Mit Oliver Heer peilt ein weiterer Schweizer die Vendée Globe 2024 an. Der Offshore-Profi aus Rapperswil strebt auf der ehemaligen Gitana 80 eine Top-Platzierung unter den nicht-foilenden Booten an. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Wir haben mit ihm gesprochen.
Interview: Walter Rudin
hre Segelkarriere hat wie bei vielen jungen Schweizer Segelbegeisterten begonnen: vom Vater in den Opti gesteckt, das Rüstzeug im heimatlichen Jachtclub erworben und dann an Regatten im In- und Ausland das Niveau gesteigert. Aber nicht alle schaffen es, in der Offshore-Szene Fuss zu fassen. Wie hat das bei Ihnen funktioniert?
Meine ersten Erfahrungen im professionellen Segelsport sammelte ich während eines Austauschjahrs in Asien auf einer TP52. Dort wurde mir bewusst, dass man seinen Lebensunterhalt durchaus mit Segeln verdienen kann. Nachdem mein Vater 2014 viel zu früh verstorben war, stellte ich meinen Lebensweg in Frage und entschied mich zu einem Karrierewechsel. Ich hängte meinen Bürojob an den Nagel und reiste nach England, um die Ausbildung zum Yachtmaster zu absolvieren. Mit viel Einsatz und einem klaren Ziel vor Augen konnte ich mich stetig verbessern und an Offshore-Regatten schon bald meine ersten Erfolge feiern.
Obwohl Sie bei namhaften Teams mitgesegelt sind, blieben Sie lange im Hintergrund. Sie waren vier Jahre Boat Captain und Co-Skipper auf der IMOCA 60 Hugo Boss von Alex Thomson. Das war bestimmt ein ideales Umfeld, um Erfahrungen zu sammeln?
Ja, das war es wirklich! Als Schweizer ist es nicht einfach, im Einhand-Segelsport Fuss zu fassen. Segeln gehört zu den Randsportarten und meist fehlt es an finanzieller Unterstützung. Unter diesen Umständen den traditionellen Weg via Mini 6.50, Figaro und Class40 einzuschlagen ist extrem schwierig. Ich habe mich bewusst für einen anderen Weg entschieden, indem ich im Hintergrund für verschiedene Kampagnen gearbeitet habe und dadurch sowohl im seglerischen als auch im technischen Bereich unheimlich viel von den Besten der Welt lernen konnte. Insgesamt bin ich über 50 000 Seemeilen auf der Hugo Boss gesegelt.
«Die Teilnahme an der Vendée Globe ist die ultimative Herausforderung und mein Kindheitstraum.»
Jetzt haben Sie den Sprung gewagt und Ihre eigene Kampagne für die Vendée Globe 2024 gestartet. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Ich träume schon lange von einer Teilnahme an der Vendée Globe. Wirklich konkret wurde es letztes Jahr, als ich mit Alex Thomson von Kapstadt nach England gesegelt bin. Wenn man zusammen fast einen Monat auf engstem Raum auf einem Schiff verbringt, tauscht man sich über alle möglichen Themen aus. Eines Tages fragte er mich, ob und wann ich meine Vendée-Kampagne starte, eigentlich sei ich bestens positioniert, um ein eigenes Projekt aufzugleisen. Ich hatte auf dieser Fahrt viel Zeit zum Nachdenken und habe mich schliesslich dafür entschieden. Natürlich habe ich zuerst meine Frau und meine Mutter um Erlaubnis gebeten, denn ich weiss, wie schwierig es für den engsten Familienkreis ist, wenn sich jemand zu 110 Prozent für die Vendée Globe engagiert.
Sie konnten die ehemalige Gitana 80, eine Farr-Jacht aus dem Jahr 2007, von Ihrem Landsmann Beat Fankhauser übernehmen, da er seine eigene Kampagne auf Eis legen musste. Ein Glücksfall?
Einer meiner Leitsätze ist: «Luck is when preparedness meets opportunity» und ich denke, dass dies im Fall der Gitana 80 voll und ganz zutrifft. Dank einer Gruppe von Investoren hatte ich die finanziellen Mittel für den KIMOCA schon früh im Jahr zusammen, aber mir fehlte das richtige Schiff. Ich hatte mir verschiedenste IMOCAs angeschaut, war aber nie voll und ganz von den Jachten überzeugt. Eines Tages sah ich auf Social Media, dass Beat seine Kampagne stoppen musste. Ich rief ihn sofort an und teilte ihm mein Interesse für das Schiff mit. Nachdem ich es in Frankreich besichtigt hatte, leistete ich eine Anzahlung und schloss wenig später den Vertrag ab.
Welche Veränderungen planen Sie am Boot?
Das Schiff wurde in den letzten Jahren von vielen guten Teams gesegelt und ist in sehr gutem Zustand. Offshore-Jachten sind immer ein Kompromiss zwischen Performance und Verlässlichkeit. Für die erste Kampagne steht die Verlässlichkeit im Vordergrund, das halten wir uns bei allen technischen Entscheidungen vor Augen. Ich wurde schon mehrmals gefragt, ob ich plane, das Schiff mit Foils auszurüsten. In meiner Situation denke ich nicht, dass dies Sinn macht, da das erhöhte Risiko in keinem Verhältnis zum Performancegewinn steht.
Wie weit sind Sie mit der Finanzierung?
Wir sind noch immer auf der Suche nach einem passenden Hauptsponsor, der unsere Werte und unsere Vision teilt. In den letzten Wochen ist uns klar geworden, dass zwar sehr viele KMUs an unserer Kampagne interessiert sind, jedoch nicht über das Budget eines Hauptsponsors verfügen. Um auch kleineren Unternehmen eine Möglichkeit zu bieten, uns zu unterstützen und von der Plattform Gebrauch zu machen, haben wir den OHOR Club ins Leben gerufen.
Ihre Roadmap hat schon sehr konkrete Züge angenommen.
Verraten Sie uns doch etwas über Ihre Vorbereitung. Ich verbringe so viel Zeit wie möglich auf dem Schiff. Für dieses Jahr haben wir uns vorgenommen, an drei Regatten teilzunehmen. Den Auftakt macht das Sevenstar Round Britain and Ireland Race, das ich mit einer Crew segeln will. Ich habe gute Erinnerungen an diese Regatta, da ich die letzte Austragung gewonnen habe. Im Herbst steht dann das Defi Azimut Race an, bevor wir nach St. Malo an den Start der Route du Rhum gehen.
Ihr langfristiges Ziel besteht darin, die Vendée Globe zu gewinnen. Ist das realistisch?
Ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch und brauche hochgesteckte Ziele, um maximal motiviert zu bleiben. Es wäre absolut unrealistisch, an einen Sieg an der nächsten Vendée Globe zu glauben. Langfristig denke ich aber, dass alles möglich ist. An der letzten Vendée Globe lag das Durchschnittsalter der Teilnehmenden bei 42 Jahren, ich bin erst 33. Da bleibt mir doch noch sehr viel Zeit.