Die neuen Luxusreisen vermitteln Emotionen und Sinneserfahrungen. Sie stellen das persönliche Erlebnis ins Zentrum, indem sie Neues und wenn möglich Einzigartiges bieten.
„Folgen Sie mir, ich zeige Ihnen unseren exklusivsten Bungalow“, fordert uns der Direktor des Viersterneresorts auf den Malediven auf. Er führt uns ans Ende eines Stegs, der auf eine traumhaft schöne, smaragdgrün und türkisblau schimmernde Lagune hinausführt. „Wie Sie sehen, fehlt es hier an nichts. Sie profitieren vom Nonplusultra in Sachen Hightech und Ihnen steht rund um die Uhr ein Butler zur Verfügung“, preist er uns seine Einrichtung an. Erstaunt frage ich ihn: „Wer braucht das alles? Das meiste ist doch völlig überflüssig. Schliesslich verkörpert eine einsame Insel ja vor allem den Robinson-Traum, ein Leben in der Wildnis.“ Sichtlich genervt antwortet der Hotelier: „Sie haben keine Ahnung, was heute unter Luxus verstanden wird. Keiner unserer Gäste nutzt den Whirlpool oder die beiden Satellitenfernseher, aber wenn ich ihnen diese Ausstattung nicht anbiete, gehen sie zur Konkurrenz!“
Die Anekdote ist kennzeichnend für das Paradoxe eines Sektors, der den Spagat zwischen Bling Bling und Authentizität schaffen muss. Gilles Lipovetsky, ein französischer Philosoph, erklärt: „Lange gab es nur den protzigen und prestigeträchtigen Luxus. Er wurde standesgemäss mit Schlössern und Schmuck zur Schau gestellt. Diesen Luxus, der als Statussymbol herhalten muss, Erfolg demonstrieren soll und für die meisten unerreichbar bleibt, wird es immer geben.“ Abgesehen davon hat sich das Verständnis von Luxus stark verändert, wie auch der Soziologe Frédéric Monneyron, feststellt: „Im Luxus spiegeln sich die gesellschaftliche Entwicklung, die Wünsche und die Sorgen der Menschen. Und die Zeichen der Zeit stehen momentan auf einer Rückbesinnung auf sich selbst.“
Stark wachsender Markt
Das Aufkommen von Internet und Low-Cost- Fluggesellschafen hat die Karten des Reisemarkts neu gemischt. Heute haben die Akteure der Branche zwei Möglichkeiten: Entweder sie konzentrieren sich auf Pauschaltouristen oder aber sie treiben den Service auf die Spitze, indem sie die Erwartungen anspruchsvoller Kunden erfüllen, die auf Reisen Einzigartiges erleben wollen.
Dieser Wunsch nach Massgeschneidertem motiviert die Reiseveranstalter.
Sie übertreffen sich damit, „Erlebnisse zu schaffen“ oder „Träume wahr werden zu lassen“. Und alle sind darauf spezialisiert, 100% individuelle Produkte anzubieten. In Cannes, Tokio, Kapstadt, Dubai, Singapur, Mexico und Shanghai treffen sich diese Dienstleister zum ITLM-Kongress (International Luxury Travel Market). Mit dabei: Betreiber von Palasthotels, Kreuzfahrtgesellschaften und Reiseveranstalter. Dem Konsortium Traveller Made gehören 101 Mitgliederagenturen aus 24 europäischen Ländern an. Alle sind in der Luxusreisebranche tätig. Zu ihren Kunden zählen Multimillionäre, darunter viele Manager, Ärzte und Anwälte, aber auch Fussballspieler und Prominente. Für sie werden Reisen ins Weltall gebucht, damit sie einmal das Gefühl der Schwerelosigkeit spüren, oder es wird eine Weltreise im halbprivaten Flugzeug organisiert. Dabei werden protziges Gold und pompöses Marmor früherer Palasthotels immer mehr durch minimalistisches, stilvolles Design verdrängt. Dieser neue Luxus ist nicht mehr zwingend preisgebunden, sondern wird durch Rarität bestimmt. Sich Zeit nehmen, besser essen, sich kleine, wohltuende Extras gönnen, einen am Strand gegrillten Fisch geniessen, in der Stille der Wüsten den Sternenhimmel bewundern – solche Erfahrungen sind meilenweit entfernt von Bombast und Prunk. Sie lassen uns aber aufblühen, da wir sie für uns selbst gewählt haben und nicht, um mit anderen gleichzuziehen.
Ab ins Unbekannte
Reisen könnten durchaus der letzte soziale Indikator sein. Schliesslich unterscheiden wir uns nicht mehr durch unsere Besitztümer, sondern durch das, was wir Aussergewöhnliches erleben.
Die Suche nach Einzigartigem macht süchtig. Um dieses Verlangen zu stillen, veröffentlichen Spezialisten jedes Jahr die besten Reiseziele. 2018 gehören dazu der Tschad, der Norden Brasiliens, die Färöer-Inseln, Zentraltibet und Malawi. In Kambodscha haben Touristen dank neuer Hotels Zugang zu Sehenswürdigkeiten, die weniger bekannt sind als Angkor Wat. Mexiko-Fans können im Hinterland von Yucatán mit dem Helikopter die Wanderung der Monarchfalter beobachten oder mit dem Heissluftballon die Ruinenstadt Teotihuacán überfliegen. Peru und Bolivien sind nicht nur für ihre Ausgrabungsstätten und weltberühmten Sehenswürdigkeiten bekannt, sondern auch gastronomisch erste Wahl. Und auf die andere Seite der Welt zu fliegen war dank neuer Flugverbindungen nach Australien noch nie so einfach. Wer es Unkonventionell mag, kann in Tasmanien die noch ungezähmte Wildnis erleben und sich von den florierenden Künstlerzentren inspirieren lassen.