Fotos | Yves Ryncki
Nicolas Anklin und Nicolas Kauffmann haben eine erinnerungswürdige Regatta hinter sich. Obwohl ihre Verfolger nicht müde wurden, sie von hinten anzugreifen, fuhren die beiden diesjährigen Gewinner der 5 Jours du Léman einen Start-Ziel-Sieg nach Hause.
An den 5 Jours du Léman wurden schon viele schöne Geschichten geschrieben und auch 2016 macht da keine Ausnahme. Bis zur nächsten Ausgabe im kommenden Jahr werden die Anekdoten garantiert nicht ausgehen, so ereignisreich war die diesjährige Austragung. Jedes der 27 Teams hat Abenteuer erlebt, schwierige Momente durchgestanden, Euphorie gespürt und ist emotional Achterbahn gefahren. Wer an dieser atypischen Regatta mitmacht, tut das aber nicht aus rein sportlichen Gründen. Genauso wichtig sind der zwischenmenschliche Aspekt, das Miteinander, der rauschähnliche Zustand der Übermüdung und die Intensität eines 120 lange Stunden dauernden Nonstop-Rennens. Entgegen der vorherrschenden Meinung sind die 5 Jours du Léman kein Ersatz für ein Hochseeabenteuer. Sie sind eine realitätsgetreue Nachbildung einer Offshore-Regatta.
Es hat schliesslich seinen Grund, dass jedes Jahr die besten Segler aus der Romandie mitmachen. „Die 5 Jours sind fast wie eine Droge“, meint Hubert Telfser, der Präsident der Wettfahrtleitung. „Wer einmal dabei war, kann danach kaum mehr widerstehen.“
Die 5 Jours du Léman steht allen offen, wer sich aber Siegeschancen ausrechnen will, braucht viel Erfahrung und ein gutes seglerisches Niveau. Neulinge sollten sich keine allzu grossen Chancen ausrechnen. Erfahrungsgemäss machen nämlich die Stammgäste die vorderen Plätze unter sich aus. Das war auch dieses Jahr mit Nicolas Anklin und Nicolas Kauffmann nicht anders.
Fürs Geschichtsbuch
Die spannendsten Geschichten, die dieses Jahr geschrieben wurden, betreffen das Durchhaltevermögen und die Fähigkeit der beiden Führenden, auch in den heikelsten Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Obwohl sie ständig bedrängt wurden und die Verfolger einen Angriff nach dem anderen starteten, gaben die beiden Nicolas die Führung nie ab. Dazu mussten sie aber stets hochkonzentriert bleiben. Loris von Siebenthal und Jérôme Plojoux auf Brachard – Fou du Vent gönnten ihnen keine Verschnaufpause. „An den 5 Jours du Léman werden die Karten immer wieder neu gemischt“, sagte Nicolas Anklin im Ziel. „Man kann den Vorsprung, den man vier Tage lang herausgearbeitet hat, ganz schnell wieder verlieren. Das wäre uns am Morgen des zweiten Tages auch beinahe passiert. Zum Glück konnten wir die Situation zu unserem Vorteil drehen und uns vor der Zieleinfahrt erneut absetzen.“
Wetterbedingte Anekdoten gab es dieses Jahr nur wenige. Schwachwind und heisses Sommerwetter prägten das Geschehen auf dem Wasser beinahe durchgehend. Im Unterschied zu früheren Jahren, in denen es fast täglich gewitterte und die Nächte nasskalt waren, zeigte sich das Wetter dieses Jahr – mit Ausnahme eines Regen- und Hagelgewitters am Mittwochabend – von seiner gutmütigen Seite. Die brütende Hitze war aber auch nicht ohne, denn tagsüber war es in den Kabinen drückend heiss und an Schlaf kaum zu denken. Geschlafen wurde daher abwechselnd nachts, was aber natürlich die Dauer erheblich verkürzte. Um sich etwas Abkühlung zu verschaffen, sprangen die Segler immer wieder ins Wasser und nutzen dabei die Gelegenheit, den Rumpf des Bootes zu überprüfen.
Von hier und von anderswo
Die 5 Jours de Léman gibt es seit fast einem Vierteljahrhundert und deshalb ist sie mittlerweile auch über das Genferseebecken hinaus bekannt. Mehrere Teams kamen aus anderen Regionen, um auf dem Genfersee ihre Runden zu drehen. Pierre Varin und Frédéric Péroche vom Club Colombier zum Beispiel waren – nicht zum ersten Mal – von der Côte d’Azur angereist. Nach einem gelungenen Start wurde ihnen aber schon bald die mangelnde Revierkenntnis zum Verhängnis. Sie suchten die direkte Linie nach Genf und fielen dadurch gleich um mehrere Plätze in die zweite Gruppe zurück. Dennoch können die beiden Segler vom Mittelmeer mit ihrem 11. Schlussrang sehr zufrieden sein. Ebenfalls mit dabei waren Eric und Ganesha Jurt mit Code-Barre sowie Emanuel und Lorenz Müller mit SRS1, beide vom Neuenburgersee. Sie mögen das Regattaformat, das es so in ihrer Region nicht gibt, betonten aber, dass es schwierig sei, das Wettersystem der Strecke zu lesen. „Wir kennen den Genfersee nicht wirklich und es ist unsere erste Teilnahme“, sagte Lorenz, sieht darin aber auch Gutes: „Vielleicht hilft uns das ja auch. Wir fühlen uns freier und wagen wahrscheinlich mehr. Als wir heute Nachmittag Richtung Schweizer Ufer gesegelt sind, waren wir von unserer Wahl nicht unbedingt überzeugt, aber sie stellte sich schliesslich als goldrichtig heraus.“
Sandro und Christa Kuster hatten den Weg aus der Deutschschweiz auf sich genommen. „Wir nehmen schon zum dritten Mal teil, aber der Genfersee ist für uns noch immer ein Buch mit sieben Siegeln“, meinte Christa. „Langsam begreifen wir bestimmte Situationen, aber wenn es kaum Wind gibt, kann ein Gegner nur 50 Meter von dir entfernt sein und davonziehen, ohne dass du etwas dagegen tun kannst.“
25-Jahr-Jubiläum 2017
Die Begeisterung bei externen Seglern sieht das Organisationskomitee natürlich gerne. Sie liebäugelt sogar damit, einen oder zwei Stars anzulocken. „Natürlich wäre es super, wenn wir für die nächstjährige Jubiläumsausgabe ein bekanntes französisches Team aufbieten könnten“, gesteht Pierre Fayet, der dieses Jahr die Präsidentschaft der 5 Jours du Léman übernommen hat.
2017 feiert der Cercle de la Voile de Vidy das 25-jährige Bestehen der Regatta, deren Teilnehmerfeld sich im Lauf der Jahre ständig vergrössert hat. In den besten Jahren waren bis zu 40 Teams mit dabei. Diese Anzahl wurde dann auch als Höchstgrenze festgelegt, damit die Organisation überschaubar bleibt. Und da Jubiläen immer ein guter Vorwand sind, ist nicht auszuschliessen, dass nächsten Juli der ein oder andere Veteran beschliesst, nochmals anzutreten. Einfach so, aus Spass an der Sache.