Seit 2010 vereint die Karibikregatta Voiles de Saint-Tropez jedes Jahr ein internationales Plateau aus unterschiedlichsten Seglern. Sie liefern sich auf grossen und kleinen, alten und jungen Booten hart umkämpfte Rennen. Mitten im Gedränge: zwei völlig unterschiedliche Schweizer Teams.
Die Voiles de Saint-Barth sind so etwas wie das karibische Pendant der Voiles de Saint-Tropez, nur ohne die klassischen Boote, dafür aber mit perfekten Segelbedingungen. Seit zehn Jahren profitiert die Regat- Voiles de Saint-Barth Regattasegeln unter traumhaften Bedingungen ta von 12 bis 25 Knoten Wind, 22 Grad warmem Wasser, Sonne und, damit es nicht zu langweilig wird, hie und da einem Gewitter. Der zerklüfteten Küste sind viele kleine Felsinseln vorgelagert, sodass die Organisatoren eine Vielzahl ufernaher Regattabahnen auslegen können, die sämtliche Kurse abdecken, mit Standorteffekten und Strömungen spielen und vor der Küste am Wind teilweise starken Wellengang bieten. Wer diesem fordernden Regattarevier gewachsen sein will, muss hochkonzentriert bei der Sache sein.
Das Teilnehmerfeld umfasst viele Teams aus Nordamerika, die von der in dieser Jahreszeit noch kältegeplagten Nordostküste anreisen, sowie Kanadier, Engländer, viele Festlandeuropäer und regionale Crews aus Antigua, Sint Maarten, Martinique und Guadeloupe. Die Regatta gehört zum Programm mehrerer Hochseesegler. Einige starten mit denselben Racern, mit denen sie schon die Route du Rhum bestritten haben.
Zwei Schweizer mit ungleichem Profil
An dieser Jubiläumsausgabe waren auch zwei Schweizer Teams dabei. Sie stehen stellvertretend für zwei Extreme: Die einen kommen, um zu gewinnen, die anderen, um Erfahrung zu sammeln und Spass zu haben. Franco Niggeler, Eigentümer der Kuka 3, gehört zur ersten Kategorie. Er war nach seinem 1. Platz an der Transat RORC und einem 5. Platz an der RORC Caribbean 600 mit klaren Siegesabsichten angereist. Sein Plan ging auf. Mit fünf Laufsiegen und einem 3. Platz (wegen einer Reusenschnur, die sich in den Rümpfen verheddert hatte) feierte er einen souveränen Sieg bei den CSA1, der Klasse der grössten Boote. Franco NIggeler ist von seiner Cookson 50, einer Farr-Jacht mit Schwenkkiel, hell begeistert. «Das Boot hat ein gutes Geschwindigkeitsrating. Es ist bei allen Bedingungen gut unterwegs, was auf hoher See wichtig ist, und hat weder mit dem IRC- noch mit dem CSA-Rating Probleme.» Ausserdem könne er damit fahrtensegeln, sagt er und fügt schmunzelnd hinzu: «Hier in St. Barth schläft aber niemand an Bord.» In Saint-Barth trat er erstmals mit einem Team an, das hauptsächlich aus Freunden bestand, mit denen er sonst in der AClass segelt. Ein hochkarätiges Team im Einklang mit dem Niveau der Regatta, wie er betont. «Saint-Barth ist ein sehr sympathischer Anlass und renntechnisch seriöser als die Antigua Sailing Week oder die Sint Maarten Heineken Regatta. Hier ist das Niveau sehr hoch, die Teilnehmer kommen, um zu regattieren.» Am nächsten Fastnet wird die Kuka 3 gegen sieben andere Cookson 50 antreten, wahrscheinlich aber bei deutlich weniger amüsanten Bedingungen.
Regattahungrig war natürlich auch das Team der klassischeren Kali, dem zweiten Boot unter Schweizer Flagge. Die First 47.7 gehört dem Swiss Ocean Racing Club (SORC) und wird von Benedikt Clauberg gesteuert. Als Teamchef leitete er eine Crew aus internationalen Rookies, die sich im Lauf der Woche merklich steigerten. Mit dieser Lösung können Segler, die kein eigenes Boot haben oder nicht unbedingt das Niveau für ein Topteam mitbringen, an Regatten teilnehmen, unter kompetenter Führung Erfahrung sammeln und Spass haben. Kali war in den letzten drei Jahren als Renn- oder Schulboot im Dauereinsatz. Sie hat eine ganze Saison in der Karibik verbracht und wird jetzt auf dem Seeweg nach Lissabon zurückkehren, wo sie in einer Werft auf Vordermann gebracht wird. Benedikt Claubergs nächster Streich folgt ebenfalls am Fastnet. Dort wird er im Rahmen der Segelkurse des SORC eine VOR65 steuern.
Rasante Runs
Die Ranglisten werden zwar nach berechneter Zeit erstellt, reine Temporuns stehen aber ebenfalls auf dem Programm. An der Richard Mille Record Trophy zum Beispiel geht es im Rekordtempo von Saint-Barth nach Sint Maarten und zurück. Dort liefern sich die Maxi-Jachten und die Multis denkwürdige Rennen. Am schnellsten waren dieses Jahr die Maxi Scallywag (ehemals Ragamuffin 100) und der erstaunliche Bieker- 53-Katamaran Fujin. Sie liessen der Konkurrenz auch sonst keine Chance und segelten an allen Regatten als erste ins Ziel. Beide nutzten die guten Bedingungen für bombastische Zeiten: 2 Stunden, 33 Minuten und 53 Sekunden für die vom Australier David Witt gesteuerte Dowell 100 und nur knapp drei Minuten mehr für den Katamaran Fujin von Greg Slyngstad (USA). Fujin verblüfft nicht nur optisch mit seinen slipperförmigen Rümpfen, sondern auch mit seinen Leistungen in Echtzeit und nach berechneter Zeit. Er ist extrem leicht und kann fulminant beschleunigen, gleicht aber doch mehr einem Dayboot als die deutlich komfortableren Gunboats. Bei den Offshore-Katamaranen, die mehrheitlich die letzte Route du Rhum gesegelt sind, feierten die beiden Boote aus der Werft Marsaudon Composites Guyader Gastronomie von Christian Guyader und Hallucine von Régis Guillemot souveräne Siege.
Den begehrtesten Preis, den Richard Mille Maxi Cup für die beste Maxi-Jacht, holte sich mit sechs Siegen in sechs Läufen die Sorcha. Der von Judel Vrolijk entworfene 72-Füsser des Briten Peter Harrison wurde vom Schirmherrn der Voiles de Saint-Barth 2019 Pierre Casiraghi gesteuert. Der Vertreter der monegassischen Fürstenfamilie ist ein begeisterter Segler und versteht sein Handwerk, egal, ob als Skipper der Tuiga, dem Flaggschiff des Yacht Club de Monaco, wo er als Vizepräsident waltet, auf seiner sportlichen GC32 Maliza oder auf einer Hightech-Jacht wie der Sorcha. An der nächsten Transat Jacques Vabre will er einen weiteren wichtigen Schritt in seiner Offshore- Karriere wagen: Er nimmt mit dem Deutschen Boris Herrmann auf der IMOCA Malizia an der Hochseeregatta teil.
Die Eigner der Racer-Cruiser-Multis, die regelmässig in der Karibik gegeneinander antreten, beteiligen sich aktiv an der Definition von Vermessungsregeln, die es den sehr verschiedenen Booten ermöglichen soll, sich unter fairen Bedingungen miteinander zu messen. Das Projekt steht unter der Leitung von Larry Rosenfeld. Konkret geht es darum, unter Berücksichtigung des ORC letzte Hand an ein Instrument zu legen, das auf Basis eines VPP entwickelt wurde. In dieses sind die in den letzten drei Jahrzehnten erzielten Leistungen von zwanzig Booten eingeflossen.