Skippers hat in Valencia vier America’s-Cup-Fachmänner interviewt. Wir wollten wissen, was sie vom 32. America’s Cup halten. Ihre sehr unter•schiedlichen Antworten lassen eine erste Bilanz des 32. America’s Cups zu.
Der Franzose Bruno Troublé ist nicht einfach nur ein Beobachter. Seit Louis Vuitton Mitte Juli bekannt gegeben hat, dass er sich aus dem Wettkampf zurückzieht und den gleichnamigen Cup nicht mehr organisie•ren wird, ist der ehemalige Steuermann von Baron Bich vor allem eines: stinkwütend. Und so verkündete er jedem, der es hören wollte, dass der kommerziellste, je organisierte Cup seine Exklusivität und sein Prestige verloren habe.
Der erzkonservative englische Journalist Bob Fisher hat bereits über 13 Ausgaben berichtet. Er hätte nichts gegen eine Auflösung der ACM-Struktur und eine Rückkehr zu den alten Methoden. “Im englischen Fussball ist es durchaus möglich, dass zwei Clubs den gleichen Besitzer haben”, so Fisher. “Warum nicht auch im Segelsport?”
Der französische Journalist Patrick Chappuis ist seit 1992 Berichterstatter des Cups. “Ich vermisse die alten Zeiten nicht”, sagte er. “Mich hat vor allem die in Valencia geleistete Arbeit und der Publikumserfolg beeindruckt.”
Mister America’s Cup müssen wir wohl nicht mehr vorstellen. Dennis Conner bezeichnete den Cup gegenüber dem englischen Journalisten Tim Jeffery als “Höhepunkt des Yachtsports”. Er ist neun Cups gesegelt.
Die Louis Vuitton Acts?
Die wohl einschneidenste und viel beachtetste Neuerung dieses 32. AC Cups, die Louis Vuitton Acts, stossen auf allgemeine Zustimmung: “Die Acts sind eine gute Idee. Dadurch konnten die kleinen Teams Finanzpartner finden. Die Flottenregatten haben den Cup spektakulärer gemacht”, meinten unsere Spezialisten einstimmig. Dennis Conner dämpfte die allgemeine Begeisterung jedoch, indem er an eine heilige Regel erinnerte: “Ausser im Cup darf man nie gegen den Defender segeln. Für die Challenger sind die Acts eine denkbar schlechte Sache!”
Das Format des Louis Vuitton Cups?
Bruno Troublé ist der Meinung, dass Klassierungsregatten für die Viert•bis Achtplatzierten willkommen gewesen wären. Der als zu kurz einges•tufte LV Cup hätte dadurch länger gedauert und es den kleinen Teams ermöglicht, eine genaue Platzierung vorzuweisen. Ähnlich tönte es bei Bob Fisher. Wenn es nach ihm ginge, könnte der Challenger-Trial sogar den ganzen Sommer dauern. “Eine dritte Round Robin wäre nicht über•flüssig”, meinte er mit Bestimmtheit.
Valencia und die Wahl des Austragungsorts?
“Valencia hat mich positiv überrascht. Die Stadt hat Charme und das Regattarevier ist sehr korrekt”, äusserte sich Patrick Chappuis. Auch Bob Fisher und Bruno Troublé gestehen der spanischen Hafenstadt sport•liche Qualitäten zu. Der Franzose bedauerte lediglich, dass die Regatten ein wenig zu früh gestartet wurden, denn dadurch sei das Flautenrisiko zu Beginn des Louis Vuitton Cups viel grösser gewesen.
Die Yachten?
Zum Zeitpunkt des Interviews sprach man noch nicht vom Umstieg auf neue Yachten. Doch die Frage nach den Class America löste bei unse•ren Fachmännern gemischte Reaktionen aus. Bob Fisher ist ein glühen•der Verfechter der Kontinuität: “Es ist eine fabelhafte Klasse. Die Boote liegen leistungsmässig sehr nah beieinander. Dadurch sind die Rennen ausgeglichener und interessanter. Warum also sollte man die Boote nur um des Prinzips willen auswechseln?” so der Engländer. Patrick Chappuis und Bruno Troublé sind da anderer Meinung. Sie plä•dieren für Innovation. “Jetzt, da 100 Yachten gebaut wurden, ist es höchste Zeit auf Segelboote umzusteigen, die besser gleiten und kein Blei mit sich herum•schleppen”, führte Chappuis an und gab Loïck Peyron, der am Fernsehen Ähnliches verlauten liess, Recht: “Es ist erbärmlich zu sehen, wie wenig die Crewmitglieder zu tun haben. Die Jungs legen sich auf den Boden, um die Windverwirbelung so gering wie möglich zu halten. Es wäre bestimmt möglich, das Ganze spektakulärer zu machen”, meinte er genervt.
Die Nationalitätenregel?
Die von Ernesto Bertarelli vollständig liberali•sierte Internationalisierung der Teams wird immer einer der Streitpunkte des Cups sein. “Wir wissen schon jetzt, wer den nächsten Cup gewinnen wird”, stichelte Dennis Conner vor dem America’s Cup Match, “ein Kiwi!” Was als Scherz daherkam, ist bei den Machern des Cups in Wirklichkeit ein Zankapfel. Wie zu erwarten ist Bob Fisher für eine Verschärfung der Nationalitätenregel. Er würde den Anteil der Landsmänner im Team auf 50% erhöhen, “damit sich die Fans mit ihrem Nationalteam identifizieren können”, wie er betonte. Bruno Troublé stimmt dem teilweise zu. Patrick Chappuis hingegen ist anderer Meinung. Er erinnert sich an die Zeit, in der die Segler “für sechs Monate einen Briefkasten in Neapel haben mussten”, um bei Luna Rossa zu segeln. “Es ist eine scheinheilige Regel, von der vor allem Immobilienmakler profitieren”, ärgerte sich der französische Journalist und wies darauf hin, dass die Skandinavier zur Zeit von Sir Thomas Lipton auf allen Yachten anzutref•fen waren.