fotos © Loris von Siebenthal
Hält der Red Bull Youth America’s Cup, was er verspricht? Tilt arbeitet seit 2013 intensiv auf dieses grosse Ziel hin. Es gilt als Meilenstein einer Profisegelkarriere. Aber was kommt danach?
« Watch out for Tilt »,
mahnte Alinghi-Chef Ernesto Bertarelli in Oman in Gegenwart von Arnaud Psarofaghis und Sébastien Schneiter. Kündigt sich da etwa ein Stabwechsel an? Für ein solches Szenario scheint die Zeit dann doch wohl noch nicht reif. Bertarellis Aussage ist aber als grosse Anerkennung zu werten. Wer kann schon von sich behaupten, dass er von dem Mann, der den Schweizer Segelsport an die Weltspitze katapultiert hat, ein solches Kompliment erhalten hat? Über Sébastien Schneiter meinte Bertarelli: „Ich bin in den letzten Jahren oft mit einem sehr starken Team gegen ihn gesegelt und ich muss zugeben, dass er gut ist, sehr gut sogar.“ Entsprechend hoch sind die Chancen, dass Tilt den Youth America’s Cup am 21. Juni in die Schweiz holt. Laut Teamchef Alex Schneiter fliegt Tilt mit festen Siegesabsichten auf die Bermudas: „Offiziell streben wir zwar einen Podestplatz an, aber wir haben in den letzten Jahren so viel in den Cup investiert, dass wir nur mit einem Sieg zufrieden sind.“ Sébastien Schneiter und sein Team haben in den letzten Monaten vor dem Youth America’s Cup ein extrem straffes Programm. Ihr Terminkalender ist prall gefüllt. Auf die Serienmeisterschaft der GC32 in Oman Anfang März folgen die Extreme Sailing Series, der Trofeo Princesa Sofia in Palma de Mallorca auf einem 49er, ein siebentägiges Training auf dem AC45 von Emirates Team New Zealand auf den Bermudas Anfang April und schliesslich eine letzte Regatta auf dem GC32 in Riva im Mai.
Team Tilt wird am Cup von ETNZ unterstützt und kann nicht nur die Logistik und die Basis der Neuseeländer nutzen, sondern erhält von den Profis auch wertvolle Tipps. Glenn Ashby trimmte im Rahmen dieser Partnerschaft letztes Jahr das Grosssegel des rot-weissen GC32. „Glenn im Team zu haben, hat uns viel Zeit erspart“, sagt Alex Schneiter anerkennend. „Er hat uns wertvolle Tipps gegeben, sodass wir nicht alles selbst erlernen mussten und keine unnötige Zeit verloren haben.“ Ob die minutiöse Vorbereitung den erhofften Erfolg bringt, wird sich in ein paar Wochen zeigen. Wichtig ist vor allem, dass die Segler am Tag X körperlich und mental fit sind und dem Druck und den Erwartungen, die auf ihren jungen Schultern lasten, standhalten. Die Jungs sind übrigens nicht wiederzuerkennen, so stark haben sie sich in den letzten Monaten verändert.
Eindrückliche Verwandlung
Im Team Tilt herrsche eine komplett andere Dynamik als 2013 in San Francisco, wo sie den guten vierten Platz erreicht hatten, betont der Teamchef. „Damals hatten wir keine Ahnung, was uns erwarten würde. Seither sind wir aber viel strukturierter geworden und haben unsere Leistungsansprüche fortlaufend nach oben angepasst. Wir haben uns sowohl bei den GC32 als auch im olympischen Segeln stark weiterentwickelt.“ Tatsächlich ist Tilt in den letzten vier Jahren sowohl in Bezug auf die Kommunikation als auch technisch und sportlich professioneller geworden. Körperlich ist die Veränderung geradezu spektakulär. Einige Teammitglieder haben im vergangenen Winter acht Kilo Muskeln zugelegt. „Die Regattaperformance ist zur Hälfte ein Kraftakt und Nils, Florian und Arthur sind echte Kraftpakete“, sagt Alex Schneiter. Einige habe er aber bereits wieder auf Diät setzen müssen, denn es bleiben nur noch 500 Gramm bis zum erlaubten Gesamtgewicht.
Das Auswahlverfahren hat zu einem gut gemischten Team mit einheitlichem Niveau und unterschiedlichen Profilen geführt. Die meisten Mitglieder kommen aus dem olympischen Segeln. Jérémy Bachelin war ISAF Junioren-Vizeweltmeister bei den 470ern, Jocelyn Keller und Florian Trüb stammen aus der Laserszene und der kernige Bowman Arthur Cevey hat beim CER in Genf gelernt. Tilt hat also alle Karten in der Hand, um Grosses zu vollbringen. Aber was kommt danach? Welche Zukunft erwartet den Elitenachwuchs nach vollbrachter Tat?
Die Frage, die auf den Lippen brennt
Folgt auf die „kleine“ Silberkanne die grosse? Auf diese Frage erhält man wohl kaum eine eindeutige Antwort, auch wenn manche Blicke Bände sprechen. Zum heutigen Zeitpunkt sieht Tilt seine Zukunft auf jeden Fall anderswo. „Wir haben den Schwerpunkt seit 2013 auf Regattatouren gelegt und werden nach dem Youth zum olympischen Segeln wechseln“, kündigt Alex Schneiter an. „Wir haben ein super Team, aber einige unserer Segler werden andere Projekte in Angriff nehmen. Andere wiederum bleiben uns erhalten, Maud Jayet, Sébastien und Lucien Cujean zum Beispiel. Ihr Ziel ist Tokio 2020. Den Youth und die Nachwuchsförderung müssen andere übernehmen.“
Aus dem grossen Rennstall Tilt wird also vorübergehend eine kleinere Struktur. Das kann sich aber schnell wieder ändern, spätestens, wenn ein neues grosses Ziel angestrebt wird. Auf dem Genfersee legt das Team eine Pause ein und verzichtet auf eine Teilnahme an der D35- Meisterschaft. Ist mit einer Rückkehr zu rechnen? „Warum nicht, mit dem Easy To Fly (siehe S. 38) könnte ich mir das durchaus vorstellen“, sagt Alex Schneiter. Tilt 2013 und Tilt 2017 haben nicht viel gemeinsam. Wetten, dass uns auch die Version 2020 überraschen wird?