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Auf dem Weg nach Valencia…

von Quentin Mayerat

Der America’s Cup ist hier bei uns in Europa! Damit bietet sich uns die Möglichkeit, auf eigenem Kiel an den Austragungsort zu reisen. Obwohl die Gaststadt nicht an den Ufern des Genfersees liegt, so ist der America’s Cup mit der Wahl von Valencia doch zumindest in Reichweite unserer am Mittelmeer stationierten oder gecharterten Segelyachten gerückt. Der Seeweg zu den spanischen Küsten wartet mit wunderschönen Kreuzfahrtrevieren, herrlichen Überquerungen, echter Hochseeseglerei und spannenden Küstenstrecken auf. Bisher schien der America’s Cup uns Freizeitseglern sowohl aufgrund der Entfernung als auch wegen des technisch und finanziell hochkarätigen Rahmens, in dem er sich bewegt, unerreichbar, jetzt ist er plötzlich in unsere Nähe gerückt und hat Valencia zum unumgänglichen Törnziel gemacht.

Das von Michel Bonnefous geleitete America’s Cup Management, in dessen Händen die Organisation des Cups liegt, hat sich entschieden, die Anzahl Vorregatten zu erhöhen, damit auch das Publikum vom Class-America-Spektakel profitieren kann. ACM sorgt zudem dafür, dass so viel Interessierte wie möglich auf ihrem eigenen Boot, zusammen mit der Familie oder Freunden echten Cup-Regatten beiwohnen können. Wir haben uns unverzüglich vor Ort begeben, um uns das für seine konstanten Winde bekannte Segelrevier und die wirtschaftlich florierende Stadt mit eigenen Augen anzuschauen.

Viele Wege führen nach Valencia

Ein Blick auf die Karte des westlichen Mittelmeerbeckens vermittelt eine erste Idee über die Distanzen – und die sind beträchtlich. Vereinfacht könnte man sagen, dass sich Marseille als Starthafen aufdrängt. Damit wäre den beiden Städten, die sich das Recht, die Segelduelle des 32. America’s Cup auszutragen, streitig gemacht hatten, auch die gebührende Ehre erwiesen. Tatsächlich aber haben wir unsere Sun Odyssey 49 im Hafen Napoléon des Port Saint Louis du Rhône, in einer tadellosen Marina etwas abseits der Yachts Services bezogen. Ab hier hatten wir zwei Möglichkeiten: Entweder schnurstracks Valencia anzupeilen, den Golfe du Lion zu queren und ab Barcelona der Küste entlang bis nach Valencia zu segeln, oder aber nach Süden in Richtung Menorca und Balearen zu stechen und erst einmal die Inselgruppe der Balearen zu erkunden. Wir entschieden uns für die zweite Variante. Wem der Golfe du Lion ein zu grosses Wagnis ist, der kann auch die längere, aber sicherere Route der französischen Küste entlang wählen und in einigen Häfen des Languedoc mit ihrem typisch südfranzösischem Charme, wie Sète, Port Vendres oder Collioures, anlegen oder aber die modernen Marinas von Port Camargue-La Grande Motte, Cap d’Adge oder Gruissan nutzen.

Eine Durchquerung des Golfe du Lion will vorbereitet sein!

Der Mistral und die Tramontana sind brutale Winde, die keine halben Sachen kennen, ohne Vorwarnung aufkommen und weit draussen Stürme verursachen, die wegen der kurzen, abrupten und “bootsbrechenden” Wellen auch Riesenyachten arg zusetzen können. Man sollte deshalb nur bei ausgezeichneter Wetterlage aufbrechen und unterwegs nicht trödeln. Je nach Grösse der Yacht benötigt man für die 200 Seemeilen lange Nonstop-Strecke 24 bis 36 Stunden. Dank des soliden Yanmar-Motors mit Faltpropeller (ein Dreiflügler) glitt unsere Tempo 49 zügig mit 8 Knoten über das spiegelglatte Wasser. Im Sommer ist eine solche Kombination auf dem Mittelmeer nicht nur sehr angenehm, sondern sogar lebenswichtig. Das bekamen auch wir zu spüren. Mit Ausnahme der Etappe Ibiza-Valencia und der Rückfahrt durch den Golfe du Lion auf Halbwindkurs bei einem unverhofften Südsüdostwind, legten wir den grössten Teil unseres Augusttörns 2004 unter Motor zurück, die Segel aufgrund der anhaltenden Flaute hoffnungslos festgezurrt.

Keine 10 Seemeilen vor Marseille begegneten wir einem Paar riesiger Wale, das sich im Rhythmus ihres kräftigen Atems behäbig in Richtung Westen vorwärts bewegte. Eindrücklicher hätte unser Hochseeabenteuer nicht beginnen können. Diese erste und längste Überquerung verlief ohne Zwischenfälle, einmal abgesehen von den Delphinschwärmen und den Frachtern und Fähren auf der Handelsschifffahrtsroute Barcelona-Südsardinien, die uns nachts zum Slalomfahren zwangen. Wie unsere britischen Kameraden sagen würden, hatten wir ein Stück Glück. Lesen Sie die der Mittelmeerseglerei gewidmeten Passagen des Buchs “Schwerwettersegeln” von Adlard Coles und Sie werden sofort begreifen, dass diejenigen, denen eben dieses Glück nicht beschert ist, einen Schrecken fürs Leben davontragen.

Fornells’ imposante Klippen

Bei der Ankunft in Fornells atmeten wir erst einmal erleichtert auf. Geschafft! Fornells ist eine natürliche, mit Klippen gesäumte, windgeschützte Bucht an der Nordküste von Menorca. In den umgebenden Buchten dümpeln zahlreiche Yachten, ganz besonders vor dem kleinen weissen Dorf, das noch zu schlafen scheint. Wenn Sie genügend Verpflegung gebunkert und etwas Zeit übrig haben, dann verbringen Sie hier ein paar Tage weit weg vom Alltag und der Zivilisation und gehen mit der spanischen,
d.h. eigentlich mit der menorkanischen Bevölkerung auf Tuchfühlung. Sie werden erstaunt sein: Hier vergeht die Zeit noch langsamer als in Madrid und Barcelona! Doch eigentlich wünscht man sich ja auf einem Segeltörn nichts anderes, als nachts gut schlafen, tagsüber faulenzen, bis zum nächsten Ankerplatz segeln, ohne feste Uhrzeiten essen, ab und zu ins kühle Nass tauchen, Mittagsschlaf halten, sich gemütlich unterhalten und vielleicht noch ein gutes Buch lesen zu können. An Bord unserer Sun Odyssey 49 spielte sich das Leben zur heissesten Tageszeit vor allem im grossen Cockpit ab, das mit einem abnehmbaren Sonnensegel geschützt ist.

In den Gewässern um Menorca kann man je nach Wind im grössten Naturhafen des Mittelmeers vor Mahon anlegen und die geschichtsträchtige Stadt entdecken oder sich für die überfüllten Restaurants an der Uferpromenade von Ciudadela entscheiden. Wer es etwas ruhiger mag, klettert vielleicht sogar in die Höhe und kostet dort in etwas ruhigeren Gaststätten die köstliche Langustensuppe. Der Aufenthalt in der Bucht ist ziemlich “bewegt”. Die Ein- und Ausfahrt der Fähre, die zuhinterst in der Cala am Fuss der Stadt festmacht, verursacht eine Grundsee, welche die Yachten ganz schön durcheinanderschüttelt. Obwohl die Seeleute gewarnt werden, sind die Boote doch in drei Rängen paarweise festgemacht und in einem Gewirr von Fendern, Leinen und Springs festgezurrt. Eindrücklich!

Idyllisches Formentera

Die Route führt weiter zur gastlichen Nordostküste von Mallorca. Etwas südlicher erreicht man eine Vielzahl kleiner Ankerplätze. Im Sommer drohen sie an den Wochenenden meist aus allen Nähten zu platzen und nach 13 Uhr, wenn die Motorboote und protzigen Motoryachten eingetroffen sind, ist überhaupt nichts mehr zu wollen. In Spanien scheint es übrigens kein Tempolimit für Motorboote zu geben, so dass es sich die Eigner zum Nationalsport gemacht haben, in vollem Karacho und so nah wie möglich an kleineren Booten vorbeizudonnern. An der mallorcanischen Südspitze bei Punta Salinas gegenüber der Cabrera-Insel geht es einiges ruhiger zu und her; der Besucherandrang steht in keinem Vergleich zu demjenigen an der Nordostküste. Wer hier anlegen will, muss in einem Büro in Palma eine 24-Stunden- Bewilligung holen. Ibiza liegt nur noch 70 Seemeilen, also weniger als einen Navigationstag, vor unserem Bug. Die berühmteste Baleareninsel, der der Ruf eines riesigen Openair-Nightclubs anhaftet, zeigt auf der Meeresseite ein deutlich attraktiveres Gesicht. Einzig die seltenen, vollkommen überlaufenen, teuren und lärmigen Häfen verschandeln das Bild. Am besten wendet man die “Touch and go”-Technik an, das heisst, mittags, wenn die Glückspilze, die am Vortag hier einen Platz gefunden haben, wieder die Anker gelichtet haben und die Seeleute, die für den Abend manchmal mehrere Tage im Voraus reserviert haben, noch nicht eingetroffen sind, bunkert man Wasser, Fuel und Verpflegung und legt dann gleich wieder ab. Die Hafenverwalter sind gut organisiert und verlangen dafür einen Halbtagesgebühr, die genauso hoch ist wie der Ganztagestarif! Einmal abgesehen von den nicht besonders gastfreundlichen Häfen sind die Küstenstriche der Insel umwerfend schön, grün, mit vielen Vertiefungen und einem eher hohen Relief im Norden und grandiosen Klippen im Südosten. Und obwohl auch dort viele Boote   anzutreffen sind, findet man immer ein abgeschiedenes Fleckchen. Den absoluten Höhepunkt dieser Kreuzfahrt aber bildet Formentera. Die Insel ist relativ flach, dürr, und noch unberührt. Hier kann man das Inselleben in vollen Zügen einatmen und so richtig die Seele baumeln lassen. Herrliche, weisse Sandstrände scheinen sich in der Unendlichkeit zu verlieren und obwohl die Boote auf beiden Seiten der Landenge doch zahlreich sind, bleibt aufgrund ihrer geringen Grösse doch genügend Platz, sodass man sich nicht eingeengt fühlt. Planen Sie unbedingt einige Tage zur Erkundung des Kleinods ein, bevor sie den letzten Streckenteil nach Valencia angehen.

Wer Valencia vom Meer her anfährt, sieht erst einmal die Kräne des Handelshafens. Von der Stadt selbst ist nichts zu erkennen, denn sie liegt etwas weiter im Landesinnern vor ein paar mittelgrossen Hügeln, die sich bei guten Sichtverhältnissen am Horizont abzeichnen. Die Küste ist tief und weist keinen einzigen

Ankerplatz auf. Mit Ausnahme der Marina des Real Club Nautica gibt es in der unmittelbaren Umgebung auch kaum einen Yachthafen. Falls Sie einen Aufenthalt in Valencia planen, reservieren Sie Ihren Bootsplatz frühzeitig. Ein Besuch in Valencia lohnt sich wirklich, die 3,5 km vom Hafen entfernte Stadt ist wunderschön und erfüllt mit pulsierendem Leben. Valencia hat es verstanden, aus dem stürmischen, Unheil verkündenden Fluss Nutzen zu ziehen. Die Turia wurde umgeleitet und fliesst heute südlich der Stadt, während im ehemaligen Flussbett wunderbare Gärten angelegt wurden, die sich heute anstelle des Wassers durch das Stadtzentrum schlängeln und in der neuen, in zeitgenössischer Architektur erbauten  Stadt der Wissenschaften und der Künste gipfeln. Eigentlich ist Valencia erst seit kurzem eine echte Küstenstadt, denn die Bevölkerung hatte sich ganz auf Landwirtschaft konzentriert und das Land der Turia-Flussebene bebaut. In zwei Jahren wird sie ihren Rückstand jedoch mehr als nur wettgemacht haben…

America’s Cup: die beste Reisezeit

Die fleissigsten Challenger trainieren im Hinblick auf die Louis Vuitton Acts 4 und 5 (Match Race vom 16.-22. Juni, Fleet Race vom 24.-26. Juni) bereits seit März in Valencia. Danach werden sich die Basen leeren und erst im Herbst wieder zum Leben erwachen, denn der America’s Cup Zirkus reist nach Schweden und dann nach Sizilien. 2006 wird ein intensives Jahr. Die Konkurrenten werden die Zeit von April bis Juni nutzen, genau ein Jahr vor dem grossen Finale vor Ort zu trainieren, um sich mit den lokalen, saisontypischen Verhältnissen vertraut zu machen. 2007 finden dann die alles entscheidenden Regatten statt. Wegen der in Valencia und Umgebung beschränkten Anzahl Anlegeplätze für Besucher dürfte ein Besuch zu diesem Zeitpunkt eher schwierig sein. Wir raten Ihnen, Valencia im Mai und Juni 2005 und 2006 aufzusuchen.

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