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ILCA6-Weltmeisterschaft – Maud Jayet: Silber, das Gold wert ist

by Quentin Mayerat

In Texas hinterliess die Waadtländerin einen bleibenden Eindruck. Sie holte an der ILCA6-WM mit einer gigantischen Leistung Silber und setzte damit ein grosses Ausrufezeichen auf dem Weg zu Olympia 2024 in Paris.

Text: Grégoire Sudez

Zum ganz grossen Glück fehlte nicht viel. Maud Jayet segelte in Texas ihre besten Schläge und erzielte hochverdient ihren bisher grössten Erfolg. Die 26-jährige Waadtländerin wurde Vizeweltmeisterin auf dem ILCA 6, dem früheren Laser Radial. Mit diesem Riesenerfolg in der Königsdisziplin des olympischen Segelsports setzt sie den Grundstein für eine erfolgreiche
Zukunft. Sie sei ganz anders an den Wettkampf herangegangen als sonst, verrät sie. «Ich habe es geschafft, Druck wegzunehmen, indem ich mich nicht um Ranglisten scherte. Natürlich kannte ich meine Laufergebnisse, hatte aber keine Ahnung, wo ich in der Gesamtwertung stand. In der Vergangenheit hat mir die Klassierung oft Kopfschmerzen bereitet und ich habe mich in Berechnungen verloren. Das hat mich vom Wesentlichen abgelenkt.»

MAUD JAYET (LINKS) AUF DEM PODEST MIT DER SIEGERIN ANNE-MARIE RINDOM AUS DÄNEMARK UND DER DRITTPLATZIERTEN EMMA PLASSCHAERT AUS BELGIEN @zVg

Mit der so gewonnenen inneren Ruhe konnte sie sich bis zum letzten Schlag auf ihr Rennen konzentrieren und schaffte es fast ganz nach oben aufs Podest. Statt zu grübeln, konnte sie ihre Strategie voll und ganz umsetzen: «Ich bin eine Wettfahrt nach der anderen angegangen und habe mich darauf fokussiert, was ich gut kann», meinte sie zufrieden. «Mein einziger Gedanke war: gut segeln. Wenn ich mir die Schlussrangliste und die extrem geringen Abstände der Frauen hinter mir anschaue, war es wohl eine gute Idee, nicht zu wissen, welche Platzierung ich erreichen musste, um aufs Podest zu fahren.»

In Texas waren die weltbesten ILCA6-Seglerinnen anwesend. «Das gesamte Podest von Tokio war da», bestätigt Maud. «Eine WM-Medaille ist immer wertvoll, aber hier hat sie nochmals
einen ganz anderen Stellenwert bekommen.» Mit 67 Punkten klassierte sich die Lausannerin direkt hinter der überlegenen Dänin und amtierenden Olympiasiegerin Anne-Marie Rindom (47 Pkt.) und vor der Belgierin Emma Plasschaert (69 Pkt.). Vor allem aber liess sie Topseglerinnen wie die Silbermedaillengewinnerin von Tokio Josefin Olsson (SWE, 4., 87 Pkt.) und die Niederländerin Marit Bouwmeester (9., 97 Pkt.), die zwei WM-Titel und drei Olympiamedaillen (Gold, Silber, Bronze) vorweisen kann, hinter sich.

Nach einer Reihe von Top-10-Platzierungen hegte Maud Jayet berechtigte Hoffnungen auf eine gute Platzierung. Sie wusste aber nie, wie nah sie wirklich an einem Exploit war, und zog einfach ihr Ding durch. Insgesamt wurden zwölf Läufe mit zwei Streichresultaten absolviert. Neunmal schaffte es die Waadtländerin unter die ersten zehn. «Die Konstanz war der Schlüssel zum Erfolg», ist sie sicher. «Ich war solide, obwohl ich manchmal etwas zu vorsichtig gestartet bin. Ich habe in keinem Lauf aufgegeben und konnte immer Plätze gutmachen.»

VOLLER EINSATZ: MAUD JAYET MUSSTE SICH INS ZEUG LEGEN, UM DIE ALLERERSTE WM-MEDAILLE IN DER LASERKLASSE FÜR DIE SCHWEIZ ZU HOLEN. @Jesus Renedo

In Galveston befand sich Maud Jayet in einer Blase. Eine Mentaltrainerin von Swiss Sailing betreute sie während des gesamten Wettkampfs bis zur letzten Regatta am 16. Oktober, wo sie sich mit einem dritten Platz die Silbermedaille sicherte, die für den Schweizer Segelsport Gold wert ist. «Das ist ein historisches Ergebnis und ich bin super stolz darauf», freute sich die strahlende Zweitplatzierte. «Es ist auch eine schöne Belohnung für all die Trainingsstunden in den letzten Jahren. Und vor allem ist es eine riesige Motivation für die Spiele in Paris. Ich weiss jetzt, dass ich in zwei Jahren ernsthaft um eine Medaille kämpfen kann.»

Die Seglerin der SNG will die negativen Erfahrungen der Olympischen Spiele in Tokio so schnell wie möglich aus ihrem Gedächtnis streichen. Das Regattarevier lag ihr noch nie und die Coronamassnahmen haben ihr aufs Gemüt geschlagen und das Fest verdorben. Es seien eigentlich keine Olympischen Spiele gewesen, befindet sie und ist fest davon überzeugt, dass es in Marseille ganz anders sein wird. «Ich mag das Regattarevier, wir kennen es alle gut. Dank des Verbands haben wir eine feste Basis in Pointe Rouge, wo wir unter besten Bedingungen trainieren können. Ich habe dieses Jahr bereits mit einem zweiten Platz bei einem erstklassig besetzten Wettkampf bewiesen, dass ich mich am zukünftigen Austragungsort der Spiele wohlfühle.»

Vieles ist Kopfsache und mental scheint Maud Jayet auf dem richtigen Weg. Sie hat ihr Gleichgewicht offenbar gefunden. Die 26-Jährige hat ihr Jurastudium abgeschlossen und kann sich jetzt voll und ganz auf den Sport konzentrieren. Bis zu den Spielen will sie mehrere Tausend Stunden auf dem Wasser verbringen – aber nicht nur allein auf ihrer kleinen Jolle, denn die Erfahrung am Sail GP in diesem Jahr habe ihr zweifellos geholfen, Fortschritte zu machen, sagt sie. «Im Team zu segeln ist etwas völlig anderes. Vielfalt ist ein Mittel gegen Überdruss. Wenn ich nur auf dem Laser segeln würde, bestünde die Gefahr, dass ich meine Motivation verliere. Darunter würde natürlich auch meine Vorbereitung leiden. Ich hoffe daher, dass ich auch in der nächsten Saison mit Switzerland Sail GP segeln kann.»

DIE MENTAL STARKE VIZEWELTMEISTERIN LIESS SICH BIS ZUM LETZTEN
SCHLAG NICHT AUS DER RUHE BRINGEN.

Und wie sieht es mit dem America’s Cup aus? Alinghi Red Bull Racing möchte ja ein Frauenteam aufstellen. Da die Olympischen Spiele 2024 kurz vor dem America’s Cup stattfinden, wäre es termintechnisch wohl eher schwierig, beides unter einen Hut zu bringen. Das sieht auch Maud Jayet so: «Der AC40, auf dem der Women’s und den Youth America’s Cup ausgetragen werden, fordert viel Einsatz und Training. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das vor Olympia stemmen kann und konzentriere mich daher auf die Spiele, wo ich echte Medaillenchancen habe.»Nachdem Maud Jayet als erste Schweizerin (sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern) in der 1970 eingeführten Laserklasse eine WMMedaille gewonnen hat, sind ihre Olympiahoffnungen durchaus berechtigt. Das ganz grosse Glück ist in Reichweite.

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