
Mecara, der Sechser des amtierenden Europameisters Reinhard Suhner, in seinem Element. © Yves Ryncki
Auf der Hafenmauer wird lebhaft diskutiert und gestikuliert. Gerade ist die Regatta des Tages mit dem Sieg der Severn, dem einzigen Achter im Rennen, zu Ende gegangen. Kurz vor dem Startschuss war der Mast des im alten Stil gebauten Prototypen Savavite gegen den der Ballerina IV geknallt. Die rüstige, aber empfindliche 5.50 mR überstand den Zusammenprall zum Glück unbeschadet. Beruhigend für das mythische, von Henri Copponex entworfene Boot, das an den olympischen Spielen 1960 in Rom Bronze geholt hatte.
Das vom Cercle de la Voile Vevey – La Tour (CVVT) organisierte Oldtimer-Treffen ist kein antiquierter Anlass, ganz im Gegenteil. Es wird hier und dort zwar augenzwinkernd an vergangene Zeiten erinnert – auf den Kähnen zum Beispiel, auf denen die Crewmitglieder wie anno dazumal gestreifte Badeanzüge und Strohhüte tragen –, aber trotzdem sind die Teams in erster Linie angereist, um eine durch und durch zeitgemässe Regatta zu bestreiten. Auf dem Wasser wurde dank eines konstanten Westwinds denn auch beherzt gekämpft. Vor allem bei den beiden am stärksten vertretenen Klassen der Sechser und der 6,50m machte man sich keine Geschenke.
Die Boote, die sich an dem Traditionsanlass in La Tour-de-Peilz Jahr für Jahr ein Stelldichein geben, haben eines gemeinsam: Es sind alles klassisch gebaute Schiffe mit Baujahr 1956 oder älter. Einige wenige Ausnahmen werden für jüngere, nach traditioneller Art gebaute Jachten gemacht. Die meisten Teilnehmer stammen aus dem Genferseeraum, aber der geschichtsträchtige Anlass lockt auch Segler aus der Deutschschweiz und dem benachbarten Ausland an.
Vollendete Regattasegler
Reinhard Suhner aus der Nähe von Romanshorn kommt mit seiner 1954 nach Rissen von Sparkman&Stephens in Corsier-Port gebauten 6-Meter-Jacht Mecara alle zwei Jahre an den Genfersee. Dann nutzt er jeweils die Gelegenheit, alle Klassenregatten auf dem See zu bestreiten. Dazu gehören natürlich auch die beiden Klassikeranlässe in La Tour-de-Peilz und Sciez. „Ich habe das Boot 1971 gekauft“, erzählt er. „Es segelte auf dem Gardasee. An Bord ist praktisch alles im Originalzustand, nur der Mast wurde 1978 ausgewechselt und die Segel durch eine Regattagarderobe ersetzt.“ Reinhard Suhner ist eine Kämpfernatur. Er hat nicht nur einen Narren an alten Booten gefressen, sondern gilt zu Recht auch als hervorragender Regatteur. Suhner ist amtierender Europameister der 6-Meter-Klasse und bereitet sich aktiv auf die Titelverteidigung im nächsten Jahr in Schweden vor.

Das erste olympische Einheitsboot, ein zierliches 12-Fuss-Dinghi, bahnt sich seinen Weg Richtung Boje. © Yves Ryncki
An Kampfgeist fehlt es auch David Bugnon nicht. Ihm gehört die wunderschöne, vor drei Jahren restaurierte 6,50-Meter-Jacht Aramis. „Mein Boot ist bei Schwachwind sehr schnell. Seit 2008 segle ich immer vorne mit. 2010 habe ich sogar die Gesamtwertung der alten Boote gewonnen“, sagt er nicht ohne Stolz und hat auch eine Erklärung für das gute Abschneiden: „Die Vermessungsregeln der 6,50m-Klasse sind sehr flexibel. Ich konnte die Aramis deshalb mit einem Carbonmast mit Holzfurnier ausstatten und die Mastspur weiter nach hinten verlegen, um vorne die Segelfläche zu vergrössern.“

Die 7-Meter-Jacht Endrick machte mit dem luggergetakelten Genferseekahn kurzen Prozess. © Yves Ryncki
Grosses Spektakel
Jedenfalls bot sich an diesem Samstag Ende Juli auf dem Wasser ein umwerfendes Spektakel. Wie so oft bei solchen Anlässen sorgte die Vielfalt der anwesenden Boote für die nötige Würze. Ein imposanter Achter, der sich Bord an Bord mit einer zierlichen 15m SNS einen Weg mitten durch die dicht gedrängte Flotte aus bis zu 100 Jahre alten Marconi- und Gaffeljachten bahnt, während die spritzigen und eleganten, klinkerartig gebauten 12-Fuss-Dinghi und andere Kähne durch die Wellen preschen, ist auf dem Genfersee ein seltener Anblick. Dieser war umso eindrücklicher, als die schwerfälligen Arbeitsbarken dem Geschehen beiwohnten und halb bewundernd, halb genervt die frivol wirkenden Boote zu beobachten schienen. Sie waren nicht die einzigen ungewöhnlichen Zuschauer: Mehrere „Pointus“ und Barken aus dem Mittelmeerraum, die im Rahmen von Léman Tradition nach Vevey eingeladen worden waren, verfolgten den letzten Gang unter Spi aus nächster Nähe mit.
Die Organisatoren dürfen zufrieden sein. Mit kräftiger Unterstützung der Wettergötter haben Roland Bieri, Präsident des CCVT, und Hans-Ulrich „Rams“ Bernhard, eine der Stützen der Klassikerregatta, ihre Aufgabe einmal mehr erfüllt. Es ist ihnen gelungen, eine Vielzahl klassischer Boote hochleben zu lassen, Restaurationen zu fördern und junge Generationen zu motivieren, denn schliesslich leben weder die Eigner noch ihre Boote ewig. Bereits als die Régate des Vieux Bateaux 1976 aus der Taufe gehoben wurde, standen diese Ziele im Vordergrund. „Damals überschwemmte Kunststoff den Markt und die alten Rümpfe wurden mit der Axt zertrümmert“, erinnert sich Bernard Divorne, der Gründer des Anlasses. Und Schiffskultur war damals bei den Behörden noch ein Fremdwort. Mittlerweile hat sich das zum Glück geändert und es werden immer mehr zuschauerwirksame Anlässe organisiert.“
Ganz allein stellte sich der Erfolg aber nicht ein, es steckt schon viel Arbeit dahinter, wie Roland Bieri festhält. „Die Boote sind wunderschön, aber auch sehr zerbrechlich. Wir legen deshalb besonderen Wert auf den Empfang sowie auf die Sicherheit der Segler und ihrer Boote. Diese Aufgabe erledigt unser junger Hafenwart Raphaël Sieber mit Bravour.“