Ein Bild, von dem man nie genug bekommt: Das legendäre Dorf Saint-Tropez bildet die unübertroffene Kulisse des Starts zum Giraglia Cup. © Carlo Borlenghi
Der Erfolg des Giraglia Cups ist kein Zufall. Er verdankt viel der malerischen Umgebung. Saint-Tropez ist selten so betörend wie im Frühsommer. Es wird viel Italienisch und Englisch und auch ein wenig Russisch gesprochen. Trotzdem versteht man sich. Schliesslich sind wir unter Fahrtenseglern und sprechen die gleiche Sprache. Alles dreht sich um die fantastischen Segelboote, die sich am Kai aneinander-reihen, und um die Massenankunft nach der Durchquerung der Bucht unter Spi aus Sainte-Maxime, bei der man versucht hat, ein paar Meter auf den Leader gutzumachen oder sich von den hartnäckigsten Verfolgern abzusetzen. Die Freude an der Wettfahrt ist allein schon kaum zu übertreffen, wird aber durch die Schönheit des Spektakels noch erhöht.
Start der „Grande Classe“: Kein Boot ist kleiner als 60 Fuss! © Carlo Borlenghi
Passend zu diesem einzigartigen Rahmen geben sich vor der fabelhaften südfranzösischen Kulisse die grössten und schnellsten Einrümpfer ein Stelldichein. Es geht nicht nur darum die Schnellste, sondern auch die Schönste zu sein. Klare Favoritin ist hier die Magic Carpet von Lindsay Owen-Jones. Die Wally Cento (den Namen trägt sie, weil sie 100 Fuss lang ist) ist die grösste und neuste der teilnehmenden Jachten. Heute sind aber nicht die Maxis und die Mini-Maxis tonangebend. Groupe Bel stiehlt ihnen die Show. Kito de Pavant findet sich mit der komplizierten Situation, bei der mehrere Boote wegen Flaute in der Nähe der Felsen aufgeben müssen, am besten zurecht.
Der Giraglia Rolex Cup ist nicht mehr nur ein einziges grosses Hochseerennen, sondern erstreckt sich fast über eine ganze Regattawoche. Gestartet wird mit einer Überführungsregatta von San Remo nach Saint-Tropez. Sie dient den vielen italienischen Teilnehmern als Warm-up. Darauf folgen drei Tage lang Küstenregatten vor dem südfranzösischen Gebirgszug Massiv des Maures. Sie werden an Land von drei Festtagen begleitet, an denen das Lachen der Teams in den engen Gassen des Jetset-Dorfes widerhallt. In Saint-Tropez ist es nicht schwierig, einen Grund zu finden, um wach zu bleiben. Die müden Augen der Segler zeugen von den durchfeierten Partynächten.
Eine Insel und ihr Leuchtturm
Niemand will sie verpassen, die grosse Wettfahrt, die 1953 aus dem gemeinsamen Wunsch der Franzosen und Italiener entstanden ist, den Rallyes auf dem Mittelmeer wieder zur Hochblüte zu verhelfen. Die Fäden zogen damals der Yacht Club Italiano und der Yacht Club de France. Mithilfe einer Seekarte einigten sie sich schon beim ersten Treffen über die Strecke, die der Regatta ihren Namen geben sollte. Die Giraglia ist sowohl eine Insel als auch ein Leuchtturm – und das Pendant des Mittelmeers zum Fastnet Race. Zwar ist die Regatta mit ihren 240 Seemeilen verglichen mit dem Fatsnet mit 600 Seemeilen erheblich kürzer, konnte sich aber trotzdem als Klassiker durchsetzen und hat den Vorteil, dass sie jedes Jahr stattfindet. Seit Rolex im Jahr 1998 die Patenschaft übernommen hat, scheint der Anlass ein gutes Gleichgewicht gefunden zu haben. Mit der Überführungsregatta erhält die Flotte ein beträchtliches Ausmass. Die drei Regattatage vor dem grossen Start ermuntern die Teams, sich auf dem Wasser und an Land zu amüsieren und die Eigner der schönen Jachten schätzen es, gemütlich zusammenzusitzen. Auch für Spannung ist gesorgt. Das launische Mittelmeer verteilt die Karten gleich mehrmals pro Tag neu. Ein Sieg ist erst in der Tasche, wenn die Ziellinie überquert wurde. Bis dann ist alles möglich!
Siegerin in Echtzeit in 31 Stunden, 35 Minuten: die Wally Cento Magic Carpet 3 von Lindsay Owen-Jones. Für Rekordzeiten hatte es nicht genügend Wind. © Carlo Borlenghi
Auf nach Korsika!
Dieses Jahr starten die drei Flotten (die kleinsten vorne, die grössten hinten) bei starkem Wind, der bereits wieder abflaut, als die Ersten Fourmigue vor Lavandou erreichen. Bei der Anfahrt auf Korsika müssen schon die ersten Entscheidungen getroffen werden: eher nördlich oder doch lieber südlich segeln und auf einen Winddreher hoffen? Der Wind ist unberechenbar. An Deck folgt ein Manöver dem nächsten. Mitten in der Nacht haben wir das Gefühl, allein auf dem Wasser zu sein und vergessen dabei fast, dass wir uns in einem Rennen befinden. Morgens halten wir vergeblich nach Korsika Ausschau. Verschleiert von einem feinen, bläulichen Nebel entzieht sich die Insel unseren Augen. Als sich die Schwaden langsam lichten, sehen wir, dass wir nicht allein sind. Andere Boote steuern auf den berühmten Leuchtturm zu. Diejenigen, die näher an der Küste segeln, haben mehr Wind. Die anderen profitieren hingegen von einem besseren Winkel. Kaum ist der Giraglia-Felsen gegrüsst, beginnt ein neues Spiel: Soll man die direkte und somit kürzeste Route wählen, leicht nach Westen abfallen, um vor der Küste eine thermische Brise zu erwischen oder aber nach Osten segeln? Als die Lichter von Genua bei Einbruch der Nacht in der Ferne leuchten, versuchen wir, uns so wenig wie möglich zu bewegen, damit das Boot im ablaufenden Wind etwas Schwung behält. Auch nach der Überquerung der Ziellinie ist das Vergnügen noch nicht zu Ende. Kaum haben wir den Yacht Club Italiano erreicht, sitzen wir schon bei einer ofenfrischen Foccacia und jeder kann das Rennen mit dem Team seiner Wahl nochmals durchspielen. Vielleicht hätten wir uns zum Schluss doch für die Küstenseite entscheiden sollen. Nächstes Mal machen wir es besser!