Im neuseeländischen Sommer müssen Segler mit ein bis zwei tropischen Wirbelstürmen aus dem Pazifik rechnen, manchmal auch mit einigen mehr…

„Unser Anker hält nicht mehr!”. Ein paar Tage zuvor hatte mich T.A.s Stimme unsanft aus dem Morgendusel gerissen. Bereits in der Nacht hatte uns Wirbelsturm „Fehi“ mit Böen von 100 Stundenkilometern vor dem Schlafen abgehalten. In der Anchorage Bay im Abel-Tasman- Nationalpark waren wir zwar vom Wellengang geschützt, aber der Sturm liess sich von den Landspitzen im Norden und Süden nicht abschrecken. Wir mussten weg. Das meinte auch der Skipper des benachbarten Hostelschiffs Aquapackers, auf dem es verdächtig still war. Er war ins Beiboot gesprungen und deutete ein paar Meter entfernt auf eine Anlegeboje: „Wir sollten diese nehmen.“ Kaum gesagt, stand T.A. bereits an der Ankerwinde. Ich hatte mir meine Segeljacke übergeworfen, den Motor gestartet und das Steuer übernommen. „Lenke in den Wind“, lautete das Kommando. Bei Sturmböen, strömendem Regen und Wellen, die unsere 8-Meter-Jacht Kahu durchrüttelten, leichter gesagt als getan. An die Reling geklammert versuchte ich zur Boje zu steuern, wo der Skipper mit der Leine in der Hand wartete. Triefend vor Nässe bemühte sich T.A. sie zu fassen. Beim zweiten Versuch klappte es. „Die Boje hat schon 13-Meter-Boote gehalten“, munterte uns der Skipper mit Blick auf unsere kleine Kahu zum Abschied auf.
Ein seltsamer Sommer

Wirbelstürme sind im neuseeländischen Sommer nichts Aussergewöhnliches. Im Südwestpazifischen Becken bilden sich zwischen November und April üblicherweise neun bis zwölf Tiefs. Durchschnittlich ein oder zwei erreichen in abgeschwächter Form Neuseeland. Dieses Jahr war jedoch alles andere als durchschnittlich. „Es ist ein seltsamer Sommer“, darüber sind sich angesichts schwüler Hitzerekorde alle einig. Das zeigten nicht nur die häufigeren Stürme im Allgemeinen, sondern auch das vermehrte Auftreten von tropischen Wirbelstürmen. Ungewöhnlich war ausserdem, dass sich die Wetterfronten vermehrt auf der Süd- und nicht auf der Nordinsel aufbauten. Ob es sich um ein einmaliges Phänomen oder um langfristige Auswirkungen der globalen Erwärmung handelt, wird laut Forschern die Zeit zeigen.
Apropos Zeit: „Schönwettersegler sind abhängig von gutem Wetter, Allwetter-Segler arbeiten mit dem, was die Natur bereithält.“ Dieser am Stammtisch in Motueka geäusserte Spruch fiel mir keine vier Wochen später ein, als erneut eine meterhohe Woge über Kahus Fiberglas- Rumpf zusammenbrach. 50 Knoten und drei Meter hohe Wellen hatten uns in der Nähe der Aupouri-Halbinsel vor Cape Reinga zum Beidrehen gezwungen. Dass wir wieder bei solch turbulenten Bedingungen arbeiten mussten, war nicht geplant. Im Gegenteil. Wir hatten für diese mit rund 500 Seemeilen längste durchgehende Etappe ein günstiges Wetterfenster abgewartet … dachten wir zumindest. Tage zuvor mussten wir unseren Plan, den Heimweg vom Abel-Tasman-Nationalpark entlang der Westküste nach Auckland in Angriff zu nehmen, verschieben. Kaum drei Wochen nach Fehi sollte mit Gita der nächste Wirbelsturm Neuseeland treffen. Unsere Entscheidung, in Mana bei Wellington abzuwarten, entpuppte sich als richtig. Im geschützten Jachthafen konnten uns die 120 Stundenkilometer des Ex-Zyklons nichts anhaben.
Spielball der Elemente
