Ein Kiesel in den Tropen, verehrt und begehrt vom Jetset, aber auch windsicher und ideal zum Segeln. Wer das Ausnahmerevier erleben möchte, tut das am besten im Rahmen des Inselhighlights, den Voiles de Saint-Barth.
Beim Namen St. Barth denkt man als erstes an eine tropische Version von St. Tropez. Viel Glamour also, massenhaft Stars und VIP-Partys bis zum Abwinken. In den Weihnachtsferien ist es tatsächlich so, während des restlichen Jahres aber ist St. Barth erfrischend anders. Natürlich wohnen in den grün oder rot bedachten Luxusvillen noch immer Prominente und Reiche, sie üben sich aber in Zurückhaltung und übernehmen gerne die Lebensweise der Inselbewohner. Entsprechend leger ist die Kleidung. Flipflops, abgewetzte Shorts, zerknittertes T-Shirt und Baseballmütze. Vielleicht ist diese Lässigkeit nur Schau, vielleicht bringt sie aber auch den Wunsch nach einem einfachen, bequemen Leben abseits vom Medienrummel zum Ausdruck. So viel zu den gesellschaftlichen Aspekten. Landschaftlich ist St. Barth eine Trauminsel wie aus dem Bilderbuch. Herrliche Strände, türkisfarbenes, ganzjährig 26 bis 29 °C warmes Wasser, atemberaubende Panoramen und unzählige Inseln, die einladen, den Tag auf dem Wasser zu verbringen, prägen das Bild. Tatsächlich gibt St. Barth seine schönsten Seiten auf dem Meer preis. Vor Ort sucht man allerdings vergeblich nach Chartermöglichkeiten. Man muss schon sein eigenes Boot in den Tropen stationiert haben, oder, deutlich einfacher, einen Abstecher zur Nachbarinsel St. Martin machen, wo ein breites Angebot bereitsteht. Und wenn man schon segelt, warum nicht gleich im Rahmen des schönsten Segelanlasses der Saison? Genau das haben wir getan.
Melting Pot
Von 10. bis 15. April 2017 fanden die Voiles de Saint-Barth bereits zum achten Mal statt. Die renommierte Regatta wurde von den beiden einheimischen Bootsliebhabern François Tolède und Luc Poupon ins Leben gerufen. Im Gegensatz zur 30-jährigen Antigua Sailing Week, die jeweils rund 300 Schiffe anlockt, setzen die Voiles de Saint-Barth auf Exklusivität. Die teilnehmenden Jachten sind alle etwas Besonderes. Auch dieses Jahr befanden sich viele berühmte Prachtexemplare darunter, die Rambler und die Proteus zum Beispiel. Insgesamt umfasste die Flotte rund fünfzehn Maxi-Jachten, eine Swan- Armada – darunter eine stattliche 65er aus den Seventies mit Karbonmast – und kleinere Racer wie Melges 24. Zwischen den mit eigener Container-Werkstatt auffahrenden Superjachten und den kleinen One-Design-Booten, die aus St. Martin angereist waren und ihre wenigen persönlichen Sachen in den Bänken verstaut hatten, liegen Welten. Racerqualitäten haben sie aber alle, egal, wie unscheinbar sie wirken. Standard-Charterboote mit Dreiblattschrauben und ohne Spi sind an der Regatta hingegen nicht erwünscht. Das käme einem Stilbruch gleich. Seit einigen Jahren reisen die Teilnehmer zunehmend früher und meistens mit Familie an. Sie nutzen die Regatta, um Ferien in einer Mietvilla zu verbringen. Es gibt wohl keinen anderen Anlass, an dem man Segeln in einem so einzigartigen Revier mit unvergesslichen Momenten an Land unter Freunden und Gleichgesinnten vergleichsweise gediegen miteinander kombinieren kann wie an den Voiles de Saint-Barth. Die Bar neben dem Hafenamt ist jeden Abend voll, Live-Konzerte heizen die Stimmung auf und dann ist da auch noch der berühmte Day-off …
Regatta mit Traumbedingungen
Am Donnerstag waren die Teams zu einer gigantischen Beach Party mit Wettkämpfen auf aufblasbaren Riesenpaddles, Schatztauchen nach versenkten Champagnerflaschen und anderen vergnüglichen Aktivitäten geladen. Namhafte Sponsoren sorgten mit ihren grosszügigen Preisen für zusätzliche Anreize. Richard Mille schenkte dem Gesamtsieger einen RM 60-01 Flyback- Chronographen, die Klassensieger konnten Veuve-Cliquot-Magnumflaschen kühlstellen oder Poloshirts und Hemden in den Farben des Anlasses gewinnen. Die Regatta selbst bestand aus 21 Strecken rund um die Felsen und Inselchen vor St. Barth. Obwohl der Passat dieses Jahr nicht in Bestform war, konnten die 66 Jachten doch an drei der vier vorgesehenen Tage segeln. Bereits bei den ersten Schlägen erwies sich das Revier als echter Leckerbissen. Die Kulisse ist eine Wucht und Abwinde, Kapeffekte, Beschleunigungen und die Kreuzsee brachten die Gehirnzellen der Taktiker auf Trab. Mit dem Feldstecher kann man die Gegend nach den schönsten Stränden absuchen. 14 sind es insgesamt. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Es gibt Sand- und Muschelstrände, manche sind wild, andere verfügen über Infrastrukturen. Und alle sind gratis! Gut die Hälfte sind mit dem Boot erreichbar und man kann dort zumindest tagsüber ankern. Ein kleiner Tipp: Falls Sie nach der Regatta nicht sofort abreisen, mieten Sie ein kleines Auto und erkunden Sie die Insel auf den kurvigen und malerischen Strassen. Zu Fuss ist die Entdeckung schwierig, denn obwohl St. Barth nur gerade 24 Quadratkilometer misst, sind die Distanzen aufgrund der Berge relativ gross.
Die schönsten Ankerplätze
Bereit für einen Strandrundgang? Beginnen wir mit einem der berühmtesten Strände der Insel. Colombier wird von den Einheimischen auch Rockefeller-Strand genannt, denn der im letzten Herbst verstorbene Milliardär liess dort 1957 eine Luxusvilla bauen. Heute steht sie leer. Der Strand liegt gut eingebettet an der Nordwestspitze der Insel, ist gegen Westen gerichtet und somit windgeschützt. Er ist nur mit einem 30-minütigen Fussmarsch erreichbar und entsprechend wenig besucht. Davor lädt kristallklares Wasser zum Ankern ein. Etwas weiter östlich, gegenüber der kleinen Insel Chevreau, befindet sich die nach Norden gerichtete Anse des Flamands mit Kokospalmen, feinem Sand, türkisfarbenem Wasser, Hotels, einigen Villen, aber auch kräftigen Wellen und einer starken Strömung.
Ein schlechter Ankerplatz also, aber ein umso besserer Surfspot. Eine ähnliche Kulisse, nur etwas wilder, bietet die gegen Osten gerichtete Anse des Cayes. Sie eignet sich ebenfalls gut zum Surfen, am Ufer sollte man sich aber vor den Kalkfelsen und Seeigeln in Acht nehmen. Etwas südlicher erreicht man die Bucht Saint-Jean und den zwischen Wasser und Bergen eingekeilten Flughafen. Das Starten und Landen der kleinen Flugzeuge auf einer der kürzesten Pisten der Karibik ist ein spektakulärer Anblick. Der durch eine Felsschorre geschützte Strand ist mit dem Boot erreichbar und bietet viele Ankerstellen auf ruhigem Wasser. Die Anse selbst lockt mit weis-sem Sand, Kokospalmen und als Blickfang dem barocken Eden Rock, dem ältesten Hotel der Insel. Im Nordosten wartet die Anse de Lorient mit vielen Möglichkeiten. In Strandnähe ist das Meer sehr ruhig, etwas weiter draussen ein idealer Surfspot.
Die Bucht ist bei Familien sehr beliebt, kommt ohne Schnickschnack aus, bleibt aber kleinen Booten oder Dinghis vorbehalten. Östlich der Pointe Milou verspricht der palmengesäumte Marigot-Strand schöne Tauchgänge über grauem Sand- und Kieselgrund. Taucherbrille, Flossen und Schnorchel sollte man immer dabei haben. Für Boote mit grossem Tiefgang ist die Zufahrt allerdings nicht möglich, genauso wenig wie zu den Nachbarstränden Grand-Cul-de-Sac und Petit-Cul-de-Sac.
Der erste ist relativ naturbelassen, der zweite von Hotels umgeben, beide aber zeichnen sich durch ihre Fülle an exotischen Fischen aus und sind somit ideal zum Schnorcheln. Die Anses Toiny und Grand Fonds sind steinig und der Dünung ausgesetzt. Hier gibt es keine Ankermöglichkeiten, dafür kann man am Strand Schildkröten und auf offenem Meer Wale beobachten.
Immer noch an der Südküste, allerdings weiter westlich, grenzt der grosse Strand der Insel Grande Saline an Salzsümpfe. An diesem ursprünglichen Ort mit stattlicher Düne und leichter Brandung kann tagsüber angelegt werden. Am Strand tummelt sich ein bunt gemischtes Volk. Wenn Sie mit Kindern hierherkommen, achten Sie darauf, wo Sie sich niederlassen.
Weiter westlich befindet sich die tief eingeschnittene Anse du Gouverneur. Sie bietet ein einzigartiges Panorama, ist wenig besucht und eignet sich tagsüber sogar dann hervorragend zum Ankern, wenn draussen starker oder nach Südosten gerichteter Wellengang herrscht und die Brandung entsprechend stark ist. Weiter geht es über die Südspitze von St. Barth wieder Richtung Nordwesten zum Hafen von Gustavia.
Kurz davor wartet an Steuerbord der schöne Muschelstrand, die Shell Beach. Die vom türkisfarbenen Wasser umspülten rosa Muscheln sind ein traumhafter Anblick, für nackte Füsse hingegen ziemlich schmerzhaft. Hier trifft man vor allem auf Einheimische. Wer vor der Rückfahrt in den Hafen noch etwas baden möchte, ist in dieser Bucht am richtigen Ort.
Kurz hinter Gustavia befinden sich noch zwei weitere erwähnenswerte Strände: der öffentliche Strand, der zwar mitten im Industriegebiet liegt, aber sauber und angenehm ist und wo sich auch die Segelschule befindet, und die pittoreske Anse Corossol mit ihren traditionellen Hütten und Fischerbooten. Bei so vielen Traumstränden dürfte Ihr nächstes Urlaubsziel eigentlich schon feststehen. Wann kommen Sie nach St. Barth?
Anreise
Die meisten Fährverbindungen bestehen mit der nächstgelegenen Insel St. Martin. Sie liegt nur 15 Seemeilen nordwestlich von St. Barth und wird täglich von mehreren Schiffen bedient. Eine Überfahrt dauert zwischen 45 und 75 Minuten und kostet rund 50 € (inkl. Rückfahrt). Auch Taxiboote sind vorhanden. Die Anreise per Flugzeug ist ein besonderes Erlebnis. Um auf St. Barth zu landen, brauchen die Piloten eine Spezialausbildung, denn die Landebahn ist gerade einmal 600 Meter lang und zwischen einem Pass und dem Meer eingepfercht. Es könnte gut sein, dass Sie etwas ins Schwitzen kommen. Die Flugzeuge sind klein und fliegen nur tagsüber und nur bei günstigem Wetter. Ein Flug von St. Martin nach St. Barth dauert 12 Minuten und kostet 140 € hin und zurück. Neben dieser Hauptverbindung werden Flüge aus Guadeloupe, Puerto Rico und Antigua angeboten.
Bootscharter
Für massgeschneiderte Reisen und/oder Törns: my charter, info@mycharter.ch, mycharter.ch, sailpro.ch, alain@sailpro.ch Auf der Insel gibt es keine Charterbasis. Das in drei Segelstunden erreichbare St. Martin hält hingegen grosse Flotten bereit. Falls Sie ein besonderes Boot suchen, werden Sie vielleicht im 260 Seemeilen entfernten Martinique fündig. Dort haben viele schnelle Katamarane und Regattajachten ihren Stützpunkt.
Navigation – Wetter – Häfen
In den warmen Gewässern macht Segeln sogar dann Freude, wenn das Wasser an Deck spritzt. Von Oktober bis Juni geht der Passat. Er weht über lange Distanzen mit 10 bis 25 Knoten von Nordosten nach Südosten. Dadurch entsteht eine beträchtliche Dünung und das Meer wird kabbelig. Logischerweise ist die Luvseite der Insel Wind und Wellen deutlich stärker ausgesetzt als die Leeseite. Der Hafen von Gustavia und die wichtigsten Ankerplätze befinden sich alle auf der Leeseite.
Von Dezember bis April herrscht trockenes, mit durchschnittlich 25 °C nicht allzu heisses Wetter. Der Winter ist bei rund 27 °C feuchter und deutlich schwüler. Pro Jahr fallen rund 1000 Millimeter Regen – gleich viel wie am Cap Ferret in der Bretagne –, aber durch die Bodenbeschaffenheit, die Hitze und die fehlenden Quellen und Wasserläufe ist die Vegetation dennoch trocken.
Der einzige Hafen der Insel befindet sich in Gustavia. Er ist vollständig windgeschützt, nur die Heckwellen wühlen das Wasser auf. Die Boote werden an Mooringleinen mit dem Heck zum Steg vertäut. Der vordere Teil des Hafens geht in eine grosse Bucht mit Ankerbojen über. An Land gibt es viele Verpflegungs- und Einkaufsmöglichkeiten.
Besonders empfehlenswert ist das Café-Restaurant Select. Nicht ganz namensgetreu ist das älteste Lokal der Insel vor allem für seine ungezwungene Atmosphäre, seine Hamburger und seine speziellen Rums bekannt.
Zu den Sehenswürdigkeiten von Gustavia zählen der schwedische Glockenturm und die alte Präfektur. Beide sind Überbleibsel aus der schwedischen Kolonialzeit von 1784 bis 1878. Einen Besuch wert sind auch die katholische und die anglikanische Kirche und natürlich die traditionellen Hütten, die den Bränden, Wirbelstürmen und dem Zahn der Zeit entkommen sind.
Falls Sie etwas Zeit übrig haben, mieten Sie ein Auto und fahren Sie durch die Landschaften und zu den einsamen Stränden. Kleiner Tipp: Wählen Sie ein kleines Auto, das zahlt sich auf den engen, steilen Strassen aus.