Nathalie Brugger und Matias Bühler auf dem Nacra haben mit einem Sieg im Medal Race gezeigt, was in ihnen steckt. © Juerg Kaufmann
Das Segelrevier der Olympischen Spiele von 2016 in Rio hat schon zu vielen Diskussionen Anlass gegeben. Skeptiker monieren, das Wasser in der Bucht unter dem Zuckerhut sei so stark verschmutzt, dass die Segler gesundheitliche Schäden davontragen könnten. Andere weisen auf das Treibgut hin, das Boote beschädigen oder zu Kenterungen führen könne und vielerorts herrscht die Überzeugung, dieses Leichtwindrevier eigne sich überhaupt nicht für olympische Segelwettkämpfe.
Bei den 470ern hofft neben Brauchli/Hausser (rechts) auch das Damenduo Fahrni/Siegenthaler auf eine Qualifikation für Olympia. © Juerg Kaufmann
Höchste Zeit also, selber einen Augenschein zu nehmen. Das Swiss Sailing Team hat Ende Juli die weite Reise nach Rio angetreten, um sich am Test Event zwei Jahre vor den Olympischen Spielen selber eine Meinung zu bilden. Mit dabei waren der RS:X-Surfer Mateo Sanz Lanz, die 470er-Hoffnungsträger Brauchli/Hausser und Fahrni/Siegenthaler bei den Damen sowie das Team Bühler/Brugger auf dem Nacra. Der Laser-Segler Guillaume Girod fungiert zwar nicht mehr im Elite-Kader von Swiss Sailing, hat aber den Event auf eigene Initiative besucht.
Beruhigende Erkenntnisse
Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Diskussionen um das Revier bringen nichts, denn die Race Areas werden nicht mehr verlegt. Tom Reulein, der Teamchef des Swiss Sailing Teams, hat auch wegen der Wasserqualität keine Bedenken: „Die Gesundheit der Athleten liegt uns sehr am Herzen und deshalb haben wir das Wasser selber auf Viren und Bakterien untersucht. Die Konzentration liegt weit unter den Grenzwerten.“ Reulein ist zudem klar geworden, dass es sich nicht um ein Leichtwindrevier handelt: „Nicht nur die statistischen Daten über die vergangen Jahre zeigen klar, dass es in Rio gar nicht so wenig Wind gibt, mit dem Durchzug zweier Fronten hat sich das Revier auch während des Events mit sehr viel Wind präsentiert. Aber es ist bezüglich Wind und Strömungen noch komplexer als Weymouth, das Revier der Olympischen Spiele von London.“
RS:X-Surfer Mateo Sanz Lanz: Hoffnungen auf einen Nationenplatz in Santander sind berechtigt. © Juerg Kaufmann
Daten und Erfahrungen sammeln
Die wenigen Highlights aus Schweizer Sicht sind schnell aufgezählt: Lanz schaffte zum Auftakt bei den Surfern einen 4. Platz und das Nacra-Duo konnte nach Rangierungen unter den Erwartungen mit einem überraschenden Sieg im Medal Race glänzen. Für Teamchef Reulein standen Resultate aber nicht im Vordergrund: „Wir sind dorthin gegangen, um Erfahrungen zu sammeln. Noch keines unserer Teammitglieder ist je dort gesegelt. Wir wollten unbedingt Daten sammeln, deshalb haben wir einen Meteorologen mitgenommen. Aus-serdem haben wir über 600 GPS-Messungen von Strömungen vorgenommen. Daneben mussten viele logistische Abklärungen getroffen werden und Jürg Kaufmann hat für uns eine Foto- und Videoproduktion realisiert, damit wir uns der Öffentlichkeit besser präsentieren können.“
470er-Team Brauchli/Hausser: Nach missglückter EM in Athen zeigt die Formkurve wieder nach oben. © Juerg Kaufmann
Verhaltener Optimismus
Segler und Trainer hatten kein eigenes Material nach Rio mitgenommen. Regattiert wurde auf Charterbooten, sicher ein grosses Handicap für die Schweizer Teilnehmer. Reulein will damit aber nicht alle durchzogenen Resultate entschuldigen: „Das Nacra-Duo hat beim Start noch zu viele Fehler gemacht. Beim Team Brauchli/Hausser, das nach der misslungenen EM in Athen von seiner „wohl schlechtesten Leistung in den vergangenen Jahren“ gesprochen hatte, sah man zumindest Anzeichen einer Formsteigerung. Mateo Sanz Lanz ist erst 20 Jahre alt und zählt bei Leichtwind schon zu den Top 6 der Welt, aber ab Windstärke 5 ist aufgrund seiner physischen Eigenarten Schluss. Bei den Damen sollte man nicht vergessen, dass sie das erste Jahr im Erwachsenen-Circuit mitsegeln. Sie haben gemerkt, dass in diesem Feld die kleinsten Fehler extrem bestraft werden.“
Die neue Generation stimmt Reulein aber trotzdem optimistisch: „Die Jungen haben diese Saison gezeigt, dass man international aufs Podium segeln kann. Die Basis ist noch nicht breiter, aber die Qualität und Ausbildung der Athleten und der Support sind schon viel besser geworden. Da muss man weiterarbeiten und dann kommen nach zwei, drei, vier Jahren auch die Ergebnisse. In dieser Phase sind wir jetzt. Fakt ist aber auch, dass Geld immer eine Rolle spielt. Wir kämpfen gegen Nationen, die das dreifache Budget haben und das wirkt sich natürlich auf den Grad der Professionalität aus. Man kann sehr viel optimieren, aber es gibt Grenzen.“
Nationenplätze in Santander
Viel Zeit bleibt dem Swiss Sailing Team nicht. Bereits im September finden im spanischen Santander die Weltmeisterschaften der olympischen Klassen statt. Dort sollen möglichst viele Nationenplätze gesichert werden. Und danach wird ein Container nach Rio geschickt. Gemäss Reulein sollten die Athleten dort noch mindestens 120 Tage segeln können, um alle Race Areas voll zu verstehen.
Das Qualifikationsreglement für Rio wird in Kürze veröffentlicht. Es bleibt zu hoffen, dass es möglichst vielen Seglern die frühzeitige Qualifikation ermöglicht, damit sie sich vor Ort und ohne Qualifikationsdruck auf die Spiele vorbereiten können.