Eines der wenigen eingereichten Actionbilder des souveränen Regattasiegers (ZUSAMMEN MIT DEM HIER ABGEBILDETEN PATRICK QUENNOZ) und Fotografen Loris von Siebenthal © Loris von Siebenthal
„Die 5 Jours du Léman: die grösste Zweihand-Binnenseeregatta ohne Zwischenstopps und ohne Hilfe von aussen.“ Wir haben uns von diesem Schlüsselsatz sofort angesprochen gefühlt. Schnell stand fest: Wir machen mit. Wie es uns dabei erging, können Sie hier lesen.
Vorher
Vor allen Dingen ist es wichtig, den idealen Partner zu finden. Fünf Tage auf einem 7,65 Meter langen Boot zu verbringen und dabei unter Leistungsdruck zu stehen, setzt ein gutes Verhältnis voraus. Bei uns lag die Wahl auf der Hand. Wir wollten das Abenteuer als Paar erleben. Also machten wir uns gemeinsam auf die Suche nach einem Sponsor. Die Aufgabe sollte sich als äusserst schwierig erweisen, denn die meisten Unternehmen unterstützen Sportarten wie Skifahren oder Fussball. Eine berühmte Schokoladenmarke antwortete sogar, sie sei nicht interessiert, da im Sommer keine Schokolade gegessen werde! Wir wurden aber trotzdem fündig. Drei Sponsoren und mehrere Personen aus unserem Bekanntenkreis sagten uns ihre Unterstützung zu.
Eindrückliche Genfersee-Konstraste: das Gewinnerbild des Europ‘Sails-Wettbewerbs von Mayeul van den Broek (Forum EPFL) © Mayeul van den Broek
Wir hatten das Geld zusammen und konnten uns an die Vorbereitung des Bootes machen. Da wir uns in diesem Bereich überhaupt nicht auskannten, holten wir Hilfe. Dabei lernten wir die wichtigsten Grundregeln: Bequem und leicht sollten die Lösungen sein, denn das Gewicht spielt bei Regatten eine entscheidende Rolle. Ein paar Tage vor dem Rennen wurden das Boot, die Segel und die Ausstattung inklusive Sicherheitsmaterial von der Wettfahrtleitung auf Herz und Nieren geprüft. Wir hatten ungeduldig auf diesen Moment gewartet, denn er entschied, ob wir grünes Licht für die Teilnahme erhalten. Punkto Nahrung gingen die Meinungen stark auseinander. Einige Segler empfahlen uns warme Mahlzeiten, andere kalte oder sogar gefriergetrocknete. Wir entschieden uns für einen Kompromiss und nahmen einen Gaskocher sowie kaltes Essen mit. Erstaunt hat uns dabei, mit wie viel Aufwand das Zusammenstellen und Beschaffen der Verpflegung verbunden ist. Wir wollten auf keinen Fall etwas vergessen. Wie sich herausstellen sollte, war das Gegenteil der Fall!
Während
Am grossen Tag waren wir voller Vorfreude und doch war uns etwas bange zumute. Kaum war der Startschuss ertönt, erwachte in uns der Kampfgeist, obwohl wir uns eigentlich keine bestimmte Platzierung zum Ziel gesetzt hatten. Gleichzeitig wirkte der Startschuss befreiend, schliesslich hatten wir sechs Monate auf diesen Moment gewartet und uns intensiv darauf vorbereitet.
SPIEGELGLATTER See bei Flaute: eine Aufnahme von Céline Stulz und Valérie Savoy auf Pschiit (SUI 559). Von ihnen stammt auch der Sonnenuntergang im Inhaltsverzeichnis dieses Magazins. © Céline Stulz und Valérie Savoy
Segler mit „Cinq Jours du Léman“-Erfahrung hatten uns zwei wichtige Tipps mit auf den Weg gegeben: Das Boot am Limit laufen lassen und uns so oft wie möglich ausruhen. In den ersten drei Tagen hielten wir uns strikt daran. Wir schliefen fünf bis sechs Stunden pro Tag und assen zusammen. Dabei wurden wir etwas abgelenkt, taten uns etwas Gutes und dachten nicht nur ans Segeln. Schwieriger war es mit dem Schlafen, denn dazu muss man seinem Mitsegler vertrauen, was bei einem solchen Abenteuer nicht ganz einfach ist.
Wir hatten bereits Erfahrung mit langen Törns auf dem Meer und stellten fest, dass es auf dem See sehr ähnlich sein kann. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein Abend, als wir bei 15 Knoten Wind auf Vidy zusegelten und dabei einen wunderschönen Sonnenuntergang erleben durften. Der See glich einem Meer.
Sonnenuntergang vom Heck der Scandola (FRA 1547) aus: David Lutry und Loïc Thonon tragen nicht nur die Nachnamen zweier am Genfersee gelegenen Orte, sie haben auch ein Auge für gute Sujets. © David Lutry et Loïc Thonon
Das Besondere am Genfersee ist seine Unvorhersehbarkeit. Es gab Momente, da zog ein nur fünfzig Meter von uns entferntes Boot plötzlich davon, weil es einen Windstoss erwischt hatte. Bei Leichtwind wird die Regatta zur nervlichen Belastungsprobe. Wir trafen taktische Entscheidungen, die nichts gebracht, aber an unseren Kräften gezehrt haben. Am schwierigsten und stressigsten waren die letzten Tage, denn da setzten wir uns selbst unter Druck. Wir schliefen wenig und spürten die angesammelte Müdigkeit der kurzen Nächte. Einmal bin ich auf dem Weg vom Cockpit zur Koje im Bugbereich eingeschlafen, obwohl nur vier Meter dazwischenliegen. Unter diesen Bedingungen war es schwierig, die Nacht, ihre Ruhe und Frische sowie den Mond, der jeden Windstoss beleuchtet und für taktische Streiche eigentlich ideal wäre, zu geniessen. Dass dieses Jahr die Baken jede Nacht ein paar Stunden ausgeschaltet wurden, erschwerte uns die Sache zusätzlich. Und trotzdem hielten wir uns hartnäckig im vorderen Feld. Zu unserem Leidwesen wendete sich unser Schicksal aber. Nach einer herrlichen Fahrt unter Spi in der letzten Nacht parkten wir in der Nähe der Boje vor Le Bouveret in einem Flautenloch ein und verloren den Anschluss zur Spitzengruppe. Mental war dieses Pech sehr schwierig zu verarbeiten und wir waren froh über die Unterstützung und die aufmunternden Worte an Land.
Am letzten Regattatag herrschte eine angespannte Stimmung. Wir waren über unsere Klassierung enttäuscht und trafen falsche Entscheidungen. Als das Signal das Ende der Regatta verkündete, waren wir in Gedanken anderswo und am Boden zerstört. Fast während der gesamten Regatta waren wir besser klassiert als am Schluss. Dabei haben wir aber eins gelernt: Die „5 Jours“ sind erst im Ziel entschieden. Dank der Unterstützung unserer Angehörigen und Freunde konnten wir schliesslich Abstand gewinnen und uns doch noch über unseren 17. Platz freuen.
Nachher
Auch nach der Regatta erlebten wir das Abenteuer in unseren Träumen immer und immer wieder. Wir segelten unter Spi und sahen zu, wie uns die anderen Boote überholten. Manchmal schlief ich deswegen am Boden, denn es fühlte sich an, als wäre ich tatsächlich am Steuer! Wir sind bei dieser Regatta körperlich an unsere Grenzen gegangen, aber schon nach den ersten Schritten auf dem Festland haben wir uns geschworen: „Das nächste Mal machen wir es besser.“