehemalige Präsidentin des Segelclubs St. Moritz. Auch die Segler scheinen fasziniert zu sein: „Der Event gehört zu den am besten organisierten der Tour und bietet den Seglern viel. Ausserdem ist es für uns die ideale Gelegenheit einmal im Jahr in die Berge zu reisen“, so Sebastien Col von K-Challenge, der bereits zum fünften Mal antrat. Der letztjährige Sieger Ian Williams sieht aber auch die Kehrseite der Medaille: „Weil der See so klein ist, sind die Winde hier sehr drehend. Es kann sein, dass man ein Race verliert ohne einen wirklichen Fehler gemacht zu haben.“ Doch Williams lieferte gleich auch ein Rezept, wie damit umzugehen ist: „Man muss einfach sehr relaxed segeln. Man muss sich auf das konzentrieren, was man kontrollieren kann und darf sich nicht über Unvorhersehbares aufregen.“ Eine ganz andere Strategie verfolgte Eric Monnin, der mit Simon Brügger und seinen beiden Brüdern Jean-Claude und Marc antrat und an seinem Heimevent unbedingt den ganz grossen Coup landen wollte: „Es ist entscheidend die Dreher vor dem Gegner zu sehen. Man muss ständig Fahnen, Bäume und Kamine in der Umgebung im Auge behalten. Sie liefern die entscheidenden Hinweise. Manchmal ist es besser den Gegner nicht zu kontrollieren und stattdessen die Böen zu nutzen.“ In den Round Robins schienen sich beide Strategien zu bewähren. Sowohl der Brite Williams als auch Monnin qualifizierten sich direkt für den Viertelfinal, wo sie dann aufeinandertrafen. Dort sah es zunächst so aus, als verstünde sich Eric Monnin tatsächlich besser mit den alpinen Windgöttern. Er erreichte die erste Luvtonne mit genügend Vorsprung, um eine Strafe aus dem Vorstart zu tilgen und die Führung bis ins Ziel nicht mehr abzugeben. Doch Williams blieb tatsächlich „relaxed“ und gewann die zwei Wettfahrten des folgenden Tages, womit er sich für die Halbfinals qualifizierte. Eric Monnin hingegen geriet völlig aus dem Tritt und belegte nach den Platzierungs rennen bloss den undankbaren 8. Rang. Schuld daran waren nach eigenen Angaben mangelnde Kommunikation und fehlende Synchro nisation bei den Manövern. In einem anderen Viertelfinal lieferten sich zwei ambitionierte Newcomer ein packendes Duell. Der Neuseeländer Adam Minoprio, der in seinem ersten Profijahr bereits für einige Schlagzeilen gesorgt und in St. Moritz die Round Robin am erfolgreichsten abgeschlossen hatte, tat sich gegen den Dänen Peter Wibroe schwer. Im dritten Match jagten sich die beiden Konkurrenten während des Pré-Starts fünf Minuten durchs Wasser und ernteten vom Publikum einen langanhaltenden Applaus. Die beiden boten Match Racing auf höchstem Niveau. Minoprio setzte sich schliesslich durch, unterlag im Halbfinal aber grippegeschwächt Ian Williams und vermochte auch im Kampf um Platz drei gegen den Franzosen Philippe Presti (French Spirit) nicht zu bestehen. Doch dem erst 23 Jahre alten Segler, der in St. Moritz fast jeden Vorstart gewonnen hatte, gehört die Zukunft. Um den Titel „King of the Mountains“ segelte indes eine erfahrenere Garde. Es kam zum Traum duell zwischen dem Vorjahressieger und Führenden im World Tour Ranking Ian Williams sowie dem Führenden in der ISAF-Weltrangliste, dem Franzosen Mathieu Richard vom Team French Spirit. Hier fand nun auch „König“ Williams seinen Meister. Er unterlag dem Franzosen 2:0. Der König ist tot, es lebe der König! Der Brite erwies sich aber als fairer Verlierer und applaudierte Richard noch auf dem Wasser. „Er hatte einfach das bessere Timing“, gab er im Anschluss zu Protokoll. „Es ist fantastisch hier zu gewinnen“, sagte hingegen ein strahlender neuer „King of the Mountain“.
„Es hat alles funktioniert“
Auch Christian Scherrer, der nach dem tragischen Tod des St. Moritz Match Race Initiators Ronald Pieper die Zügel in die Hand genommen hatte und auch für die blu26 verantwortlich zeichnet, zog nach dem Event trotz Problemen im Vorfeld eine positive Bilanz: „Natürlich hat Ronis Tod alles um Einiges schwieriger gemacht. Ausserdem haben wir mit neuen Partnern zusammengearbeitet und auch die neuen Boote bargen Unsicherheiten, aber es hat alles funktioniert. Auf das nicht so tolle Wetter hatten wir eben keinen Einfluss. Wir konnten jedoch alle geplanten Wettfahrten bei fairen Bedingungen segeln.“ Ein Fazit, dem auch Paolo Cian zustimmte. Obwohl der Sieger von 2006 bereits in der Vorrunde ausgeschieden war, sagte er: „Es gibt eigentlich nichts, was die Organisatoren besser machen könnten. Nur etwas wärmer müsste es sein. Das Team Shosholoza verfügt leider nicht über so warme Bekleidung.“
Vollständige Resultate unter:
www.stmoritz-matchrace.ch
www.worldmatchracingtour.com