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Grün unterwegs

von Quentin Mayerat

Segeln ist eigentlich per se umweltfreundlich. Die Wassersportindustrie profitiert von diesem „grünen“ Image, gleichzeitig muss sie dadurch aber auch mehr Verantwortung übernehmen, denn der Druck, die Umweltbelastung ihrer Produkte von der Fabrikation bis zur Entsorgung zu reduzieren, ist umso grösser.

„Es tut sich viel“, freut sich Guillaume Jouanne,

beratender Ingenieur der französischen Ecodesign-Firma EVEA. „Vor zwei Jahren stiessen unsere Worte auf taube Ohren. Mittlerweile zeigt die Branche jedoch grosses Interesse an Materialforschungen, umweltschonenden Motoren und dem Recycling alter Boote.“ Davon zeugt auch das französische Programm für die Entsorgung ausgedienter Jachten (BPHU), das vom Wassersportverband FIN unterstützt wird und im Februar 2010 angelaufen ist.

Umweltfreundlichere Motoren

Werften und Motorenhersteller legen sich mächtig ins Zeug, um energiesparende und damit auch umweltfreundlichere Boote anzubieten. Am spektakulärsten sind die neuen Motoren mit Elektro-, Hybrid-, Elektrosolar- oder Wasserstoffantrieb.

Die Schiffswerft E3H in Brest gehört zu den Pionieren auf dem Gebiet der elektrobetriebenen Motorboote. An der Pariser Bootsmesse von 2008 hatte sie mit der Odonata, einem 7-Meter-Trimaran für Fahrtensegler, der völlig geräuschlos Höchstgeschwindigkeiten von 17 Knoten erreicht, für Aufsehen gesorgt. Bereits ein Jahr später präsentierte sie wieder in Paris den Prototypen Remora, ein Arbeitsboot für Häfen und Marinas. „Parallel zum Antrieb arbeiten wir auch viel an den Rümpfen“, erklärt Julien Sévellec, Pressesprecher bei E3H und verrät, dass die Werft bereits ein weiteres Projekt in der Pipeline hat, nämlich ein Elektroboot für Wassersportzentren und Segelschulen.

Solar- oder Wasserstoffmotoren sind im Bootsbau hingegen die Ausnahme. Vereinzelt gibt es sie aber doch. Die Aequus 7.o des Designbüros Finot-Conq beispielsweise erreicht dank der auf dem festen Bimini-Verdeck angebrachten photovoltaischen Zellen Durchschnittsgeschwindigkeiten von bis zu 5,5 Knoten. Dieses Jahr soll zudem ein Segelboot der Marke RM 1200 namens Zero CO2 auf dem Mittelmeer seine Bahnen ziehen. Es ist mit einem Elektromotor ausgestattet, der mit Wasserstoff-Brennstoffzellen angetrieben wird.

Bénéteau als Wegbereiter

Nicht ganz so extrem, für die Anforderungen eines Segelboots aber besser geeignet sind Hybridmotoren. Nanni Diesel hat im vergangenen Herbst einen Hybridmotor auf den Markt gebracht, dessen Kapazität im Elektromodus für vier Stunden reicht. Ausserdem lässt er sich an bestehende Nanni-Motoren anfügen. Ganz neue Wege schlägt die Bénéteau-Stiftung in Zusammenarbeit mit der italienischen Gruppe ZF ein. Sie entwickelt einen Motor mit regenerativem Parallel-Hybridmotor. Er kombiniert drei Energiequellen, die mechanisch aneinandergekoppelt sind: einen klassischen Verbrennungsmotor, einen Elektromotor und die erneuerbare kinetische Windenergie, die durch eine um 180° drehbare Schiffschraube im Wasser in elektrische Energie umgewandelt wird. Die Bénéteau-Werft wirkte bereits 2006 als Wegbereiterin, als sie mit der Lagoon 420 das erste standardmässig mit Elektromotoren ausgestattete Boot auf den Markt brachte.

Die seit mehreren Monaten durchgeführten Tests auf zwei Océanis 46 haben laut Bénéteau-Stiftung sowohl in punkto Verbrauch (mindestens um die Hälfte weniger) als auch in Bezug auf den Bordkomfort (Geräuschlosigkeit) bisher erstaunliche Resultate geliefert. Der Motor läuft vorwiegend im Elektrobetrieb, sei das bei Hafenmanövern, der Küstennavigation (bei 5 Knoten bis zu 3 Stunden Laufzeit) oder der dank Aufladen im Hafen und einer dreitätigen Laufzeit fast unbegrenzten Hochseeseglerei. Die Bénéteau-Stiftung will ihren Hybridmotor allen Bootsherstellern zur Verfügung stellen. Er wird voraussichtlich 10-15% mehr kosten als ein herkömmlicher Dieselmotor.

Ökobilanz oder Life Cycle Assessment (LCA)

Neben den Hybridmotoren tragen auch die immer leistungsstärkeren und sehr sparsamen LED-Leuchten zur Reduktion der auf Jachten benötigten Menge an fossilen Brennstoffen bei. Doch die Auswirkungen der Sportschifffahrt auf die Umwelt sind noch in ganz anderen Bereichen angesiedelt. Jede Jacht hinterlässt während ihres gesamten Lebens, d.h. von der Produktion über die Nutzungsphase bis zur Entsorgung, eine erhebliche ökologische Spur (Rohstoffe, CO2, Industrieabfälle). Daraus ergibt sich die Ökobilanz, die anhand von wissenschaftlichen Tabellen errechnet wird.

In der Wassersportindustrie hat sich diese systematische Berechnung der Ökobilanz, bei der sämtliche Parameter – Materialwahl, Herstellungsverfahren, Transport und Recycling – berücksichtigt werden, bisher noch nicht durchgesetzt. Die Fabrikationsmethoden haben dank der Verwendung von emissionsschwachen Harzen, dem Infusionsverfahren und dem Bau in geschlossenen Formen in punkto Umweltverträglichkeit zwar grosse Fortschritte gemacht, da der Ausstoss von flüssigen organischen Verbindungen, kurz VOCs, stark reduziert werden konnte, doch der Bootsbau verursacht  trotzdem noch immer viel Abfall. Mit dem Einsatz von Naturfasern und wiederverwertetem Holz für die Innenausstattung versucht man nun den Abfallberg zu verkleinern.

Bisher handelt es sich bei den Umweltbemühungen lediglich um punktuelle Einzelaktionen ohne Rücksicht auf die Ökobilanz, mit der die Auswirkungen auf die Umwelt ab der Planung eines Produkts gemessen wird. Fortschritte beim Umgang mit wiederverwerteten oder biologisch abbaubaren Materialien wie thermoplastischen Kunststoffen oder Bio-Verbundswerkstoffen könnten jedoch einen Sinneswandel bewirken und die Abhängigkeit von nicht wiederverwertbaren wärmegehärteten Kunststoffen (Kompositmaterialien, Karbon) einschränken, aus denen heute 95% der Rümpfe bestehen. Bei kleinen Einheiten wie Kajaks oder Jollen sind thermoplastische Kunststoffe übrigens bereits verbreitet. 2008 wurde die Open Bic von der FIN deswegen mit dem blauen Label ausgezeichnet. Auch Bio-Verbundswerkstoffe aus pflanzlichen Fasern und Harz gibt es bereits, doch ihre industrielle Verwendung wird wohl noch einige Zeit dauern.

Guillaume Jouanne rechnet damit, dass die Entwicklung spätestens ab 1. Januar 2011 beschleunigt wird. Dann nämlich tritt in Frankreich die obligatorische Angabe der Umweltbelastung auf Produkten in Kraft, die bestimmt auch die Segler in Bezug auf die CO2-Spur sensibilisiert. Ausserdem ist er der Meinung, dass die Nutzung der Jachten neu überdacht werden muss, zum Beispiel durch den Aufbau von leistungsstarken Chartermodellen. „Bootseigner segeln im Durchschnitt sieben Tage pro Jahr. Das ist doch total abwegig!“ entfährt es dem Ingenieur.

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