Text | Walter Rudin
Fotos | Gilles Favez
Jean-Marc Monnard vom Genfersee holte sich den Europameistertitel der 6er-Klasse in überlegener Manier. Die 30 Jachten aus acht Nationen fanden Mitte Juli an den vier Wettkampftagen auf dem Urnersee Traumbedingungen vor.
Wetterkapriolen hatten im Vorfeld dieser Europameisterschaft für einige Turbulenzen gesorgt. Ein heftiger Gewittersturm mit bis zu 10 Beaufort Windstärke brachte während des Abschlusstrainings einige Jachten in Seenot. Die britische Valhalla wurde gar ans Ufer gespült, konnte aber wieder flottgemacht werden. An der Schweizermeisterschaft, die einige Tage vor der EM hätte stattfinden sollen, gab es hingegen gar keinen Wind und sie musste annulliert werden. Pünktlich zum Auftakt der EM wurde der Urnersee dann aber seinem guten Ruf gerecht. An den vier Wettkampftagen konnten bei guter Thermik und herrlichem Sommerwetter täglich zwei Wettfahrten gesegelt werden.
6mJI-Jacht: stabil und trotzdem elegant
Auch wenn die ältesten Boote der Sechser- Flotte schon über 90 Jahre auf dem Buckel haben, ist es immer noch faszinierend, wie die vier Tonnen schweren Kolosse durch das Wasser pflügen und trotz ihres schlanken Rumpfes und des extremen V-Spants elegant und schnell wirken. Mit 10,5 Metern Länge und nur 2 Metern Breite ist der Sechser ein richtiger Höhenwürger, ein Tummelplatz für kräftige Vorschiffstrimmer, denen die riesige Genua viel Arbeit verspricht.
Ihre Anziehungskraft verdanken die Sechser- Jachten der „Internationale Rule“. Sie wurde anfangs des letzten Jahrhunderts mit dem Ziel ins Leben gerufen, für sämtliche Nationen eine allgemeingültige Vermessungsformel für Rennjachten festzulegen. Die neue Meter-Formel führte dazu, dass auch die kleineren Binnenklassen viel robuster konstruiert werden mussten. Die Formel wurde im Laufe der Zeit immer wieder leicht modifiziert. Heute werden die 6er nicht mehr mit Langkiel gefahren. Von 1908 bis 1952 hatten verschiedene Varianten des Sechsers olympischen Status. In den 1980er- Jahren, als die America’s-Cup-Boote nach der 12mJI-Formel konstruiert wurden, erlebten die 6mJI auch als Test- und Trainingsboot einen neuen Aufschwung.
Classics und Moderns
In der Schweiz gibt es heute rund 30 Einheiten dieses Bootstyps. Gut zwei Drittel der hier immatrikulierten 6er beispielsweise sind Classics, also Boote, die vor 1956 gebaut wurden und noch mit Langkiel ausgerüstet sind. An der EM werden die Classics in einer eigenen Kategorie gewertet. Mit der Ran VIII war unter den 16 Classics-Teilnehmern sogar ein 95-jähriges Boot mit dabei, das von Stephan Epper aus Luzern gesteuert wurde. „Wir haben keine Siegesambitionen, unser Boot segelt noch mit Draconsegeln und Holzmast, der Eigner legt Wert darauf, dass alles im Originalzustand bleibt. Wir freuen uns, mit der alten Lady dabei zu sein“, meinte Epper vor der Regatta.
Monnard mit Blitzstart
Auf dem Wasser schenkten sich die Teams in beiden Kategorien nichts und kämpften erbittert um Positionen. Die Junior mit Jean-Marc Monnard, Michel Teweles, Kaspar Schadegg, Alexandre Nicolle und Nicolas Berthoud gab bei den Moderns mit zwei Laufsiegen gleich zu Beginn den Tarif durch Nach dem zweiten Wettkampftag zweifelte kaum mehr jemand daran, dass die Segler vom Cercle Vevey- La Tour (CVVT) den Titel holen würden. „Wir segeln seit über 20 Jahren gemeinsam auf der Junior, sind eine gut eingespielte Crew und das Boot ist in einem super Zustand“, meinte Skipper Monnard bei Halbzeit, wollte von Titelehren aber noch nichts hören. Die CVVT-Equipe segelte dann am dritten Tag nicht mehr auf Risiko, startete etwas vorsichtiger, konnte aber bis ins Ziel immer zur Spitze aufschlies-sen. Mit einem Polster von 16 Punkten auf den zweiten Platz brauchte die Junior am Schlusstag gar nicht mehr anzutreten. Die Courage IX mit Steuermann Norbert Stadler holte für die Schweiz die Bronzemedaille an den Bodensee. Kein Edelmetall gab es diesmal für Beat Furrer auf der Temptation3, die vor sechs Jahren gleichenorts EM-Bronze geholt hatte.
Nach verheissungsvollem Auftakt fiel er zurück. „Es wird jetzt auf einem viel höheren Niveau gesegelt. Um mitzuhalten, müssten wir viel mehr trainieren“, so Furrer, der als Präsident der Association Suisse der 6mJI-Klasse den Anlass gemeinsam mit dem Regattaverein Brunnen organisiert hatte. Spannend bis zum letzten Lauf blieb die Entscheidung bei den Classics. Der Amerikaner Eric Jesperen und der Brite Poul Hoj-Jense lieferten sich einen Zweikampf, den der Amerikaner erst am Schlusstag für sich entschied. Die Schweizer konnten nicht mit der Spitze mithalten. Kleine Altersschwächen zeigte die Ran VIII. Beim Sturm am letzten Trainingstag wurde nicht nur die Genua zerrissen, es kamen auch Risse am Holzmast zum Vorschein, die mit einer Stahlmanschette provisorisch repariert wurden. Ob die Ran VIII nochmals solchen Strapazen ausgesetzt wird, bleibt offen, aber sicher wird sie noch zum Segeln genutzt. Etwa, wenn sich die Gentlemen-Crew zum Frühsegeln trifft, bei Sonnenaufgang einen Jahrgangschampagner mit Käseplatte geniesst und sich an die harten Tage der Europameisterschaft zurückerinnert. www.6mr-europeans.org