Nach einem problemlosen Sieg im Halbfinal des Louis Vuitton Cups gegen Victory Challenge (4:0) war Luna Rossa gegen Emirates Team New Zealand machtlos. Die Kiwis haben das Luis Vuitton Cup Final Ende August haushoch mit 7:1 gewonnen. Die aktuelle Ausgabe von Skippers befand sich während des America’s Cups (7.-21. September), an dem die Amerikaner und die Neuseeländer um die älteste Sporttrophäe der Welt kämpften, gerade im Druck. Resultate und Videos auf www.skippers.tv © Gilles Martin-Raget
Es ist alles mein Fehler. Nie hätte der oberste Gerichtshof die Teilnahme von Mehrrümpfern erlaubt, wenn meine historischen Recherchen in den Jahren 1987/88 nicht ergeben hätten, dass der Spender der alten Kanne Katamarane kannte und der New York Yacht Club zu seinen Lebzeiten Regatten zwischen Katamaranen und Jachten organisierte. Als wir 1988 mit Rutan, dessen Flugzeug gerade nonstopp um die Welt geflogen war, über ein Flügelsegel spekulierten, mit dem der Katamaran Stars & Stripes den riesigen Einrümpfer der Kiwis 3:0 schlagen würde, war das für uns reine Science-Fiction. Wir hätten nicht im Traum daran gedacht, dass sich unsere Hirngespinste 25 Jahre später bewahrheiten würden. Wer einen Cup gekannt hat, der so aufregend war wie wachsendes Gras, dem erscheint der Anblick der AC72 vor der Golden Gate Bridge wie ein Trugbild, umso mehr, als das Boot schneller unterwegs ist als die Lastwägen im Hafen! Plötzlich taucht der unwirklich anmutende Tempobolzen zwei Seemeilen näher auf, fliegt übers Wasser und flitzt eine halbe Länge mit dem Geräusch eines Skifahrers an uns vorbei. Bei 15 Knoten Wind beträgt die effektive Geschwindigkeit zum Ziel (VMG) unglaubliche 15 Knoten! Der Segelsport hat das 21. Jahrhundert erreicht und wird nie mehr sein wie früher, darauf können Sie wetten. Die Katamarane, Flügelsegel und Foils werden bleiben. Die AC72 hingegen sind bereits auf dem Weg zu den Dinosauriern.
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Fehler en masse
„Es sind die gefährlichsten Boote, auf denen ich je gesegelt bin“, staunte Loick Peyron vom schwedischen Syndikat Artemis. Eigentlich geht die Gefahr nicht vom Tempo des Bootes aus, sondern ist die Folge einer Reihe von Managementfehlern. Ursprünglich waren die Bauvorschriften der AC72 gut, aber schlecht geschrieben (Fehler Nr. 1), verzichteten auf Foils und sahen ein kleines, verlängerbares Rigg vor. Dann wurden sie vereinfacht, da die Boote nicht genug Kraft hatten und man seit Jahrhunderten „oben“ spart: Aus dem kleinen wurde ein grosses Rigg (Fehler Nr. 2), ein kleineres war schlicht und einfach verboten (Fehler Nr. 3). Dieses Flügelsegel, das drei Mal so viel Auftrieb hat wie ein gleich grosses, herkömmliches Segel, ist zu stark für die Boote. Das Rigg müsste gerefft werden, nur ist das unmöglich, sodass eine Halse lebensgefährlich sein kann (siehe Unfall von Artemis, Fehler Nr. 4). Darüber hinaus wurde eine Jury (Fehler Nr. 5) damit betraut, die Einhaltung der Bauvorschriften zu kontrollieren. Diese wandte die Regeln wortwörtlich und nicht sinngemäss an und erlaubte den Einsatz von Foils. Das Verbot einer automatischen Steuerung über die Achterfoils hob sie aber nicht auf, sodass das Boot mit den beiden Hauptfoils getrimmt werden muss (etwa so, wie wenn ein Flugzeug ein steifes Heck hätte und die Flügel drehbar wären). Eine Absurdität (Fehler Nr. 6), die enorm viel Kraft frisst. Ohne Motor oder Energiespeicher dient ein Drittel des Teams nur zum Pumpen der Hydraulik (auch wenn das Boot still steht), um das Segel zu kontrollieren (Fehler Nr. 7). Konsequenz dieser sieben Fehler: Die AC72 sind zu teuren, anfälligen und hochexplosiven Booten geworden.
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Ein harter Preis
Eigentlich haben aber schlechte Bauvorschriften den Erfolg des Cups noch nie geschmälert. Das hat sich vor 15 Jahren gezeigt, als die ACC 3,40 m breit und 24 m lang waren und entzweibrachen, und auch 1870, als die Bauvorschriften den für die Form der Jachten bezeichnenden Übernamen „Kittblock“ trugen. Warum also ging der diesjährige America‘s Cup derart in die Hose? Wie haben es die Verantwortlichen geschafft, sogar die eingefleischtesten Fans gegen sich aufzubringen (Dick Enersen, der seit seiner Teilnahme auf der Constellation im Jahr 1964 kein Rennen verpasst hat, fährt genau dann in die Ferien, wenn der Cup vor seiner Haustür stattfindet!) und dabei nicht einmal für frischen Wind zu sorgen? Inwiefern war dieser Cup so anders? Er wurde zentralisiert. Die Amerikaner haben den Challengern eine gemeinsame Organisation aufgezwungen, ein Monopol (sogar die Webseiten waren zentralisiert), in dem Proteste kaum mehr akzeptiert wurden als in Nordkorea. Da das Zuschauerinteresse an der letzten Ausgabe zu wünschen übrig liess und ganz klar als Beweis für die Inkompetenz der zuständigen Stellen zu werten war, engagierte man für teures Geld zwei Fussballfprofis, die sich mit der Öffentlichkeit und ihren Vorlieben auskannten. Sie wussten mit den Problemen des Segelsports aber etwa so viel anzufangen wie ein Hund mit einem Schraubenschlüssel. Man traf schliesslich die einzig richtige Entscheidung: Sie wurden gefeuert, nur viel zu spät, um die Fehler wieder rückgängig zu machen. Der Ticket- und Lizenzenverkauf war enttäuschend und die versprochenen Einnahmen in Millionenhöhe blieben aus.
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Wie kann ein solches Schlamassel in Zukunft verhindert werden?
Die Organisatoren der monopolartigen Zentralisierung dieses 35. AC Cups sollten sich mit ähnlichen, zum Scheitern verurteilten Versuchen politischer Regimes aus der Vergangenheit auseinandersetzen. Was die Bauvorschriften angeht, so liebäugelt Sir Russell Coutts (Oracle) mit einer Einheitsklasse (sagte mir aber gleichzeitig, dass „Standardausstattungen ausgeklügelter werden als massgeschneiderte Einzelanfertigungen“). Einige plädieren für eine Rückkehr zu den Einrümpfern, als ob man die Geschichte zurückdrehen und vergessen könnte, dass die Boote bereits fliegen. Einigkeit herrscht hingegen darüber, dass sie aus Kostengründen kleiner werden sollen, obwohl das Aus der ORMA-Klasse erst kürzlich gezeigt hat, dass ein solches Vorgehen der falsche Weg ist. Teuer sind nämlich das Personal (60% des Budgets) und die Komplexität. Das Zauberwort heisst Vereinfachung, angefangen mit den Bauvorschriften. Ein exzessiver Wettkampf braucht grosse Boote, eingeschränkt werden müssen die Kostentreiber – Winschen, Männer, Gewicht und Kraft! Ansonsten gilt die Devise (auch wenn sie von einem Befürworter der Zentralisierung stammt): „Hundert Blumen sollen aufblühen, hundert Schulen wetteifern“!
Dean Barker gewinnt den Louis Vuitton Cup erneut, diesmal für die Kiwis. Unabhängig vom Ausgang des 34. America’s Cups sind zwei Fragen besonders interessant: Wie wird das Wiedersehen mit Meister Russell Coutts, der Neuseeland für die Schweiz und die Schweiz für die USA verlassen hat und der sein Image in seiner Heimat bestimmt gerne aufpolieren würde, ablaufen? Und wird der neue Defender am Mehrrümpfer festhalten oder wieder zum Einrümpfer zurückkehren? © Gilles Martin-Raget
*Daniel Charles ist ein auf den Segelsport und Technik spezialisierter Historiker, Experte für Schiffserbe und Kurator der in den USA gezeigten Ausstellung „Impressionists on the water“.