Wie beurteilen Sie die Resultate des Swiss Sailing Teams (SST) in dieser Saison?
Zunächst möchte ich betonen, dass bei den Mitgliedern des SST ein unglaublicher Teamgeist herrscht, der vor allem seit der Rückkehr aus Rio deutlich zu spüren ist. Diese kollektive Begeisterung wirkt sich für alle sehr positiv aus. Was die Resultate angeht, so haben unsere Junioren aussergewöhnlich gut abgeschnitten. Sie können dieses Jahr vier Top-5-Platzierungen an WMs, darunter eine Goldmedaille, vorweisen. Auch die Elite hat Ansprechendes gezeigt. Die Leistungen auf dem
Nacra 17* sind sehr erfreulich. Das Duo holte an der letztjährigen WM die Bronzemedaille und konnte im Medal Race in Rio einen Sieg feiern. Bei den 470ern scheinen Brauchli/Hauser ihr Tief der letzten Monate überwunden zu haben. Sie gehören zu den Top 15 und haben viel Potenzial. Und das Leichtgewicht Mateo Sanz Lanz ist bei den RS:X-Surfern bei Leichtwind ebenfalls vorne mit dabei. Insgesamt sind wir noch nicht dort, wo wir gern stehen würden, aber der Test Event in Rio war zufriedenstellend, denn im Gegensatz zu anderen Teams, die das Revier bereits kennen, war es für uns eine Premiere.** Die Weltmeisterschaften der olympischen Klassen in Santander Mitte September haben einen viel höheren Stellenwert, denn dort werden 50 Prozent der Startplätze für Rio vergeben.
Was hat Sie am meisten überrascht?
Besonders überrascht hat mich der Quantensprung unserer Junioren. Da bin ich übrigens nicht der einzige. Der Trainer des englischen Segelteams hat mich ebenfalls darauf angesprochen. Auffallend ist auch, dass alle Juniorenklassen betroffen sind. Neben den vier Top-5-Resultaten von 2014 erzielten unsere Junioren 2013 an vier Weltmeisterschaften vier Podestplätze und mehrere Medaillen auf europäischer Ebene. Für ein kleines Land wie die Schweiz ist das enorm! Aus meiner Sicht hat dieser spektakuläre Erfolg drei Gründe: Erstens können die jungen Segler durch die neue Struktur des SST häufiger trainieren und werden dabei von Spitzencoaches unterstützt, zweitens wurden deutlich mehr private Projekte ins Leben gerufen, die unsere Organisation ergänzen, und drittens nehmen sich die Junioren ein Vorbild am Erfolg der älteren Generationen. Sie haben begriffen, dass es mehr Tage auf dem Wasser, mehr Konditionstraining und mehr Wettkämpfe im Ausland braucht, zumal die anderen Nationen den Segelsport noch stärker professionalisiert haben.
Was erhoffen Sie sich für die restliche Saison und für 2015?
Ich hoffe vor allem, dass wir bei den Nacra 17, den 470er Männern und den RS:X Nationenplätze für Rio holen, uns zuvor in den Top 10 der Welt etablieren und einige Medaillen an Europameisterschaften gewinnen können. Wichtig scheint mir zudem, dass die Schweizer Segelgemeinschaft unsere Jungen aktiver unterstützt. Im Gegensatz zu andern Ländern wird der Segelsport bei uns nur von Swiss Olympic und von Gönnern finanziell gefördert. Wenn unsere Athleten auf der internationalen Bühne dauerhaft bestehen sollen, muss viel mehr getan werden. Ich begrüsse deshalb den Vorschlag von Swiss Sailing, die Lizenzgebühren zu erhöhen. Sie gehören heute zu den günstigsten der Welt. Sollte die Erhöhung von den Clubs akzeptiert werden, würden die Mehreinnahmen direkt der Ausbildung und Betreuung der jungen Regatteure zugutekommen.
Welches sind die nächsten vorrangigen Baustellen des SST?
Langfristig müssen wir dafür sorgen, dass Nachwuchs nachrückt und gleichzeitig versuchen, die Elite weiter zu professionalisieren, was natürlich grössere finanzielle Mittel voraussetzt. Wir müssen uns deshalb schwerpunktmässig auf Sponsorensuche machen. Heute wird unser Budget je zu einem Drittel aus Geldern von Swiss Olympic, Swiss Sailing und von ein paar wenigen Gönnern gestellt. Seit 2013 ist Team Work unser einziger Sponsor. Seine Beiträge fliessen direkt an die Athleten des A-Kaders. Wir müssen unbedingt weitere Sponsoren gewinnen.
Immerhin unterstützt das von Ihnen gegründete Team Tilt einige Juniorenprojekte. Wie sieht diese Unterstützung konkret aus?
Team Tilt wurde für die Teilnahme der Schweiz am Youth America’s Cup auf AC45*** ins Leben gerufen. In diesem Rahmen und mithilfe von Sponsoren ist auch die D35 dazugestossen. Das Projekt D35 wird 2014 fortgesetzt, damit junge Segler im Hinblick auf den Youth America’s Cup 2017 auf diesen Booten Erfahrungen sammeln können. Wenn die Regeln unverändert bleiben, sind nur drei der heutigen Mitglieder jung genug für eine Teilnahme. Wir suchen und rekrutieren deshalb schon jetzt neue Nachwuchstalente, damit wir 2016 voll einsatzbereit sind. Im Gegensatz zum letztem Jahr, als wir bei Null angefangen, uns dann qualifiziert und acht Monate später das Podest nur um einen Punkt verpasst haben, können wir uns heute auf eine bewährte Infrastruktur stützen. Team Tilt ist für den nächsten Youth America’s Cup gut positioniert. Wir wollen gewinnen. Team Tilt unterstützt im Übrigen auch die Olympiakampagnen des Nacra 17 und des 49ers. Die von Team Tilt zur Verfügung gestellte Plattform mit der D35 und der AC45 ergänzt die Leistungen des SST und ist ein guter Werbeträger, um Nachwuchstalente zu motivieren.
* Lesen Sie auch den Artikel über die EM der Nacra 17 auf Seite 54.
** Lesen Sie auch den Artikel über den Test Event in Rio auf Seite 58.
***Ein Interview mit ihm aus dem Jahr 2012 sowie themenbezogene
Reportagen finden Sie auf Skippers.tv.