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SailGP: Der Segelsport betritt eine neue Dimension

von Quentin Mayerat

Die F50 gelten als schnellste Segelboote der Welt. Sie fliegen mit bis zu 50 Knoten übers Wasser und sollen am SailGP den Segelsport revolutionieren. Dem Sieger dieser hochdotierten Rennserie winkt ein Preisgeld von einer Million US-Dollar! An Bord der One-Design-Foilerkats verwandeln sich fünf behelmte Segler in Raser, die das Highspeed-Gerät mit Joystick, Knöpfen und Pedalen kontrollieren. Muss der America’s Cup die Konkurrenz dieser hochvernetzten, mit Kameras, Mikrofonen und 1200 Data Points vollgepackten F50 fürchten?

cc13855-jpg-288340-originalAchtung, fertig, los: Sechs Boliden heizen mit bis zu 50 Knoten unter den Pedalen des Skippers übers Wasser. Er kommuniziert per Mikro mit seinen vier Crewmitgliedern. Am SailGP steht viel auf dem Spiel. Immerhin winkt dem Gesamtsieger eine Million Dollar! Je ein Team aus Australien, China, den USA, Frankreich, Grossbritannien und Frankreich kämpft an zwei Regattatagen in je fünf kurzen Läufen um das Preisgeld. „Im Segelsport beginnt in jeder Hinsicht eine neue Ära“, konstatiert Billy Besson. „Dieser One-Design-Katamaran entspricht der Formel 1 des Segelsports, die Parallelen sind offensichtlich. An der ersten Boje zu wenden ist wie die erste Kurve am Grand Prix von Monaco zu nehmen. Da müssen die Piloten extrem wachsam und genau sein. Wie ein Formel- 1-Fahrer kann man sich keine Sekunde ausruhen.“
Marie Riou, Bessons Vorschoterin auf dem Nacra 17 und seine Taktikerin auf dem F50, ist die einzige Frau am SailGP. Mit einem Grinsen spinnt sie seinen Vergleich weiter: „Wie Jean Alesi sollte man sich davor hüten, ins Kiesbett zu rauschen, das heisst von der Strecke abzukommen. Sonst heisst es zurück in die Box und Punkte ade! Die F50 sind Formel-1-Boliden ohne Sicherheitsgurt und ohne Airbag!“

Zirkus auf dem Wasser

ES-0583Am Steuer der Foiler stehen lauter Weltklassesegler. Sie machen um ihre ellenlange Erfolgsliste, die den Auszeichnungen eines sowjetischen Feldwebels würdig sind, aber kein Aufhebens. „Jeder Skipper mit einem WM-, Olympia- oder America’s-Cup-Sieg verfügt über einen kolossalen Erfahrungsschatz. Jeder einzelne ist ein potenzieller Roger Federer“, sagt der Schweizer Regattachef Julien Di Biase (40). „Den F50 zu steuern ist, als würde man mit einer Hand am Steuer auf dem Fenstersims des Autos sitzen und mit 90 Sachen über die Autobahn brettern.“ Der ehemalige Organisator des America’s Cups gehört zu den Machern der neuen Ära, die er mit grosser Begeisterung unterstützt: „Für jeden Mann an Bord ziehen an Land zehn andere die Fäden. Die grosse Familie reist wie ein Zirkus weiter und bereitet sich einmal vor Ort auf die grosse Show vor. Ich liebe diese Atmosphäre!“
Tom Slingsby, der Skipper des australischen Teams, bestätigt: „Klar fliegen unsere Boote, aber um sie zu einem bestimmten Zeitpunkt möglichst schnell voranzutreiben, müssen wir mit den Füssen am Boden bleiben, die Nase in den Wind halten und mit den Augen das Wasser in einem Umkreis von 360 Grad absuchen. Das ist Segeln in seiner reinsten Form. Da sind ultrafeine, sekundenschnelle Analysen und Entscheidungen gefordert.“ Slingby nutzte übrigens seinen Heimvorteil in der Bucht von Sydney und gewann am 16. Februar souverän die erste Etappe.
Der Skipper des japanischen Teams Nathan Outteridge bläst ins gleiche Horn wie sein Landsmann: „Es geht nicht darum, an jeder Regatta einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen. Schliesslich bricht auch niemand die Bestzeit im 100 Meter Brust oder 100 Meter Freistil im Olympia-Finale! Aber ja, man muss im entscheidenden Moment möglichst schnell sein und gleichzeitig die Angriffe der von rechts und links kommenden Gegner abwehren. Wir dürfen uns nicht vom Geschwindigkeitspotenzial unserer Boote mitreissen lassen. Wir sehen uns deshalb aber nicht als Konkurrenten des America’s Cups. Unser Grundgedanke besteht vielmehr darin, möglichst viele Leute für den Segelsport zu begeistern.“
Auch der Neuseeländer Russell Coutts (56), einer der Väter des SailGP und lebende America’s-Cup-Legende, möchte die Rennserie nutzen, um den Segelsport besonders in China und Japan weiterzuentwickeln.

Ein Schweizer Team?

DBG27277Kaum hatten die beiden Foils die Ziellinie durchschnitten, brach der Zirkus seine Zelte ab und zog weiter. In weniger als sieben Tagen wurden die 15 Meter langen Rümpfe mit dem starren, 24 Meter hohen Flügelsegel, den drei Ersatzsegeln und den zwei Foilersets wie Legos auseinandergenommen und per Cargo zur zweiten Etappe nach San Francisco verschifft. Anschliessend werden die 64 Container mit dem Zug zur dritten Etappe nach New York gebracht.
Dazwischen kehrt Billy Besson an den Lac d’Annecy zurück, Marie Riou reist von den Gipfeln der Alpe d’Huez in die Bretagne und Julien Di Biase macht am heimischen Genfersee fest. Christy Cahill, die Kommunikationschefin des SailGP, fliegt nach San Francisco, ihr Assistent Sacha nach Deutschland und Russell Coutts in seine Heimat Neuseeland, wo er den letzten Feinschliff am nächsten F50 überwacht: „Er wird in nur einem Jahr gebaut. An wen wohl der nächste geht? Die Gespräche sind im Gang“, meint Coutts geheimnisvoll. Gerüchten zufolge sollen sich drei Länder, darunter auch die Schweiz, um das Boot streiten. 2020 wird mit einer sechsten Etappe in Südchina eine siebte Nation hinzukommen. „Wir können eine Flotte aus acht bis zehn Booten managen“, schätzt Julien Di Biase. „Mehr wäre aus Sicherheitsgründen kompliziert. Aber nichts ist unmöglich.“ Wer hätte gedacht, das eine solche internationale Organisation mit Stützpunkten in London und San Francisco, unzähligen Beteiligten an Bord und an Land und 20 Nationen, die mit ihren Boliden rund um den Globus reisen und uns in neue Sphären entführen, so gut funktioniert?“

Sydney: die Australier gewinnen Premiere

Vor 20’000 Zuschauern blieben die australischen Steuermänner in ihrem Heimrevier vor der Oper von Sydney Herr der Lage. „Trotz wenig Wind haben wir unsere Sache gut gemacht, das Publikum hat uns regelrecht zum Sieg getragen“, jubelten das „Känguru“ Tom Slingby und der „Japaner“ Nathan Outteridge. Sie räumten aber ein, dass ihre Teams über die meiste Praxis verfügen. „Wenn auch die anderen so viele Stunden auf dem Wasser verbracht haben, müssen wir uns in Acht nehmen!“

Zwischenklassement

  • 1. Australien, 48 Punkte
  • 2. Japan, 45 Punkte
  • 3. Grossbritannien, 36 Punkte
  • 4. China und Frankreich, 33 Punkte
  • 6. USA, 31 Punkte

Nächste Etappen

  • San Francisco, 4.-5. Mai
  • New York, 21.-22. Juni
  • Cowes, 10.-11. August
  • Marseille, 20.-22. September

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