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Eine Mogelpackung?

von Quentin Mayerat

Im Februar 2010 hat BMW Oracle Racing nach einem fantastischen technologischen Kampf, dem ein kostspieliges gerichtliches Tauzie- hen vorausgegangen war, in Spanien das Duell gegen den zweifachen America’s Cup Sieger Alinghi gewonnen.
Im September kündigte der Defender an, dass der 34. Cup gerechter denn je und vor allem kostengünstiger sein werde. Ausserdem soll er 2013 und nicht 2014, wie es zunächst hiess, auf 72-Fuss-Katamaranen mit 40 Meter hohen Flügelsegeln ausgetragen werden.
Nach der ersten Euphorie, die durch die Vorfreude auf den nächsten, von BMW Oracle Racing stark modernisierten America’s Cup ausgelöst wurde, machte sich Ernüchterung breit. Schaut man sich die Vorgaben etwas genauer an, wird man das Gefühl nicht los, dass der 34. Cup so fair nicht sein kann, wie man uns weismachen will.

Kolossale Budgets
Mit der Vorverschiebung um ein Jahr will der Defender offiziell die Kos- ten für die Syndikate um 20 Prozent senken. Das Hauptproblem liegt aber darin, dass die Challenger bei der knapp bemessenen Zeit sofort auf ausreichende finanzielle Mittel angewiesen sind, um hochqualifizier- tes Personal einzustellen und die Studien für ein neues Boot zu veran- lassen, wozu kaum ein Team in der Lage sein wird. Immerhin müsste mit dem Bau des Bootes im Hinblick auf eine Einwasserung Anfang 2012 spätestens im Juni 2011 begonnen werden.

Katamarane mit Flügelmast
Angeblich um die sportliche Gerechtigkeit trotz Flügelmast zu gewähr- leisten, wird der Defender den Teams ab Dezember einen One Design 45-Fuss-Katamaran mit einem starren Flügel zur Verfügung stellen. Da- mit will er den Syndikaten, so der offizielle Tenor, die Möglichkeit geben, die Funktionsweise des komplexen, revolutionären Antriebssystems schnell zu verstehen. Doch was auf den ersten Blick ein grosszügiges Angebot zu sein scheint, ist in Wirklichkeit eine Möglichkeit für den De- fender seine Entwicklungsinstrumente und vor allem seine Programme für Geschwindigkeitsprognosen unter Realbedingungen zu testen. Die Software richtig einzustellen und die Theorie eines Zeichenbretts mit den realen Segelbedingungen auf dem Wasser in Einklang zu bringen sind für den Erfolg einer America’s-Cup-Kampagne denn auch von ent- scheidender Bedeutung.

Geschrumpftes Teilnehmerfeld
Mit der Absage von TeamOrigin aus Grossbritannien, OzBoyz Challen- ge aus Australien, Team Germany aus Deutschland und Luna Rossa aus Italien und der fraglichen Teilnahme der Russen von Synergy und der Italiener von Azzura scheint alles darauf hinzudeuten, dass der America’s Cup einer kleinen Elite aus vier bis sieben Teams vorbehalten sein wird.

Einzig der Challenger of Record Mascalzone Latino aus Italien, Emirates Team New Zealand aus Neuseeland, Artemis aus Schweden und even- tuell auch das französisch-deutsche Team All4One (mit oder ohne die Peyron-Brüder, siehe S. 30) dürften in der Lage sein, die Kampagne in Angriff zu nehmen und die völlig überhöhten Anmeldegebühren zu begleichen. Der Defender verlangt 4 Millionen Euro. Für den 32. Cup waren es gerade Mal 1 Million!

Es steht ausser Zweifel, dass der America’s Cup dringend eine Verjün- gungskur nötig hatte. Dass ein Challenger diesen 34. Match gewinnt, scheint angesichts des Vorsprungs, den sich BMW Oracle Racing heraus- gearbeitet hat, jedoch höchst unwahrscheinlich. Der Cup könnte sich auf einen Kampf reduzieren, bei dem es nicht darum geht, einen neuen Sieger zu küren, sondern nur den nächsten Challenger zu finden.

Alinghi, der beste Challenger
Obwohl seine Teilnahme sehr unwahrscheinlich ist (die Entschei- dung wird im Dezember oder Januar erwartet), so ist Alinghi derzeit doch das einzige Team, das das nötige Geld und die erforderlichen Kenntnisse besitzt, um den Defender auf dem Wasser zu schlagen. Das Team hat drei Jahre lang an einem mit technischen Neuerungen vollgestopften Riesenkatamaran gearbeitet und den Pokal bereits zwei Mal gewonnen. Sein Vorsprung auf die anderen Challenger ist nicht von der Hand zu weisen. Schliesslich darf die Niederlage vom Feb-ruar nicht darüber hinwegtäuschen, dass Alinghi einen Katamaran mit einer revolutionären Struktur entwickelt hat. Nur ein Gerichtsbe- schluss verhinderte, dass der Katamaran „made in Switzerland“ unter den Bedingungen segeln konnte, für die er gebaut worden war.

Ernesto Bertarelli dürfte seine Entscheidung, ob er ein viertes Mal an der ältesten Sporttrophäe der Welt teilnehmen wird, bis Ende 2010 fällen.

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