Skippers

🏛 » „So gut und so schön wie ich kann“

„So gut und so schön wie ich kann“

von Quentin Mayerat

„Einen selbst gebauten 20er R Jollenkreuzer, ein Velo und einen Wäschesack“, das war alles, was Roland Begré in den Zug verlud, als er sich 1965 aufmachte, um den Bielersee in Richtung Bodensee zu verlassen. Die Wanderjahre, die er zuvor schon an verschiedenen Juraseen und am Genfersee verbracht hatte, waren ihm nicht genug. „Ich wollte von der Schweiz einfach noch etwas mehr sehen“, erklärt der heute 67-jährige Bootsbauer und fügt hinzu: „Ausserdem reizten mich die Werften am Bodensee, wo ich hoffte, neues dazuzulernen.“

Der Bau hölzerner Segelboote und das Segeln auf ihnen faszinierten den gelernten Möbelschreiner und Abkömmling einer Weinbauernfamilie schon seit der ersten Ausfahrt mit dem familieneigenen Fischerboot Hecht. Seither hat er so gut wie immer ein eigenes Holzboot besessen und wenn immer möglich an einem gebaut. So auch in Altnau am Bodensee, wo er nach Jobs in verschiedenen Werften und anderen Betrieben sesshaft geworden ist. Er habe seine zukünftige Frau kennen gelernt und da sei das mit dem Wandervogeldasein verbundene „Gefühl des kentern Könnens“ eher „lästig“ geworden, zumal schon bald nach der Hochzeit das erste von insgesamt drei Kindern unterwegs gewesen sei, erklärt Begré den Entscheid, zumindest geografisch zur Ruhe gekommen zu sein.

Was den Bootsbau betrifft, so blieb Roland Begré ein ruheloser Perfektionist. In einer Altnauer Werft, in der er damals tätig war, wurde an einem nordischen Folkeboot gebaut. Ein Boots-typ, der den passionierten Handwerker und Holzliebhaber sofort begeisterte. „Ich habe mit diesem Schiff nicht nur meine Arbeitszeit, sondern auch meine Freizeit verbracht. Ich sass stundenlang da drin, habe geplant, nach Verbesserungsmöglichkeiten gesucht und mir vorgestellt, wie es wohl ist, damit zu segeln. 1970 habe ich das Boot schliesslich sogar selbst gekauft“, erzählt Begré. Allerdings musste er sich aufgrund eines nicht auszuschlagenden Kaufangebots schon bald wieder davon trennen. Das innere Feuer für die traditionsreiche Bootsklasse aus Skandinavien, die mit Roland Begré den Jahrgang teilt und heute auch in Deutschland, auf österreichischen Seen, dem Bodensee und sogar in San Francisco grössere Flotten stellt, war aber endgültig entflammt. 

Die unfreiwillige Selbstständigkeit

Das nächste Folkeboot, das Roland Begré baute, sollte ihm, wenn zunächst auch unfreiwillig, den Weg in die Selbstständigkeit ebnen. „Ich hatte nicht viel Zeit und beauftragte deshalb die Werft, in der ich beschäftigt war, mit dem Bau des Rumpfs, um permanent daran arbeiten zu können. Ich war also Kunde und Arbeiter zugleich.“ Umso grösser war der Schock, als eines Morgens ohne Vorwarnung ein Konkursbeamter vor der Werft erschien und die Belegschaft wieder nach Hause schickte. „Er sagte, das Gelände würde gesperrt und alles, was sich darauf befände beschlagnahmt, auch mein Rumpf“, schildert Begré die schwierige Situation.

Doch nun kam dem gebürtigen Seeländer seine Hartnäckigkeit zu Gute. Es gelang ihm, vom Konkursamt die Werfthalle bis zur angekündigten Versteigerung auf eigene Kosten zu mieten und schon am nächsten Tag arbeitete er wieder an seinem Folkeboot, das er nach wenigen Ausfahrten einer Frau verkaufte, die es „unbedingt haben wollte“. Es folgte der Bau der nächsten Einheit und der Umzug, zunächst in die Scheune eines Bauern, bald aber in die Halle, in der Begré noch heute arbeitet und die er 1976 erwarb. Aufträge für Reparaturen, Winterlager und Wartung kamen hinzu und Jahr für Jahr verliessen neue nordische Folkeboote die Werkstatt. Mittlerweile sind es 35 geworden, zunächst aus Lärchenholz und mit Epoxy-überzogenem Deck, später aus Mahagoni und optional mit Teakdeck. Etwa die Hälfte schwimmt auf dem Bodensee und auf anderen Schweizer Seen, der Rest im Ausland. 

Das Schöne als Passion

Probleme seine hölzernen Luxusgüter zu verkaufen, hatte Roland Begré nie. „Ich habe immer versucht, so gut und so schön wie möglich zu bauen und das wissen meine Kunden zu schätzen“, sagt er und ergänzt: „Schönheit ist zentral bei einem Folkeboot aus Holz. Wem das nichts bedeutet, der kann auch eines aus Kunststoff kaufen.“ Für Begré selbst sind hölzerne Folkeboote die grosse Passion und solche Schiffe bauen zu dürfen erfüllt ihn mit grosser Genugtuung. „Das Produkt meiner Arbeit in seiner ganzen Schönheit auf dem See segeln zu sehen, das ist ein unglaubliches Gefühl“, meint er und ist denn auch stolz darauf, dass er seine Boote stets alleine gebaut hat. Eine Expansion des Betriebs kam für ihn, wie er betont, nie in Frage: „Man hat zwar manchmal etwas gar viel Zeit zum Nachdenken, wenn man so viel alleine ist, für mich war es aber immer die idealste Form zu arbeiten.“ 

Mittlerweile verfügt Roland Begré über einen ungeheuren Erfahrungsschatz als Bootsbauer und Segler. Bis vor einigen Jahren war er aktiver Regattasegler und durfte während seiner Karriere so einige Pokale mit nach Hause nehmen. „Jedes meiner Schiffe ist ein Unikat und in jedes flossen die Erfahrungen aus dem Bau seiner Vorgänger und meine eigenen Erwartungen als Segler mit ein“, erklärt er. Ausserdem ist Begré einer von weltweit nur zwei von der Nordic Folkboat International Association zum Bau von hölzernen Booten lizenzierten Schiffsbauern. Seine Schiffe verfügen alle über einen Messbrief und können sowohl mit Regattabeseglung als auch mit grösseren und für Fahrtensegler auf windschwachen Revieren geeigneten Segeln bestückt werden. 

Wie lange Begré, der das offizielle Pensionsalter schon vor zwei Jahren überschritten hat, seiner Leidenschaft noch nachgehen kann, ist allerdings fraglich. „Ich brauche mittlerweile etwa doppelt so lange wie früher, um ein Boot zu bauen“, stellt er etwas wehmütig fest. So lässt er es denn auch etwas ruhiger angehen und konzentriert sich wieder verstärkt auf den reinen Bootsbau. Ein Nachfolger ist leider nicht in Sicht. Doch die Schiffe, die Roland Begré gebaut hat, werden ihre Schönheit noch lange Zeit zur Schau stellen und das von ihm investierte Herzblut bezeugen.

Dans la meme categorie