„Ich kenne die Vermüllung der Meere. Bei meinen verschiedenen Ozeanüberquerungen bin ich Dutzenden von treibenden Fässern und Plastiksäcken begegnet. Auf hoher See trifft man überall auf Plastikabfall und auch die Strände sind voll davon. Weil die vermüllten Meere ein trauriger Anblick sind, hatte ich das Bedürfnis, etwas dagegen zu unternehmen.“
Stève Ravussin ist ein Mann der Tat und der klaren Worte. Der klägliche Zustand unserer Ozeane, die wir in gigantische Müllkippen verwandelt haben, empört ihn. Also hat er beschlossen, aktiv zu werden. Mit seinem Freund Marco Simeoni, Präsident der Stiftung Race for Water, wird er fast ein ganzes Jahr unterwegs sein, um eine wissenschaftliche Bestandesaufnahme der Plastikabfälle zu erstellen.
Schätzungen zufolge beläuft sich der Plastikmüll, der aktuell die Ozeane verschmutzt, auf über 260’000 Millionen Tonnen. Aufgrund der Meeresströmungen sammeln sich diese Abfälle in riesigen Wasserstrudeln und es entstehen Müllansammlungen gigantischen Ausmasses, die sogenannten Müllwirbel, Müllstrudel oder Trash-Vortex. Fünf Wirbel sind bis heute gelistet, aber nur der Great Pacific Garbage Patch im Nordpazifik wird aktiv erforscht.
Die R4WO ist in Bordeaux gestartet und verfolgt das anspruchsvolle Ziel, diese fünf Müllwirbel anzufahren, um die sich dort ansammelnden Abfälle zu untersuchen. Es wurden zwar bereits Studien an einzelnen Müllwirbeln durchgeführt, aber diese Expedition ermöglicht zum ersten Mal die Erfassung und die systematische Auswertung von vergleichbaren Daten.
Während dieser über 300-tägigen Expedition wird die Crew der MOD70 rund 88’000 Kilometer zurücklegen, also gewissermassen zweimal die Welt umrunden. Im Vordergrund stehen dabei die Strände der Inseln innerhalb der fünf Müllstrudel. Auf jeder Insel verfolgen die Wissenschaftler eine standardisierte Methode, die auf einem von der US-amerikanischen Wetter- und Ozeanbehörde (NOAA) entwickelten Ansatz zur Untersuchung von Mikroplastik beruht.
Nachdem er Veltigroup im Januar an Swisscom verkauft hat, will sich der Unternehmer Marco Simeoni mit Haut und Haaren diesem wissenschaftlichen und ökologischen Projekt widmen: „Das Wasser und seine Erhaltung sind Themen, die mir seit vielen Jahren am Herzen liegen. Ich habe die Stiftung Race for Water gegründet, weil ich angesichts der katastrophalen Vermüllung unserer Ozeane durch Plastikabfälle aktiv werden wollte. Also habe ich beschlossen, an der Mission teilzunehmen und mir auf der Schiffsreise selbst ein Bild vom Ausmass des Schadens zu machen.“
Riesige Mengen winziger Plastikteilchen
Viele Leute stellen sich gigantische Müllinseln vor, die im Zentrum der Ozeane schwimmen. Die Realität sieht aber anders aus, wie François Galgani vom Meeresforschungsinstitut Ifremer klarstellt. In einem kürzlich veröffentlichten Artikel definierte er die „Plastikkontinente“ folgendermassen: „Es handelt sich eher um eine Unmenge winziger Plastikteilchen mit einem Durchmesser von jeweils weniger als fünf Millimetern, die an der Oberfläche oder bis in 30 Meter Tiefe schwimmen und aus der Ferne nur schwer zu erkennen sind. Nimmt man aber eine Wasserprobe, ist sie voll von diesen Mikroteilchen.“
Diese Verschmutzung wollen Stève Ravussin und sein Expeditionsteam mithilfe innovativer Techniken wie Drohnen, die von der Firma senseFly in Cheseaux (VD) entwickelt wurden, dokumentieren. Die von den Drohnen erfassten Daten werden anschliessend in den Labors der US-amerikanischen Universität Duke analysiert. Das Ökotoxikologie-Labor der ETH Lausanne stellt ein Infrarotspektroskop zur Verfügung, mit dem die Zusammensetzung der gesammelten Plastikteilchen ermittelt werden kann.
Für Stève Ravussin beginnt ein spannendes wissenschaftliches Abenteuer. Bedeutet sein neues Engagement, dass er mit dem Regattasegeln definitiv abgeschlossen hat? Hat er genug von Hochseerennen? „Nein, nicht wirklich“, antwortet der Waadtländer, „aber ich habe schon das Gefühl, dass ich langsam an meine Grenzen gerate. Ich bin nicht mehr der Jüngste und niemand, der auf Teufel komm raus weiter Rennen bestreiten muss. Ursprünglich habe ich etwas vollkommen anderes gelernt und bin nur aus Zufall zum Segeln gekommen. Die Route du Rhum werde ich auf keinen Fall mehr segeln und die Vendée Globe interessiert mich nicht. Regatten im Team auf Mehrrümpfern hingegen mag ich immer noch, solange sie kurz sind. Eine 50-tägige Weltumsegelung interessiert mich nicht mehr, das kenne ich bereits.“
Trotzdem hängt Ravussin den Regattasport nicht endgültig an den Nagel: „Wenn Interesse besteht, möchte ich weitermachen. Ich habe auch schon Anfragen erhalten. Letztes Jahr bin ich in Amerika gesegelt, unter anderem von San Francisco nach San Diego und in Mexiko. Das waren schöne Erlebnisse. Die Jahre vergehen schnell, aber Regatten bleiben auch in Zukunft mein Geschäft.“