Anne Liardet wird wahrscheinlich im Rahmen eines Projekts zur Geschlechtergleichstellung an der Vendée Globe teilnehmen. © Brice Lechevalier
Raya, Intesar, Kholood und Tahira haben dank eines vom omanischen Sultan höchstpersönlich lancierten Programms das Tuch gehisst. Eine revolutionäres Ereignis, bedenkt man die in diesem Land des Mittleren Ostens noch mangelnde Gleichberechtigung. Die Heimat von Sindbad dem Seefahrer verfolgt damit ein klares Ziel: 2020 soll eine Landsfrau oder ein Landsmann in der Lage sein, das Land an den Olympischen Spielen würdig zu vertreten. Dafür werden die jungen Omanerinnen von den besten Seglerinnen der Welt gecoacht. Unter der Leitung von Dee Caffari, Christine Briand, Claire Pruvost und Kathy Pettibon haben sie Ende Februar an der Regattatour Sailing Arabia teilgenommen. Die Tour führt über sechs Etappen von Bahrein nach Muscat, der Hauptstadt des Sultanats. „Ich war mehrere Wochen in Oman, um die Mädchen für die Offshore-Regatta zu trainieren. Sie wurden nicht aufgrund ihrer Kompetenzen ausgewählt, sondern weil sie nicht seekrank werden und sich in der Gruppe wohlfühlen! Wir haben bei Null angefangen. Zunächst mussten sie das Segeln lernen und vor allem Spass dabei haben, damit sie motiviert sind weiterzumachen“, erzählt Christine Briand. Entisa ist 22 Jahre alt. Sie trägt auf dem Boot ein Kopftuch und scheint sehr stark mit der muslimischen Tradition verbunden zu sein. Trotzdem ist sie sehr offen. „Sie ist ein gutes Beispiel dafür, dass es auch andere Wege gibt und das gefällt mir an diesem Abenteuer ganz besonders“, sagt Christine begeistert. „In Oman haben Frauen zwar mehr Freiheiten als in den anderen Golfstaaten, doch auch hier könnte ihre Teilnahme an Sportwettkämpfen noch einiges bewegen. Ich habe das Gefühl, bei einer Revolution mitzuwirken!“ Segeln ist für die Frauen im Mittleren Osten offensichtlich mehr als nur ein Sport. Es ist ein Instrument zu mehr Emanzipation.
Auch in der Schweiz
In Europa sind Frauen im Segelsport zwar nicht mit den gleichen Problemen konfrontiert, aber auch bei uns sind Männer an Regatten noch immer stark übervertreten. Besonders markant ist dieses Ungleichgewicht bei Hochseeregatten. An der bevorstehenden Vendée Globe zum Beispiel sind mit Sam Davies und Liz Wardley nur zwei der 18 gemeldeten Teilnehmer Frauen. Was das Image angeht, scheint sich die Unterstützung einer Frau hingegen auszuzahlen. „Bei der Kommunikation hat man als Frau tatsächlich Vorteile, denn für uns ist es einfacher Sponsoren zu finden“, bestätigt Christine Briand. Als Beispiel nennt sie ihre Teilnahme an der Tour de France à la Voile vor ein paar Jahren. Als reines Frauenteam anzutreten sei die einzige Möglichkeit gewesen, das nötige Geld aufzutreiben. Sie steht mit ihrer Einschätzung nicht alleine da. Philippe Rey-Gorrez, Geschäftsführer von TeamWork, der Justine Mettraux an der nächsten Transat 6,50 sponsert, hält die Unterstützung einer Frau für die Kommunikation ebenfalls für vorteilhaft: „Solche Projekte sind wahrscheinlich medienwirksamer, da Frauen, die diese Art von
Herausforderung wagen, ziemlich selten sind und dadurch mehr auffallen. Auf jeden Fall sind Frauen anders, da sie ihre Intelligenz und ihre Gelenkigkeit einsetzen und nicht so sehr ihre Kraft, obwohl sie genauso widerstandsfähig sein müssen wie Männer. Ausserdem kann davon ausgegangen werden, dass Frauen, die von Erfolg oder Abenteuern träumen, sich eher mit dem Projekt identifizieren können, wenn eine Frau dahintersteckt.“
Justine Mettraux konnte Philippe Rey-Gorrez, den Gründer des Unternehmens Teamwork, davon überzeugen, sie für die nächste Transat 6,50 zu sponsern. © Stéphanie Gaspari
Seglerinnen-Netzwerk
Die Seglerinnen nehmen das Ruder mehr und mehr selbst in die Hand. Sie wollen segeln und pochen auf ihr Recht, an Regatten teilzunehmen. Bisher bekamen sie ihren Platz an Bord von Männercrews vor allem aufgrund ihres geringen Gewichts und nicht so sehr wegen ihres seglerischen Könnens. Deshalb gründeten sie ihre eigenen Regatten. Der Women’s Cup auf J80 zum Beispiel, der Anfang März in Pornichet stattgefunden hat, wurde von 28 reinen Frauenteams bestritten! „Zwischen zwei Läufen über Mode zu reden, mit aufgeschlagenen Knien in Satintüchern zu schlafen, in einen Eimer zu pinkeln, ohne uns verstecken zu müssen, alle diese kleinen Dinge sorgen dafür, dass wir gerne unter uns sind“, sagt Cecil, die Initiantin der Regatta. Weitere Initiativen sind die WOW – die erste Frauenregatta von Plymouth nach Antigua, die am 28. Oktober 2012 starten soll –, eine Zweihand-Atlantiküberquerung auf Figaro 2 und der vom französischen Segelverband organisierte Tag „Frauen am Steuer“ zur Förderung des Sports bei Frauen. Und auch im Internet tut sich einiges. Ein Beispiel unter vielen ist die von Seglerinnen eröffnete Facebook-Seite „The Lady’s Sailing Team“, die neben vielen Infos auch eine Crewbörse enthält.
Leichtgewichte lassen sich nicht unterkriegen
In Seglerkreisen sind die Reaktionen auf die reinen Fraueninitiativen hingegen gemischt*. „Segeln ist neben Reiten eine der wenigen Sportarten, bei denen Frauen und Männer gleichgestellt sind. Reine Frauenregatten oder noch schlimmer spezielle Preise für Frauen bei einer Regatta sagen ja genau das Gegenteil aus“, kritisiert Christine Briand. „Ich bin für frauengerechte Formationen. Die Olympischen Spiele und Match Racing für Frauen haben zwar vielen Talenten zum Durchbruch verholfen. Es ist aber doch interessanter, mit Männern zu segeln, denn das Niveau ist höher.“ Dee Caffari teilt diese Auffassung: „Männer und Frauen an Regatten zu trennen halte ich für keine gute Idee. Wir haben die gleiche Intelligenz, nur funktionieren wir anders. Vielleicht zeigen wir an Regatten mehr Solidarität, denn weil wir nicht ganz so kräftig sind wie die Männer, sind wir bei Manövern aufeinander angewiesen.“ Ähnlich tönt es bei der jungen Regattaseglerin Madeleine Sassy, die zusammen mit Bertrand Pacé auf Mumm 30 segelte: „Er rief mich an, weil er ein 60kg-Gewicht suchte“, erzählt sie. „Das war mir aber egal, für mich war es eine wunderbare Chance und ich habe viel von ihm gelernt.“ Kathy Pettibone, die bereits das Withbread gesegelt ist und am America’s Cup teilgenommen hat, sieht das genauso. „Eine reine Frauenregatta ist uninteressant“, sagt die Amerikanerin, „auf hohem Niveau denkt man anders. Wenn ein Skipper ein Crewmitglied sucht, nimmt er die besten, egal, ob Mann oder Frau.“
Ist es nicht genau die Aufgabe der Spitzensportlerinnen zu beweisen, dass alles möglich ist? Frauen für Regatten auszubilden ist eine lobenswerte Initiative, aber das Niveau muss stimmen, denn schliesslich kommt es auf das Talent und nicht auf das Geschlecht an.
*Lesen Sie dazu den Kommentar auf dem Blog http://dulemanaularge.skippers.tv/