„Was passiert eigentlich mit dem America’s Cup?“ Noch nie wurden wir beim Magazin Skippers so häufig auf das Thema angesprochen. Eine unangenehme Frage, auf die auch wir keine Antworten wussten. Wie alle warteten wir gespannt auf das Urteil des obersten Gerichtshofs in New York. Am 18. März dann die Entscheidung: Richter Cahn bestätigte BMW Oracle Racing als rechtmässigen Challenger of Record und bewilligte ein Exklusiv-Duell zwischen BMW Oracle Racing und Alinghi. Der Deed of Gift Match wird auf einem 90-Fuss-Katamaran ausgefochten. Falls der Defender gewinnt, will er den America’s Cup nach eigenen Worten für 2011 wieder auf Kurs bringen. Zuvor muss allerdings noch der Austragungstermin für das nächste Aufeinandertreffen festgelegt werden. Und auch hier droht Ärger. Als hätte die Schlammschlacht zwischen den zwei milliardenschweren Syndikaten nicht schon genug Schaden angerichtet… Das Gezerre um die Macht hat die beiden bereits Unsummen gekostet. Larry Ellison scheint in den von ihm angefachten Streit, hinter dem Russell Coutts geschickt die Fäden zieht, grenzenlos Geld zu stecken. Und da Ernesto Bertarelli über die nötigen Mittel verfügt, um sich zu verteidigen, verzeichnete der Markt der Manipulationen gegen Ende des Winters eine schwindelerregende Aufwärtstendenz. Gerichtliches Tauziehen Was die juristischen Schnitzer angeht, steht es im gerichtlichen Boxkampf momentan unentschieden. Vergangenen Herbst hatte die Société nautique de Genève vergessen ihre alljährliche, für den titelverteidigenden Yachtclub zwingende Meeresregatta auszutragen. Noch ärger kam es für die Amerikaner. Die in technischen Belangen offensichtlich nicht ganz so sattelfesten Anwälte von BMW Oracle Racing hatten auf dem Bootszertifikat vermerkt, dass ihr Mehrrümpfer eine „Kielyacht“ sei. Kenner nahmen’s mit Humor, weniger amüsiert zeigten sich der internationale Segelverband ISAF und Richter Cahn. Das amerikanische Team zog den widersprüchlichen
Vermerk in letzter Sekunde zurück und brachte damit aber die Gültigkeit seiner Herausforderung in Gefahr. Richter Cahn sah das anders und berücksichtigte das Problem bei seinem Urteil nicht.
Unlautere Kiwis
Nicht ganz sauber ist die von Team New Zealand gegen Alinghi, ACM und die Société nautique de Genève Anfang März eingereichte Klage. „Wir haben eine Klage wegen Vertragsbruch und Wettbewerbsvorteil gegen den Defender eingereicht“, kündigte Grant Dalton ohne mit der Wimper zu zucken an. Die Marionette vom anderen Ende der Welt scheint ein kurzes Gedächtnis zu haben. Statt Bertarelli dankbar zu sein, dass er ihnen das nötige Geld für eine Teilnahme am 32. AC Cup geliehen hat, versuchen sich die Kiwis auf unlauterem Weg zu bereichern, indem sie Schadenersatz im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich fordern. „Wir werden uns mit Händen und Füssen wehren“, erwiderte Alinghi. Gut so!
Sportlicher Neubeginn
Zum Glück ist mit der Rückkehr der warmen Tage der Sport wieder etwas in den Vordergrund gerückt. Die Segler von Alinghi haben ihr Katamaran-Training in Valencia und an der Challenge Julius Bär auf dem Genfersee aufgenommen. Etwas Balsam für die Seele war auch die Verleihung des Special Awards anlässlich der Gala „Audi Sailor of the Year“. Er zeigte Ernesto Bertarelli, wie viel den Italienern an ihm liegt. Angesichts der heftigen, oft niederträchtigen und feigerweise anonymen Attacken auf angelsächsischen Webseiten ist diese Auszeichnung allerdings ein schwacher Trost. Sportlich tut sich im Hinblick auf das bevorstehende Multi-Duell in der America’s-Cup-Szene auch an der Front der Partnerschaften einiges. BMW Oracle Racing hat sich mit Franck Cammas und dem Team der Groupama zusammengetan, Alinghi ist mit dem Team Foncia, das Alain Gautier und Michel Desjoyeaux in den eigenen Reihen zählt, ein Bündnis eingegangen. Oracles Eindringungsversuch in der Challenge Julius Bär schlug kläglich fehl. Die Zusammenarbeit mit der D35 Banque Gonet & Cie löste sich angesichts des heftigen Widerstands der übrigen Meisterschaftsteilnehmer in Luft auf (s. Artikel auf S. 36). Damit entgeht den Amerikanern eine relativ wichtige Trainingsmöglichkeit. Es bleibt ihnen aber immer noch der iShare Cup, wo jedes Team mit zwei Booten mitmischt. Die Regatten starten am 30. Mai in Lugano. Erwartet werden Alinghi und Oracle und wahrscheinlich auch die gesamte internationale Presse. Jürg Kaufmann, Organisator der Schweizer Etappe, bezeichnete die Regatta am Telefon als „Americas Cup 32.5“.
Bewegte See
In Valencia ist nicht wirklich Ruhe eingekehrt. Als guter Nachbar wirft BMW Oracle Racing Knüppel vor Alinghis Füsse. Es gehen Gerüchte um, dass die Amerikaner ein Vielfaches an Lohn bieten sollen, um die besten Schweizer Elemente abzuwerben. Russell Coutts weiss genau, wo er zuschlagen muss, schliesslich hat er das Team 2002 selbst zusammengestellt. Brad Butterworth liess Mitte März zwar verlauten, dass er nicht die Absicht habe zu Oracle überzulaufen, doch Michel Marie, der bisherige Operation Director von Alinghi, und Christian Karcher haben bereits das amerikanische Trikot übergezogen. Alinghi lässt sich durch die Abgänge nicht entmutigen und holte John Barnitt, einen Ehemaligen von Stars and Stripes (1987) als Sportdirektor an Bord. Um einen allzu starken Aderlass zu vermeiden, wurden die Kontakte zwischen den beiden Teams unterbunden. Zwischen den feindlichen Fronten herrscht Funkstille.
Syz & Co spielt Romeo und Julia
Wenn Alinghi die „Montagu“ und Oracle die „Capulet“ wären, dann wäre das Genferseeprojekt Syz & Co das Romeo und Julia des America’s Cups. Alex Schneiter und Patrick Firmenich wollten auf ihrem fliegenden Boot glückliche Zeiten verbringen. Mit dem Design des Rumpfes wurde Van Peteghem (Oracle) beauftragt, die Segel stammen von Pierre-Yves Jorand und Patrick Mazuay (Alinghi). Bei der Auftragsvergabe hatte wohl niemand mit einer solchen Fehde gerechnet. Sie brachte das Projekt in diesem Winter gefährlich ins Schlingern. „Druck wurde vor allem von amerikanischer Seite ausgeübt“, hält Alex Schneiter fest. „Oracle verlangte von Van Peteghem Geheimhaltungsgarantien. Wir mussten eine Vereinbarung unterzeichnen. Mittlerweile ist es uns gelungen auf Distanz zu gehen. Das Projekt wurde zwar etwas verzögert, trotzdem kommen wir vorwärts.“ Das Boot dürfte diesen Frühling eingewassert werden. Endlich ein Happy End in dieser Welt der Fieslinge.