Text : Walter Rudin
Die diesjährige Rund Um Bodensee war weitgehend von Flaute geprägt. Der Österreicher Fritz Trippolt auf Skinfit gewinnt nach fast 14-stündiger Fahrt im Schlussspurt gegen Orange Utan und Green Horny.
Die Vorfreude war gewaltig: Endlich wieder eine richtige Rund Um! Nachdem die Ausgabe 2020 Corona zum Opfer gefallen war und es 2021 erst im Herbst eine verkürzte Tagesregatta gab, waren die Seglerinnen und Segler rund um das Schwäbische Meer besonders heiss darauf, die traditionsreiche Langstreckenregatta endlich wieder einmal im gewohnten Format zu absolvieren. Die Voraussetzungen liessen Hoffnungen auf einen tollen Event aufkommen. Herrliches Sommerwetter mit wolkenlosem Himmel, gute Sicht in der Nacht bei fast Vollmond und milde Temperaturen sorgten für den perfekten Rahmen. Zu einer Segelregatta gehört aber eben auch Wind und damit haperte es gewaltig; die weitgehende Flaute liess die Regatta zur Stehparty verkommen.
Traditionsgemäss fiel am Freitag nach Fronleichnam Punkt 19.30 Uhr vor dem Lindauer Hafen der Startschuss zur 71. Rund Um. Gut 250 Boote, teils liebevoll restaurierte Klassiker, teilweise etwas in die Jahre gekommene Fahrtenjachten, aber auch schnelle Racer auf ein oder zwei Rümpfen schlichen mit einem letzten Hauch Abendthermik über die Startlinie. Einige suchten Wind auf Steuerbordkurs Richtung Insel, andere versuchten ihr Glück Richtung Rheinmündung, doch ohne entscheidenden Vorteil. Es war ein Start in die Flaute.
Schweizer Kats im Schuss
Das grosse Blaue Band wird gewöhnlich von einem der schnellen Katamarane gewonnen und da mischten Schweizer Crews in den letzten Jahren erfolgreich mit. 2018 gab es gar einen Schweizer Doppelsieg und 2019 belegten Schweizer Mehrrümpfer die Plätze 2 bis 4. Für die diesjährige Ausgabe waren vier Katamarane mit rot-weisser Flagge gemeldet: Albert Schiess mit dem Holy Smoke, Armin Schmid auf Sonnenkönig, Sammy Smits mit dem Green Horny und Hans-Joerg Etter auf Rocket.
Zu Beginn der Regatta sah es gut aus für die Schweizer Kat-Segler. Nach etwa zwei Stunden setzten sich Green Horny und Sonnenkönig ganz im Süden ab und passierten mit grossem Vorsprung die erste Wendemarke in Romanshorn. Dort blieben sie aber in einem Flautenloch stecken und mussten zusehen, wie die Gegner aufschlossen.
Stop and go
So blieb es eigentlich die ganze Nacht. Es glich einer Lotterie, wer wann wo etwas Wind erwischte und ein bisschen vorwärtskam. Die Regattaleitung entschied schon früh, die Bahn zu kürzen, was allerdings nicht für die Katamarane galt. Sie mussten sich bis nach Überlingen quälen und auch auf dem Rückweg änderte sich kaum etwas. Erst morgens gegen sechs Uhr konnte sich Tom Rüegge am Steuer des deutschen SL32 Orange Utan vor Immenstad scheinbar entscheidend absetzen. Der Skipper hatte es eilig, er wollte an diesem Samstag mit dem Team der SV Kreuzlingen an Act 2 der Swiss Sailing Super League teilnehmen, da wurde es langsam Zeit, sich auf den Weg zu machen.
Daraus wurde aber nichts, der Wind flaute wieder ab. Die Konkurrenten überholten Orange Utan sogar und parkierten dann gemeinsam vor Langenargen. Inzwischen hatte sich das Team des Green Horny ganz nahe am Schweizer Ufer durchgemogelt und lange sah es so aus, als würde es einen ungefährdeten Sieg landen. «Wir haben hinten gelegen und mussten einfach etwas anderes versuchen. Deshalb wählten wir die andere Seeseite», meinte Skipper Sammy Smits.
Sieg für Skinfit
Plötzlich kamen die österreichische Crew mit Fritz Trippolt auf Skinfit und Orange Utan auch von Norden her in Fahrt. Der Südwind frischte auf, das Trio setze zum Schlussspurt an. Da der Décision35 Skinfit an der Kreuz mehr Speed generieren konnte, übernahm er nach über 15 Stunden erstmals die Führung und distanzierte die beiden Verfolger bis zum Ziel um mehrere hundert Meter. Das grosse Blaue Band ging dieses Jahr nach Österreich, Skinfit siegte zwei Minuten vor Orange Utan. «Es ist schon etwas frustrierend. Wir hatten uns sehr gut vorbereitet, konnten unseren grössten Konkurrenten 13 Stunden auf Distanz halten und auf dem letzten Kilometer entwischt uns der Sieg», konstatierte der Zweitplatzierte Tom Rüegge. «Taktik hat bei dieser Austragung kaum eine Rolle gespielt, der Wind war auf dem Wasser praktisch nie zu erkennen, es war pures Glück, ob man Wind hatte oder nicht.» Er habe noch keine Rund Um erlebt, bei der den Teilnehmenden so viel Geduld abverlangt wurde.
Nur zehn Sekunden nach dem Zweitplatzierten kreuzte Green Horny die Ziellinie. Skipper Sammy Smits, der lange wie der sichere Sieger ausgesehen hatte, nahm es sportlich: «Es ist schon komisch, wenn dreissig Meter neben dir einer mit voller Speed durchfährt und du hast keinen Hauch Wind, aber so ist es halt und es war für alle gleich. Wir hatten trotzdem sehr viel Spass, haben uns im Team toll verstanden und freuen uns, dass unser Ventilo M2 so gut läuft. Das ist auch unserem Coach Daniel Schroff zu verdanken, der nicht nur Topmaterial liefert, sondern uns auch super berät.» Immerhin konnte sich die Crew des Green Horny mit dem Sieg nach berechneter Zeit trösten. Albert Schiess auf Holy Smoke und Hans-Joerg Etter auf Rocket gaben das Rennen auf. Sonnenkönig kam weit abgeschlagen ins Ziel, nachdem er vor Nonnenhorn dem Flautenloch einfach nicht entrinnen konnte. Später wurde er gar noch disqualifiziert. In der ORC-Klasse sorgte Stefan Süss vom YC Kreuzlingen auf Falcon für einen Schweizer Sieg.
Neue Startzeit
Von den 256 gestarteten Booten kam bis Samstagabend dank etwas besseren Verhältnissen immerhin gut die Hälfte ins Ziel. Für die nächste Austragung der Rund Um sind einige Änderungen vorgesehen: «Wir möchten den Start vorverlegen und damit mehr Booten eine Rückkehr während der Nacht ermöglichen. Damit soll in Lindau im Hafen mehr Zeit bleiben, um ausgiebig zu feiern und Seemannsgarn zu spinnen», so Rolf Schlett, Kommunikationsbeauftragter des Lindauer SeglerClubs. Skippers wird in der Frühlingsausgabe über die geplanten Neuerungen informieren