Von den 161 J/70, die sich im September zur WM in Porto Cervo eingefunden hatten, segelten 13 unter Schweizer Flagge. Sie konnten zwar gegen die Profiteams nichts ausrichten, die Begeisterung für die junge Bootsklasse hat aber mittlerweile die ganze Schweiz erfasst.
Eine Kielboot-Flotte mit 161 Jachten, das hatte es noch an keiner WM gegeben! Die Schweiz war hinter Italien und Deutschland die drittstärkste Delegation. Eigentlich wären sogar sieben Boote mehr dabei gewesen (fünf aus Italien, eines aus England und eines aus Russland), hätte die WM in Porto Cervo nicht mit einem kleinen Skandal begonnen. Die Vermesser hatten einige Teams im Verdacht, nicht mit sauberen Karten zu spielen. Ihre Vermutungen bestätigten sich. Sieben hatten an ihrem Kiel unrechtmässige Änderungen vorgenommen und wurden ausgeschlossen. Eine harte, unanfechtbare Strafe, die aber durchaus vertretbar ist. Schliesslich verstösst bei den J/70 alles, was nicht ausdrücklich in den Vorschriften festgehalten ist, gegen die Regeln. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Voraussetzungen für die Einheitsklasse erfüllt bleiben. Für Schummler ist hier kein Platz.
Eine harte Nuss
Da das Wetter in Sardinien verrücktspielte, konnte nur an zweieinhalb Tagen gesegelt werden. Viele Schweizer Teams hatten Schwierigkeiten, die raue See und den heftigen Wind in den Griff zu bekommen. Sie segelten oft zu viert statt zu fünft, obwohl bei diesen Bedingungen ein Gesamtgewicht von 350 Kilo eigentlich von Vorteil gewesen wäre. Am besten aus der Affäre zog sich das Team Superbüsi, das aus Mitgliedern des Yacht-Club Luzern und des Segelclubs Trischenhorn bestand. Mathias Bermejo, der Besitzer der Superbüsi, zeigte sich zufrieden mit dem 44. Platz: „Wir haben im letzten Moment beschlossen, ein fünftes Teammitglied an Bord zu nehmen. Dank zwei guten Läufen zu Beginn haben wir es in die Gold Fleet geschafft. Es waren viele Profisegler dabei, auch einige Cracks aus der 470er-Szene. Wir wussten, dass die Aufgabe nicht einfach sein würde und wir sind zufrieden mit unserer Leistung.“ Nicolas Anklin von der SNG musste sich mit der Silver Fleet zufrieden geben. Er machte das Geschwindigkeitsdefizit am Wind und die ungewohnten Bedingungen verantwortlich für das mässige Abschneiden: „Wir segeln sonst überwiegend an den Regatten der Swiss Sailing League und dort dauern die Läufe 15 Minuten, die Amwindschläge vier Minuten und die Flotte besteht aus sechs Booten. In Porto Cervo dauerten die Läufe eineinhalb Stunden, die Amwindschläge 20 Minuten und die Flotte umfasst 80 J/70. Das Format ist wirklich sehr verschieden und wir waren nicht wirklich darauf vorbereitet.“
Klasse mit Strukturierungsbedarf
In diesem Bereich besteht tatsächlich Nachholbedarf. Die J/70 erhielten zwar in der Schweiz durch die Swiss Sailing League starken Aufwind, die Klasse muss aber weiter wachsen, damit sie mit den grossen internationalen Anlässen vergleichbare Regattaformate anbieten kann. Dieses Ziel will Tobias Rüdlinger, der Vizepräsident der Swiss J/70 Class Association und Mitglied des RC Bodensee, mit gezielten Massnahmen erreichen: „2017 haben wir im Rahmen des Swiss Cups drei Events organi-siert. 2018 möchten wir vier oder sogar fünf durchführen. Ausserdem möchten wir unsere Präsenz in der Romandie erhöhen und von Swiss Sailing anerkannt werden. Wir sind auf gutem Weg“, sagt er. Andere Teams, wie das des Centre d’Entraînement à la Régate, erhoffen sich durch ein intensiveres Training bessere Resultate. Nelson Mettraux bestreitet daher mit seiner Mannschaft die Monaco Winter Series. „Eines unserer Boote ist diesen Winter in Monaco stationiert“, erklärt er, „so können möglichst viele Mitglieder während der Winterpause dort segeln. Ausserdem verzichtet ein Team nächstes Jahr auf die Bol d’Or Mirabaud, um an der gleichzeitig stattfindenden EM in Vigo anzutreten.“
Ideales Boot am Nerv der Zeit
Die Schweizer J/70-Flotte umfasst bereits über 50 Boote, Tendenz steigend. Sie werden als DAS One-Design-Sportboot gehandelt, da sie vielseitig sind und sich sowohl an Anfänger als auch an erfahrene Regattasegler richten, die sich unter gleichen Voraussetzungen miteinander messen möchten. Im Zuge dieses Booms hat die Swiss Sailing League nach der Einführung einer 2. Liga in diesem Jahr für 2018 bereits eine dritte angekündigt. Die Teams werden angesichts der immer zahlreicheren Regatten im In- und Ausland wohl oder übel eine Wahl treffen und sich je nach Zielen und Terminkalender auf die ein oder andere Tour beschränken müssen.
Nicolas Anklin versteht den Siegeszug der J/70, auch er schwärmt von dem Boot: „Es eignet sich für alle, ist sportlich, entwicklungsfähig, aber nicht extrem. Ausserdem ist es technisch anspruchsvoll wie ein 470er, kommt Jollenseglern entgegen und macht im Team Spass.“ Kein Wunder, ist die Nachfrage so gross. Jetzt müssen sich die immer zahlreicheren J/70-Fans nur noch entscheiden, wo sie ihr Talent beweisen wollen: an der Swiss Sailing League, am Swiss Cup, an den Monaco Winter Series oder am Alcatel Cup in Italien.