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Ziel Bazaruto

von Quentin Mayerat

Wir waren vor sechs Jahren das erste Mal in Mozambique und hatten nach einem Monat lediglich 200 km der 2500 km langen Küste erforscht. Die Küste von Mozambique grenzt im Süden an Südafrika und im Norden an Tansania und führt der Strasse von Mozambique entlang. Vor langer Zeit taufte Vasco da Gama seine Entdeckung „Terra de Boa gente“, das „Land der guten Menschen“, und dieser Name steht ihm auch heute noch gut. Zwar ist dieser Allgemeinplatz schon fast zum Klischee verkommen, doch die Mosambikaner sind tatsächlich nicht nur sehr freundlich, sondern auch zutiefst desinteressiert. Weisse Touristen und das von ihnen verkörperte Geld erregen das allgemeine Interesse noch immer nicht. Das konnten wir bereits vor sechs Jahren feststellen und es erstaunt uns heute noch genauso wie damals.

Das erste Mal hatte uns unsere Reise nach Inhaca, eine Insel direkt gegenüber der Hauptstadt Maputo geführt. Die unglaubliche Ruhe, die überwältigende Buschlandschaft, das Fehlen von Motorfahrzeugen und die einzigartigen Wellen hatten es uns schwer gemacht, unsere Zelte abzubrechen. Wir hatten zwei Wochen am Lido del Faro, am Fuss eines eindrücklichen Leuchtturms verbracht, der trotz seiner Grösse das Stranden eines Frachtschiffs nicht verhindern konnte. Unsere Tage waren erfüllt von Windsurfen, Surfen und langen Fussmärschen zum nächsten Dorf, wo wir uns verpfl egten.
Die Erforschung des etwas weniger als 1000 km nördlich gelegenen Bazaruto-Archipels hatten wir auf das nächste Mal verschoben. Zu oft fi ndet dieses „nächste Mal“ nicht statt, weil „etwas anderes“ dazwischen kommt und das „versprochen, wir kommen wieder!“ vergessen macht. Diesmal war die Sehnsucht nach diesen Trauminseln aber stärker und wir hielten Wort.

Mama Afrika
Als wir in der wunderschönen, am Meer gelegenen afrikanischen Hauptstadt Maputo ankommen, glauben wir, das Schlimmste hinter uns zu haben, doch unsere erste Etappe nach Norden in Richtung Inhambane scheint eine weitere Ewigkeit zu dauern. Dort oben wollen wir zwei neue Bekanntschaften machen: die erste – falls unsere Recherchen zutreffen – mit einer aussergewöhnlichen Welle, die zweite mit Pierre Dufloo, einem jungen, reuigen Wirtschaftswissenschaftler. „Sorry, ich habe Wirtschaftswissenschaften studiert“, könnte man Pierre fast sagen hören, womit er sich einer Studienkollegin anschliesst, die gerade ein Buch mit diesem Titel veröffentlicht hat (Florence Noiville: J’ai fait HEC et je m’en excuse). Es sei ihm vergeben, denn er hat den Weg des Profi ts verlassen und sich zu den sandigen Strassen Mozambiques aufgemacht. Erfolgsrechnungen und Bilanzen hat er längst gegen ein Saxophon und ein Surfbrett eingetauscht. Vermutlich wird er nicht im Jahrbuch der erfolgreichsten Wirtschaftsabsolventen aufgeführt, dafür werden er und seine Vereinigung „Positivo Mozambique“ von der Bevölkerung uneingeschränkt akzeptiert.
Pierre arbeitet hart, um von der UNESCO finanzielle Unterstützung für seine Workshops und den Umbau des Kinos in ein Musikstudio zu erhalten. „Positivo Mozambique“ klärt Jugendliche immer und immer wieder über die Gefahren von AIDS auf. Dabei wird weder dramatisiert, Angst geschürt, noch gibt es Schuldzuweisungen. Nur Liebe, positives Denken und Musik! Gute Musik mit etwas Femi Kuti für den Afro-Sound, Congas für den Latino-Klang, Saxophoneinlagen für den angelsächsischen Touch, das Ganze unterlegt mit portugiesischen Texten. Gut schütteln und „quente“(portugiesisch für heiss) serviert. Es geht ab, wenn Pierre mit seinen mosambikanischen, österreichischen, belgischen und englischen Freunden, mit denen er das Positivo führt, wie ein Marsupilami wild durch die Gegend hüpft. Unser Projekt Bazaruto gerät dadurch etwas in Verzug, aber es ist ja auch für einen guten Zweck. Mit Unterstützung von Lou lassen sich die kleinen Mosambikaner sogar überzeugen, französisch zu singen und schliesslich trällern wir alle zusammen den Refrain des Positivo auf Portugiesisch.

Mission erfüllt
Die Welle hält, was sie versprochen hat und wir lassen uns vom abwechselnden Windsurfen und Standup-Paddeln kaum noch ablenken. Auch dieses Mal fällt es uns schwer unser Lager, das eher einer kleinen Strandvilla als einem Zelt gleicht, abzubrechen. Wir lassen uns Ausreden einfallen, doch der Bus erwartet uns morgen früh um fünf zu einer achtstündigen Reise nach Vilanculos. Bei unserer Ankunft am Hafen erstreckt sich die smaragdgrüne Weite bis zum Horizont, wo sie mit dem Himmel zu einem fast irrealen Bild verschmilzt: Weit draussen auf dem Meer scheinen die Bazuto-Inseln im Raum zu schweben.

Wir besteigen eine Dau, dieses für den Indischen Ozean typische, von einem Lateinersegel angetriebene Boot. Es wurde vor rund 1000 Jahren zum ersten Mal erwähnt, als die arabischen Seefahrer getrieben vom Nordmonsun ihre Waren der afrikanischen Küste entlang vom Roten Meer zum Kap der Guten Hoffnung transportierten. Wenn auf der süd lichen Halbkugel der Winter anbrach und der Wind nach Süden drehte, kehrten sie wieder nach Hause zurück. Heute findet man Daus in den unterschiedlichsten Variationen von Indonesien bis zu den Malediven vom Sultanat Oman bis nach Mozam und bique. Bei unserer handelt es sich um einen einfachen, rund 10 Meter langen Zweimaster. Mit ihm können wir den Bazaruto-Archipel er kunden, ohne in einem der beiden überrissenteuren Hotels nächtigen zu müssen.

Eine einmalige Spielwiese
Unsere Holzbarke gleitet über die schimmernde Wasseroberfläche. Rogiero, einer der drei Crewmitglieder und mit seiner Wollmütze und seiner riesigen Sonnenbrille das perfekte Ebenbild von Peter Tosh, betätigt sich als Schiffskoch. Mittags stehen Krabben, Reis und gemischter Salat auf dem Speiseplan. Vor Mangaruque, der dem Kontinent am nächsten gelegenen Insel, gehen wir am Rand eines Korallenriffs, das einen unberührten Sandstrand säumt, vor Anker und warten auf Wind. Einige Kabellängen weiter entdecken wir mitten in der Lagune eine Sandzunge, die zum Kitesurfen wie geschaffen ist. Je weiter die Ebbe voranschreitet, desto breiter wird sie. Wir hissen unsere Stoffsegel. Während sie sich blähen, beginnt die Dau an allen Ecken und Enden zu knarren. Die Navigation wird uns auf diesem „kleinen Meer“ zwischen Kontinent und Inselgruppe sehr leicht gemacht. Vor dem heftigen Seegang des Indischen Ozeans geschützt, erscheinen bei Ebbe unzählige Sandbänke. Sie mahnen an die unendlichen Sanddünen, die sich über die Inseln des Archipels ziehen. Wir entscheiden uns für die in der Lagune entdeckte Sandzunge, die auf ihrer ganzen Länge von einem natürlich entstandenen Meerwasserkanal durchzogen wird. Der Wind hat mittlerweile 15 Knoten erreicht und Carine fl itzt mit geblähtem Segel über das fl ache Wasser, das unsere Sandbank umgibt. Abends kehren wir aufs Festland zurück, wo uns bereits ein von der Crew eingerichtetes Lager erwartet. Ein Stückchen vom Ufer entfernt stehen ein paar Zelte rings um eine hell flackernde Feuerstelle. Unsere Dau liegt vor Anker und wird die ganze Nacht von Rogiero bewacht. Während der Mond am sternenübersäten Himmel aufgeht, bringen wir mit Hilfe eines Standup-Paddlers noch unsere Ausrüstung und unsere Vorräte ins Trockene. Die nächsten Tage werden wir uns bereits frühmorgens auf die Suche nach den hinter den Inseln verborgenen Wellen machen. Mit unserer Dau, die in allen Fugen kracht, werden wir zwar nur sehr langsam vorankommen, dafür aber alle Zeit der Welt haben, um die einzigartige Landschaft dieses vergessen gegangenen Archipels zu geniessen.

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