Fotos: ©Alexis Courcoux
Beim siebten Versuch hat es geklappt: Francis Joyon gewinnt die Route du Rhum mit seinem eigentlich uralten Trimaran aus dem Jahr 2006. Mit unglaublicher Beharrlichkeit und stählernen Nerven entschied der 62-Jährige das Duell der Generationen für sich.
Die Route du Rhum ist mit jeder Austragung etwas mehr zur Legende geworden. Das war auch diesmal nicht anders. 40 Jahre nach ihrer Gründung hat das Einhand-Transatlantikrennen nichts von seinem Prestige eingebüsst und schreibt noch heute die schönsten Hochsee- Regattageschichten. Nach dem tödlichen Unfall von Alain Colas, der erinnerungswürdigen Zieleinfahrt von Mike Birch, dem Sieg von Florence Arthaud, dem zweifachen Erfolg von Laurent Bourgnon und dem Ausscheiden von 15 Katamaranen im Jahr 2002 fügte Francis Joyon der spannenden Saga jetzt ein weiteres Kapitel hinzu. Indem er als krasser Aussenseiter den als haushohen Favoriten gehandelten François Gabart im Foto-Finish besiegte, bewies er den Jungspornen, dass das Alter in der zuweilen etwas eigenartigen Offshore-Regattaszene keine Rolle spielt und dass auch ein 62-Jähriger den Tarif durchgeben kann. Die Rhum gewinnt man mit Erfahrung, dem passenden Boot und vor allem mit dem Kampfgeist, der Joyon schon immer ausgezeichnet hat.
Ultimative Ultimes
Noch mehr Bedeutung erhält Joyons sensationeller Sieg, wenn man berücksichtigt, dass sein Boot im Vergleich zur Konkurrenz in der Ultime- Klasse eigentlich uralt ist. Die Tri-Monster standen verständlicherweise im Rampenlicht dieser Jubiläumsausgabe – nicht nur wegen ihrer Grösse, sondern auch wegen ihres unglaublichen Potenzials. Sie erreichen Durchschnittsge-schwindigkeiten von über 30 Knoten und Spitzen von bis zu 50 Knoten. Die hochgerüsteten Meeresgiganten wollten beweisen, dass sie mit den schwierigen Bedingungen auf dem Atlantik zurechtkommen. Drei der sechs Ultime-Trimarane am Start stammen aus der jüngsten Generation: Macif von François Gabart, Maxi Edmond de Rothschild von Sébastien Josse und Banque Populaire IX von Armel Le Cléac’h.
Thomas Covilles Sodebo Ultime‘ (2001), Francis Joyons Idec Sport (2006) und Romain Pillards Remade – Use It Again (2003) haben deutlich mehr Jahre auf dem Buckel, wollten aber dennoch um den Sieg mitsegeln. Sie können zwar nicht foilen, haben sich aber über Jahre hinweg bewährt und sind daher deutlich verlässlicher als die brandneuen Konkurrenzboote.
Rennen in drei Akten
Die Route du Rhum 2018 verlief in drei klar unterscheidbaren Phasen: einer selektiven Golfausfahrt unter extremen Bedingungen, einer taktisch und technisch anspruchsvollen Atlantiküberquerung und einem Flauten-Poker auf der Zielgeraden. Nach den Wetterprognosen am Vorabend des Starts war klar: Die 123 Teilnehmer würden sich Guadeloupe hart verdienen müssen. Alle wussten: Die Fahrt durch die Biskaya würde brutal werden. Beim Start war noch alles in bester Ordnung. Bei strahlendem Sonnenschein und 15 Knoten Wind profitierten Segler und Zuschauer, die in Saint-Malo und am Cap Fréhel massenweise dem einzigartigen Spektakel zusahen, von optimalen Bedingungen. In der Nacht von Sonntag auf Montag musste Le Cléac’h in Roscoff einen Reparaturstopp einlegen und Josse ging in Führung. Seine Euphorie dauerte jedoch nur kurz, denn bereits am Morgen des zweiten Tages meldete der Skipper, dass ein Teil des Steuerbord-Schwimmers weggebrochen sei. Kurz darauf informierte Thomas Coville die Wettfahrtleitung, dass er aufgrund eines Problems am Beam in A Coruña Halt gemacht habe. Am Dienstagmorgen dann das nächste Aus: Banque Populaire IX kenterte nordöstlich der Azoren nach dem Bruch eines Beams und machte damit den Weg frei für François Gabart. Francis Joyon folgte ihm im Kielwasser.
Dramatische Aufholjagd
Bei der Atlantiküberquerung lieferten sich die beiden Führenden ein krimireifes Duell. Macif reagierte prompt auf jeden Kurswechsel von Idec Sport, der mit gebührendem Abstand auf der Lauer lag. Francis Joyon liess sich nie wirklich abschütteln. 48 Stunden vor dem Ziel wies der 35-jährige Ausnahmesegler dann aber doch 160 Seemeilen Vorsprung auf seinen direkten Verfolger auf und wurde von den Medien bereits als Sieger gefeiert.
Bis vor den Antillen hatte Joyon innerhalb von nur 24 Stunden wieder 120 Seemeilen aufgeholt – ein klares Zeichen dafür, dass auf Macif etwas nicht stimmte. Tatsächlich waren ein Foil und ein Schwert gebrochen, wie Gabart später erklärte. Als Gabart kurz vor dem Ziel im Windschatten von Guadeloupe in einer Schwachwindzone hängen blieb, rückte Joyon immer näher und zog mit seinem deutlich wendigeren Trimaran an seinem Gegner vorbei. Nach einem fast unerträglich spannenden Finish ging der Koloss 7 Minuten und 8 Sekunden vor Macif ins Ziel und stellte die bisherige Rekordzeit um ganze 45 Minuten in den Schatten. Loïck Peyron hatte für die Strecke vor vier Jahren auf dem gleichen Boot 7 Tage, 14 Stunden und 21 Minuten gebraucht.
Die Ultime zu extrem?
Diese elfte Route du Rhum warf die Frage auf, ob die Ultime-Trimarane der neusten Generation den Bedingungen auf hoher See überhaupt gewachsen sind. Schliesslich steht in einem Jahr die Einhand-Weltumsegelung an. Ein einziger der drei Foiler beendete das Rennen schadlos. Konstrukteure, Eigner, Skipper und Bootsbauer scheint diese Situation nicht zu beunruhigen, denn sie führen die vielen Havarien auf die extremen Verhältnisse zu Beginn der Regatta zurück. Vincent Lauriot- Prévost meinte in einem Interview mit Voiles et Voiliers: „Die an diesem Rennen erlittenen Schäden bedeuten nicht, dass die neuen Ultimes nicht stabil genug sind. Man muss einfach lernen, sie in bestimmten Situationen anders zu segeln.“ Das ist wohl auch die wesentliche Erkenntnis, die man aus der Route du Rhum 2019 mitnehmen kann: Die modernen Ultimes können nur foilen und die von ihnen erwarteten Geschwindigkeiten erreichen, wenn die Voraussetzungen stimmen. Gabart hatte es bei seinem Einhand-Weltumsegelungsrekord auf einen Durchschnitt von 27 Knoten gebracht. Das sind drei mehr als an dieser Transat.
Das nächste Treffen der Riesen-Multis findet im Mai 2019 im Rahmen der „Lorient – les Bermudes – Lorient“ statt. Dort will Thomas Coville mit einem neuen VPLP-Boot antreten. Josse und Gabart und eventuell auch Le Cléac’h sollten ihre Trimarane bis dann repariert haben. Die grosse Bewährungsprobe folgt im Dezember 2019, wenn sich die Ultimes zur Brest Océans aufmachen. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass diese erste Einhand-Weltumsegelungsregatta der Ultime-Klasse verschoben wird, um den Teams mehr Zeit zu lassen, die Lektionen aus der Route du Rhum zu ziehen und ihre Boote entsprechend zu optimieren.