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Die neun Athleten der Schweizer Segeldelegation, die bei Olympia in fünf Bootsklassen angetreten sind, kehren mit einem Diplom und drei Laufsiegen – einen davon im Medal Race – nach Hause zurück. Der Traum von olympischem Edelmetall muss hingegen auf Tokio vertagt werden.
Die Olympischen Spiele sind auch deshalb etwas Besonderes, weil sie nur alle vier Jahre stattfinden. Die Athleten bereiten sich 48 Monate darauf vor und wenn der Aufwand nicht von Erfolg gekrönt ist, haben sie erst vier Jahre später Gelegenheit, ihr Glück erneut zu versuchen. Vier Jahre, um zu glänzen, vier Jahre für einen einzigen, aber den prestigeträchtigsten Event. Vier Jahre, um nach dem Gral zu greifen und um stolz zu verkünden, „ich habe es geschafft, ich war in meiner Sportart unter den Besten der Welt“. Vier Jahre auch, um sich zu überzeugen, dass man in vier Jahren wieder dabei sein will. Der Weg nach Olympia ist lang, beschwerlich und undankbar, denn der begehrteste Wettkampf der Welt erfordert einen unglaublichen Einsatz, viele persönliche Opfer und finanzielle Entbehrungen, endet aber doch oft mit einer Enttäuschung. Doch so gross wie die Enttäuschung ist dann auch die Freude, wenn sich der Erfolg einstellt. Die Schweizer Delegation hat eine gute Kampagne hinter sich und doch hört man immer wieder Sätze wie „Wir hatten die Chance…“ oder „Es hat nicht viel gefehlt“. Trotz der Freude, an diesem grossen Sportfest dabei gewesen zu sein, verraten diese Aussagen doch einen gewissen Frust und das Gefühl, etwas nicht zu Ende gebracht zu haben.
Die Enttäuschung verarbeiten
Das 49er-Team Lucien Cujean und Sébastien Schneiter zeigt sich mit ihrem für eine erste Teilnahme ehrenwerten 13. Platz zufrieden, nicht so die anderen Teilnehmer. Sie hatten sich mehr erhofft. Mateo Sanz Lanz, der zwei Tage vor den Regatten krank geworden war, hätte bei den RS:X bestimmt ein olympisches Diplom oder sogar Edelmetall gewonnen, wenn er im Besitz all seiner Kräfte gewesen wäre. Angesichts seines Zustands an bestimmten Tagen hat er mit seinem 14. Schlussrang aber eine gute Leistung gezeigt.
Linda Fahrni und Maja Siegenthaler auf dem 470er verpassten das Medal Race um neun Punkte und wurden 14. Sie sind der Meinung, dass mehr dringelegen wäre, dennoch hätten sie an den Spielen viel gelernt. Am nächsten an einem Podestplatz waren Nathalie Brugger und Matías Bühler bei den Nacra17. Vor dem Medal Race belegten sie dank zwei Laufsiegen den 6. Rang und hatten trotz einer sehr starken und leistungsmässig eng beieinanderliegenden Flotte echte Medaillenchancen. Ein verpatzter Start warf sie dann aber aus dem Titelrennen. Besonders im letzten Lauf mit nur zehn Booten kommt der kleinste Fehler teuer zu stehen. Sichtlich enttäuscht über die verpasste Chance trugen die beiden die Niederlage aber doch mit Fassung. Yannick Brauchli und Romuald Hausser visierten bei den 470ern ein Diplom an. Ihr Sieg im Medal Race konnte sie wahrscheinlich darüber hinwegtrösten, dass sie nur knapp an ihrem Ziel vorbeigeschrammt sind. Ihr 9. Platz ist für das gesamte Team ein positiver und für die Zukunft verheissungsvoller Schlusspunkt.
Besser als in London
„Wir haben uns gegenüber London gesteigert“, lautete Tom Reuleins Fazit nach den Segelwettkämpfen. „Wir hatten ein Boot mehr im Rennen, kehren mit einem Diplom nach Hause zurück und hatten zwei Teams im Medal Race. Es sind kleine Fortschritte und wir hätten uns natürlich gewünscht, noch mehr und noch schneller Fortschritte zu machen. Unser Abschneiden zeigt aber, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“ Tatsächlich hat die gesamte Delegation trotz beschränkter finanzieller Mittel unglaubliche Arbeit geleistet. Die Struktur des Swiss Sailing Teams hat sich in den letzten Jahren in die richtige Richtung weiterentwickelt. Unter anderem werden die Athleten enger betreut, was sich auch in den Ergebnissen niederschlägt.
Das sieht auch Alex Schneiter, der Team Manager des SST, so. „Die Grenze zwischen Erfolg und Misserfolg ist sehr schmal. Alle Athleten haben ein hervorragendes Niveau. Ein Sieg oder eine Niederlage hängt oft an einem seidenen Faden“, würdigt er die Leistung der Schweizer Segler. Es fehlt nur noch wenig für eine Medaille, aber das Wenige ist äusserst schwierig zu erreichen. Der Aufwand, um von einem 10. Platz aufs Podest zu gelangen, ist vermutlich ebenso gross, wie der Weg vom 40. auf den 10. Platz. Zum Glück bleiben für die Vorbereitung auf die Spiele in Tokio noch vier Jahre.
Emotionen
Das aus Schweizer Sicht prägendste Ereignis dieser olympischen Segelwettkämpfe ist natürlich der Sieg von Romuald und Yannik im Medal Race. International gesehen löste aber vor allem der Sieg von Santiago Lange und Cecilia Carranza Saroli bei den Nacra 17 Begeisterungsstürme aus. Der 54-Jährige Steuermann, der bereits seine sechsten Olympischen Spiele bestritt, war in Rio der älteste Medaillengewinner. Er hat gerade erst den Krebs besiegt und mit seiner unglaublichen Leistung die ganze Welt und vor allem Argentinien zu Tränen gerührt.
Bewundernswert war auch der Durchhaltewille von Billy Besson. Der französische Steuermann des Nacra 17 segelte um den Sieg, aber Probleme mit den Bandscheiben liessen seinen Traum von Gold platzen. Er litt bei allen Läufen unglaubliche Schmerzen, konnte bereits nach der ersten Regatta kaum gehen und wurde jeden Morgen im Rollstuhl in die Marina gefahren. Besson biss auf die Zähne und sicherte dem Team so den 6. Platz.
Unvergessen bleibt die Goldmedaille der Brasilianerinnen Martina Grael und Kahena Kunze in der Kategorie der 49er FX. Das Duo wurde am Strand der Marina mit tosendem Applaus gefeiert und die Helfer holten das Boot mit den beiden Seglerinnen an Bord aus dem Wasser. Ganz Brasilien ist stolz auf Martina Grael, die mit diesem Sieg das Erbe ihres berühmten Vaters Torben antritt.