Vincent Riou Forderung, man solle die Qualifikationskriterien verschärfen und bei den Schlüsselpassagen der Weltumsegelung zeitliche Beschränkungen einführen, schlug hohe Wellen. Muss die Teilnahme der Abenteurer an der Vendée Globe in Frage gestellt werden?
50 Tage lagen zwischen Armel le Cléac’h und Sébastien Destremau. Der Abstand zwischen dem Sieger und dem Schlusslicht der Vendée Globe 2016/17 ist zwar beträchtlich, aber nichts Aussergewöhnliches. Jean-François Coste und Titouan Lamazou trennten 1990 54 Tage und zwischen Pasquale de Gregorio und Michel Desjoyeaux lagen 2001 sogar 65 Tage. Der Schweizer Skipper Alan Roura beendete die Regatta nach 105 Tagen an 12. Stelle und benötigte damit 31 Tage mehr als der Leader. Mit der gleichen Zeit gewann übrigens Christophe Auguin die Austragung von 1996/97.
Polemische Debatte
Vincent Riou sieht das nicht ganz so locker. Nach seinem Aus meinte er genervt, die Flotte sei viel zu uneinheitlich und es brauche Massnahmen, um diesem Problem entgegenzuwirken. Der Sieger der Vendée Globe 2004/05 sprach davon, an bestimmten Passagen zeitliche Beschränkungen einzuführen und die Qualifikationsanforderungen zu verschärfen. Daraufhin zog Jean Le Cam relativ vehement über die Nachzügler her und goss mit seiner Kritik, die er im Nachhinein zwar als ungeschickt bezeichnete, zusätzlich Öl ins Feuer. Sie können es sich denken: Rious und Cams Aussagen schlugen im Internet und in den Medien hohe Wellen. Die einen waren entrüstet, die anderen gaben ihnen Recht. Zwischen den Verfechtern einer Hightech-Regatta, an der nur Spitzensegler etwas zu suchen haben, und den liberaler Eingestellten, für die Abenteurer ein fester Bestandteil der Vendée Globe sind, haben sich die Fronten verhärtet. Fabrice Amedeo, der nach 103 Tagen als 11. ins Ziel kam, wandte sich in einem offenen Brief an Jean Le Cam. „Du bist auf dem Irrweg“, schrieb er. „Die Magie der Vendée Globe liegt ja genau darin, dass sich Segler mit unterschiedlichem Profil an den Everest der Hochseeregatten wagen. […] Ich bin lange nach dir ins Ziel gekommen, aber ich habe genauso gelitten wie du und bin über mich hinausgewachsen wie noch nie zuvor.“ Bissig fügte der Skipper der Newrest-Matmut hinzu: „Und wenn wir ‚lächerlichen’ Segler nicht gewesen wären, hättest du die Vendée Globe auf dem letzten Platz beendet…“ Romain Attanasio, 15. in 109 Tagen, sagte nach seiner Zieleinfahrt zu Amedeo: „Die Vendée Globe gewinnt man oder man beendet sie.“ Diese Einstellung bringt das Aussergewöhnliche an dieser Weltumsegelung ziemlich genau auf den Punkt.
Auch bei der Wettfahrtleitung herrscht Uneinigkeit. Während Jacques Caraës einräumte, dass die Altersunterschiede zwischen den Booten reduziert und das Niveau der Segler, sprich die Qualifikationsanforderungen, erhöht werden müssen, meinte Alain Gautier: „Wenn bei der Vendée Globe nur der Wettkampf zählen würde, würden sich nur 20 Prozent dafür interessieren und der Segelsport wäre nicht populär. Was die Leute fasziniert, ist das Abenteuer.“
Qualifikation zu einfach
Alan Roura vertritt eine gemässigte Position. „Zwischen dem Ersten und dem Letzten war der Abstand schon immer gross“, sagt er. „Aber in einigen Fällen wäre es vielleicht sinnvoll, allzu draufgängerische Segler zu bremsen. Andererseits lebt die Vendée Globe aber von solchen Projekten. Ich glaube hingegen, dass das Alter der Boote keine Rolle spielt. Worauf es ankommt, ist die Art, wie man sie führt. Pieter Heerema zum Beispiel hat ein Boot der neusten Generation und doch liegt er hinter mir und meiner Superbigou aus dem Jahr 2000. Die Weiterentwicklung der Bauvorschriften wird sowieso zu einer natürlichen Auslese führen.“ Der jüngste Skipper, der die legendäre Regatta je zu Ende gesegelt ist und sie 2020 erneut bestreiten möchte, spricht sich klar gegen zeitliche Beschränkungen an bestimmten Schlüsselpassagen aus. „Ein Teilnehmer, der einen Mastbruch erleidet und das Rennen mit einem behelfsmässig geflickten Rigg beendet oder einen Reparaturstopp einlegt und versucht, trotzdem noch bis Les Sables zu segeln, muss gewertet werden, auch wenn er einen Monat nach allen anderen ankommt. Was die Qualifikation angeht, sind wir uns, glaube ich, ziemlich einig: Die Anforderungen sind zu einfach. Man müsste mindestens zwei Einhand- Atlantiküberquerungen voraussetzen, eine davon im Regattamodus.“ Tatsächlich besteht in diesem Punkt ein breiter Konsens. Für 2020 sind daher auch einige Änderungen zu erwarten. Abenteurer werden nicht ausgeschlossen, die Anforderungen aber steigen.
Abstand zwischen dem Erst- und dem Letztplatzierten und Anzahl Gestartete und Klassierte an den letzten Austragungen
89/9:
- Titouan Lamazou: 109 T. 8 Std. 48 Min.
- Jean-François Coste: 163 T. 1 Std. 19 Min.
- 13 gestartet, 7 klassiert
92/93:
- Alain Gautier: 110 T. 2 Std. 22 Min.
- Jean-Yves Hasselin: 153 T. 5 Std. 14 Min.
- 15 gestartet, 7 klassiert
96/97:
- Christophe Auguin: 105 T. 20 Std. 31 Min.
- Catherine Chabaud: 140 T. 4 Std. 38 Min.
- 15 gestartet, 6 klassiert
00/01:
- Michel Desjoyeaux: 93 T. 3 Std. 57 Min.
- Pasquale de Gregorio: 158 T. 2 Std. 37 Min.
- 24 gestartet, 15 klassiert
04/05:
- Vincent Riou: 87 T. 10 Std. 47 Min.
- Karen Leibovici: 126 T. 8 Std. 2 Min.
- 20 gestartet, 13 klassiert
08/09:
- Michel Desjoyeaux: 84 T. 3 Std. 9 Min.
- Norbert Sedlacek: 126 T. 5 Std. 30 Min.
- 30 gestartet, 12 klassiert
12/13:
- François Gabart: 78 T. 2. Std. 16 Min.
- Alessandro Di Benedetto: 104 T. 2 Std. 34 Min.
- 20 gestartet, 11 klassiert