Text: Sophia Urban
Mit der Berufung von 20 Seglerinnen und Seglern ins Elite Team, 13 ins Youth Team und 34 in den Talent Pool hat der SST-Selektionsausschuss die Weichen für die Olympischen Spiele 2024 in Paris gestellt. Abgesehen von der Aufnahme neuer olympischer Sportarten wie Kite surfen, Foilsurfen (iQFoil) und dem 470er Mixed betrifft die grösste Änderung die Führung. Nach elf Jahren an der Spitze von SST übergibt Tom Reulein seinen Posten an Christian Scherrer. «Blumi» hat das Ruder Anfang Januar als CEO übernommen. Das SST wurde neu organisiert, sodass Tom Reuleins Aufgaben in einer horizontaleren Struktur nun auf mehrere Mitarbeitende verteilt sind. Marco Brunner ist als neuer COO für das Operative und den Leistungssport zuständig. Er vertritt die Athletinnen und Athleten bei Swiss Olympic, der Schweizer Armee und der Schweizer Sporthilfe. Riccardo Giuliano amtet als Headcoach Junioren und übernimmt die Nachwuchsförderung. Marco Versari bleibt bei SST Leiter des Nationalen Leistungszentrums in Lausanne sowie Data und Technology Manager und Toni Otero setzt seinen Job als Headcoach fort. «Parallel zu meiner Rolle als CEO übernehme ich die Aufgabe des Teamleaders, dadurch habe ich einen besseren Überblick über das Management und die Teamherausforderungen», erklärt Christian Scherrer, der seit 2017 im Verwaltungsrat von SST sitzt. Er ist seit vielen Jahren in verschiedenen Funktionen im professionellen Segelsport tätig, als Profisegler und Organisator ebenso wie als Manager und Trainer. Neben seinem 60%-Job als CEO von SST setzt Blumi seine Tätigkeiten bei den GC32, bei Blueboats sowie als Trainer und Segler fort. Seine neue Aufgabe geht er mit grosser Begeisterung an: «Ich freue mich darauf, das Segelnationalteam zu den Olympischen Spielen zu führen und werde mit grosser Motivation und viel Herzblut bei der Sache sein.» Dass er national und international gut vernetzt sei, solle auch dem Team zugutekommen.
Bekanntes Terrain
Für die Athletinnen und Athleten ändert sich durch die Änderungen in der Führungsriege nichts. «Wir kennen Blumi gut und haben uns auch schon mit ihm ausgetauscht, seit er den Posten übernommen hat», sagt Maja Siegenthaler. Man müsse aus jeder Situation das Beste machen, fügt sie hinzu. «Ich bin gespannt, was uns die Neuorganisation bringen wird.» Die 470er-Vorschoterin hat zwei Olympische Spiele mit Linda Fahrni bestritten, musste jetzt aber von einer Steuerfrau zu einem Steuermann wechseln, da der 470er neu als Mixed-Klasse gesegelt wird. Fahrni/Siegenthaler und Mermod/Schübach bündeln ihre Kräfte und segeln fortan gemeinsam. «Natürlich wird es anders sein, nach 13 Jahren im gleichen Boot gegeneinander zu segeln», räumen sie ein, «es fühlt sich aber an, als würden wir ein einziges grosses Viererteam bilden, das für einen Nationenplatz für 2024 kämpft. Der einzige Moment, in dem wir uns wirklich als Konkurenntinnen gegenüberstehen werden, ist Olympia. Bis dahin ist an jedem Wettkampf genügend Platz für beide Boote! Wir sehen es als Chance, mit einem anderen Team zu trainieren und werden bestimmt grosse Fortschritte machen.» Wenn jemand die Seglerinnen und Segler gut kennt, dann Marco Brunner. Er kümmert sich seit 2009 um die Logistik und freut sich auf seine Aufgabe als COO. «Die Olympiakampagne ist sehr kurz, da ist Qualität bei der Vorbereitung besonders wichtig», betont er. Entsprechende Massnahmen wurden bereits getroffen: «Wir haben unsere Container im Jachtclub Pointe Rouge in Marseille aufgestellt und wollen so oft wie möglich dorthin fahren, um die Wind, Strömungs- und Lebensbedingungen vor Ort so gut wie möglich kennenzulernen.» Christian Scherrer und Marco Versari arbeiten seit Anfang Januar zusammen und können der neuen Dynamik schon jetzt viel Positives abgewinnen: «Ein neuer Blick von aussen ist immer gut und kann interessante Erkenntnisse bringen. Die Dinge zu hinterfragen lohnt sich immer. Wir wollen als Verband, aber auch als Partner näher an die Seglerinnen und Segler und an den Trainerstab rücken.»
Die Zukunft vorbereiten
Die neue Organisation blickt über Paris hinaus, sie hat bereits Los Angeles 2028 im Visier.
Rosine Baudet ist in die Schweizer Armee eingetreten, damit sie sich unter den besten Bedingungen vorbereiten kann. «Paris ist natürlich ein Traum, Los Angeles ist aber realistischer»,
sagt sie. «Ich habe mich vor Kurzem in der Armee verpflichtet, so habe ich die Möglichkeit
zu segeln und gleichzeitig etwas zu verdienen. In der Schweiz ist das alles andere als selbstverständlich! Nach der RS kann ich 130 Tage im Jahr segeln und erhalte je nach Anzahl WKs
einen Lohn.» Bis Olympia ist es noch ein weiter Weg, auf dem die Seglerinnen und Segler viel Unterstützung brauchen. Zeit, sich auszuruhen, bleibt aber keine. «2024 ist morgen, die Uhr tickt!», sagt Rosine Baudet. «Die Vorbereitung ist eine Frage der Teamarbeit, der Koordination mit den Beteiligten wie Clubs, Partner und Familien, aber auch der finanziellen Unterstützung.»
Sie weiss: «Um Erfolg zu haben, muss ich mehr Sponsoren finden und mein Budget erhöhen».
Möglichst oft auf dem Wasser trainieren
Eine der wichtigen Stützen ist Toni Otero. Er betreut das Team bis 2024 als Headcoach. Zur
Optimierung der Vorbereitungen werden einige neue Konzepte getestet. Blumi Scherrer: «Wir haben Teamtrainings eingeführt, die von unseren Nationaltrainern geleitet werden und Seglerinnen und Segler verschiedener Niveaus zusammenbringen. Ausserdem müssen wir mehr Zeit auf dem Wasser trainieren. Das Nationale Leistungszentrum in Lausanne wird dabei eine zunehmend wichtige Rolle spielen, insbesondere in den Bereichen Konditions-, Mental- und Segeltraining sowie mit wissenschaftlich-sportlichen Projekten. Der letzte wesentliche Punkt der Kampagne ist unsere Basis in Marseille.»
Nach der fünfjährigen Olympiakampagne für Tokio, die mit einem vierten Platz belohnt wurde, scheint im Swiss Sailing Team ein frischer Wind zu wehen. In zweieinhalb Jahren wird sich zeigen, ob sich die Neuorganisation bewährt hat und die Schweiz nach 54 Jahren endlich wieder eine olympische Medaille nach Hause bringt.