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Belotti-Revival – Der Genfersee einmal anders

von Quentin Mayerat

Mit den korsischen Ankerplätzen sind wir bestens vertraut und auch das Insellabyrinth der Zykladen und die Buchten in Martinique bergen keine Geheimnisse mehr. Törns führen uns meist an exotische Ziele, die eine lange und umweltbelastende Anreise voraussetzen. Dabei müssten wir gar nicht in die Ferne schweifen, Segelglück finden wir auch vor unserer Haustür. Wir sind drei Tage mit einem legendären Schiff auf dem Genfersee gekreuzt und waren begeistert!

Text: Quentin Mayerat

Womit anfangen? Gar nicht so einfach den Einstieg zu finden, denn sowohl das Boot als auch das Revier verdienen unsere volle Aufmerksamkeit. Wir starten im Hafen Ouchy in Lausanne zu einem dreitägigen, speziell auf unsere Bedürfnisse zugeschnittenen Törn. Organisiert wurde er vom Maison Fert. Das historische Genfer Unternehmen feiert dieses Jahr sein 150-jähriges Bestehen und hat sich als Veranstalter massgeschneiderter, origineller und sorgfältig geplanter Reiseerlebnisse einen Namen gemacht. Wir haben beschlossen, den Genfersee von Lausanne bis Montreux und von Evian bis Genf auf einem ganz besonderen Boot neu zu entdecken. Der rasante Performance-Cruiser Belotti hat uns an die schönsten Orte gebracht.

Temporausch und guter Wein

Jeder Genfersee-Regattasegler über 30 ist der prachtvollen Mysphi 47 aus der Werft Décision & Denis Menetrey garantiert schon einmal begegnet. Sie wurde vom damaligen Firmenchef Jean-Claude Fert bestellt und 1995 zu Wasser gelassen. Die Belotti ist das Ergebnis eines unorthodoxen Kompromisses. Ihr Konstrukteur Sébastien Schmidt war 32 Jahre alt, als er die ersten Skizzen für dieses etwas verrückte Projekt anfertigte. Er kann sich noch gut erinnern: «Das Anforderungsprofil war klar. Wir sollten ein Boot zeichnen, dass den Regeln der ACVL-Vermessung entspricht und in der Lage war, die Bol d’Or zu gewinnen.» Da der zukünftige Eigner nicht auf den Komfort einer Fahrtenjacht verzichten wollte, musste sich der junge Designer etwas einfallen lassen. Dabei merkte er, dass Gewicht und Leistung einander nicht zwingend ausschliessen. «Damals stellten Fahrten- und Regattajachten Gegensätze dar, man musste sich entweder für das eine oder andere entscheiden», erklärt Sébastien Schmidt. Um den Wunsch unseres Kunden zu erfüllen, haben wir ausgerechnet, was einen Cruiser in einem Rennen am stärksten benachteiligt. Dabei haben wir festgestellt, dass das Gewicht, wenn es richtig platziert ist, keinen Nachteil für das Rating bedeutet. Ein kleiner Weinkeller in der Nähe des Ballast zum Beispiel war kein Problem, was uns natürlich freute», lacht der Konstrukteur, der in seiner Karriere bereits viele Racer entworfen hat, darunter die bekannten D35 sowie die Psaros 40 und 33.

Die Belotti ist in vielerlei Hinsicht aussergewöhnlich. Sie verspricht schnelle und dank XXL-Bett, grosser Küche, WC und geräumigem Salon äusserst komfortable Törns. Bereits bei 3 Knoten Wind kommt genauso viel Speed auf die Logge. Ihr Squaretop misst fast 100 Quadratmeter und ihr Mast 22 Meter. Dreissig Jahre nach den ersten Skizzen ist ihre Mischung aus Temporausch und Komfort auf unseren Binnenseen noch immer unerreicht. Zwar hat die Belotti ihre Glanzzeit heute hinter sich, ihre Regattaerfolge können sich aber sehen lassen. 1997 holte sie in ihrer Kategorie den ersten Platz an der Bol d’Or (9. in der Gesamtwertung) und gewann mit Denis Menetrey am Steuer die Translémanique en solitaire. Vor Kurzem hat sich Fert dazu entschlossen, ihr ein zweites Leben zu schenken und sie für spezielle Törns auf dem Genfersee einzusetzen.

Der Genfersee in drei Etappen

Mitten im Sommer sucht man vor Lausanne häufig vergeblich nach Wind. Das ist leider auch bei unserem Start in Ouchy nicht anders, weshalb wir die ersten Seemeilen zwar bei strahlendem Sonnenschein, aber unter Motor zurücklegen. An Bord werden uns Erfrischungen und Snacks gereicht. Sie passen zur Region, auf die wir zusteuern: Unser Bug zeigt Richtung Lavaux. Beim ersten leichten Aufbrisen hissen wir den asymmetrischen Spi. Mit seinen mehr als 200 Quadratmetern Fläche schiebt er die acht Tonnen schwere Belotti mühelos vorwärts. Das Boot gerät in Gleitfahrt. «Auf den Rumpf bin ich noch immer stolz», gesteht der Konstrukteur. «Er hat einen schmalen Langkiel und zwei recht kurze Ruderblätter, die Platz lassen, um ein Beiboot im Heck zu verstauen.» Auch das Rigg sei gelungen. «Dank des überdurchschnittlich hohen Masts erwischt die Belotti bereits die kleinsten Windstösse.»

An Backbord liegt Lutry, das Tor zu den terrassierten Lavaux-Weinbergen. Die fest an den steilen Hängen verwurzelten Rebstöcke reichen bis ans Seeufer. In der schweren Sommerhitze zieht die Landschaft träge vorbei. Wir ergeben uns unserem Schicksal und passen uns dem schwachen Wind an. Hinter Cully zeichnet sich die Dent de Jaman zunehmend schärfer vom Himmel ab. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass wir das obere Genferseebecken, den sogenannten Haut-Lac, erreicht haben. Wir lassen in unserem Kielwasser La Tour-de-Peilz. Vom Schloss am Wasser sind es nur ein paar Gehminuten bis in den malerischen Dorfkern. Bei Sonnenuntergang laufen wir in den Hafen Le Basset in Clarens ein. Sein Wahrzeichen ist die in den Damm integrierte Insel Salagnon mit der gleichnamigen Villa. Das unkonventionelle Anwesen wurde von einem französischen Ingenieur geschaffen, als er Ende des 19. Jahrhunderts den Aushub des Meillerie-Tunnels in den See schüttete, und nach dem Salz aus Burgund benannt, das damals in Clarens verzollt wurde.

Kaum sind wir von Bord gegangen, schon werden wir von den Fert-Teams umsorgt. Sie kümmern sich einfach um alles! Ein Taxi holt uns ab und bringt uns zu den besten Weinkellern, bevor wir den Tag im Restaurant Le Deck bei einem erstklassigen Abendessen und mit herrlichem Blick auf den Genfersee und die gegenüberliegenden Berge ausklingen lassen. Zweifellos eines der instagramfähigsten Restaurants der Schweiz!

Die Schätze des Haut-Lac

Der erste Tag unseres Törns war so grossartig, dass wir uns kaum vorstellen können, dass man ihn übertreffen kann. Doch genau das passiert. Nach einer erholsamen Nacht im Hotel verlassen wir die Umgebung von Montreux. Nur einen Steinwurf entfernt liegt das Schloss Chillon. Die mittelalterliche Wasserburg diente den savoyischen Fürsten als Residenz, bevor sie zum bernischen Landvogteisitz wurde. Man kann dicht an den senkrecht abfallenden Festungsmauern vorbeisegeln. In dieser Region gibt es nur wenige Ankerplätze, mit Ausnahme des Naturschutzgebiets zwischen Rhone und Grangettes, einer der letzten wirklich geschützten Uferstreifen am Genfersee.

Die Seedurchquerung nach Meillerie auf der französischen Seeseite steht bevor. Wir sind in einem Umkreis von mehr als 270° von Bergen umgeben. Kein Wunder, hat der Wind auf diesem See so viel Mühe, sich zu etablieren. Hier trifft man auf viel Thermik und Standorteffekte. Über dem kleinen französischen Dorf sieht man den Grammont, den höchsten Berg der Gegend. Nach einem Start bei Flaute sind in der Seemitte ein paar Windstösse zu spüren. Kaum 5 Knoten, aber das Boot krängt. Es reagiert schnell und fein auf Steuerbewegungen. Sébastien Schmidt hat nichts dem Zufall überlassen: «Ich habe die gleiche Methode wie immer angewendet, so, wie sie Jean-Marie Finot in seinem Buch beschreibt. Für ihn ist das Allerwichtigste ein schneller Rumpf. Wir haben darauf geachtet, dass die Formen symmetrisch sind, damit sich der Rumpf bei Krängung nicht verformt. Wenn das Boot schräg liegt, hält man das Ruder mit zwei Fingern, ganz anders also als bei einem Fahrtenboot», sagt Sébastien Schmid, der heute den Bau der AC75 von Alinghi Red Bull Racing beaufsichtigt.

Auf der französischen Seeseite

Ein paar leichte Brisen später befindet sich unser Boot in französischen Gewässern vor dem Kurort Evian. Auch hier erwarten uns kulinarische Genüsse und exklusive Freizeitangebote. Nach dem Anlegen begeben wir uns für einen Kurzaufenthalt ins Evian Resort, das exklusive Hotels wie das Hermitage oder das Hotel Royal mit Sternerestaurant umfasst. Sportbegeisterte können sich mit Golf, Tennis oder Padel fithalten, alle anderen die grossartige Aussicht auf den Genfersee geniessen. Beim Apéro überraschen uns die Barkeeper mit ausgefallenen Drinks und freuen sich über unsere Reaktionen. Am Morgen nach diesem erinnerungswürdigen Abend machen wir uns auf zu unserem dritten und letzten Tag. Das Ziel: Genf.

Bei der Einfahrt in den Petit-Lac wacht unverkennbar das mächtige Schloss von Yvoire. Auch hier drängt sich ein Stopp auf. Die bezaubernde Ortschaft wurde schon mehrfach zu einem der schönsten und blumenreichsten Dörfer Frankreichs gekürt und lohnt immer einen Besuch. Pflanzenfreunde sollten sich den Garten der fünf Sinne («Jardin des Cinq Sens») nicht entgehen lassen.

Zurück auf der Belotti zeigt sich der Petit-Lac von seiner besten Seite. Die Thermik alias Séchard, der an schönen Sommertagen für 5 bis 10 Knoten Wind sorgt, setzt sich in Bewegung. Für das 30-jährige Schiff von Fert & Cie genau richtig! Unter vollen Segeln rauscht das Boot ihrem Heimathafen bei der Société Nautique de Genève entgegen. Mit zufriedenen Gesichtern steigen die Gäste aus. Sie haben den auf dem Genfersee seltenen Mix aus Törn und Temporausch in vollen Zügen genossen. Mit dem Revival der Belotti bietet Fert seiner Kundschaft definitiv ein exklusives Erlebnis an, das viele ins Träumen versetzt.

150 Jahre Fert

Das Maison Fert feiert dieses Jahr seinen 150. Geburtstag. Eigentlich begann seine Geschichte bereits 1871. Damals belieferte das Unternehmen Nordeuropa mit Weinen aus dem Süden des Kontinents. Logistisch war das Vorhaben eine Knacknuss, doch Fert fand mit einer revolutionären Idee die Lösung. Um den Wein durch Europa zu befördern, liess es zwei grosse Fässer auf einen Bahnwagen, den sogenannten «Wagen-foudre», montieren. 1921 wurde das Geschäft erweitert. Wie andere Transportunternehmen nutzte auch Fert seine logistischen Ressourcen und sein Know-how im Bereich der Zollformalitäten, um sich mit der Organisation von Fernreisen ein zweites Standbein zu schaffen. Damals dauerte nämlich schon ein «Kurztrip» nach Ägypten sechs bis acht Wochen und war mit enormem Aufwand verbunden. Heute setzt Fert die langjährige Erfahrung dafür ein, für seine anspruchsvolle Kundschaft massgeschneiderte Reisen zusammenzustellen. Das Maison betreibt auch eine Abteilung für Bootsreisen. Egal, ob mit der Familie oder mit Freunden, für Geschäftsanlässe oder andere Events, das Fert-Team begleitet Sie vor, während und nach Ihrer Fahrt, um Ihnen ein in allen Belangen aussergewöhnliches Erlebnis zu garantieren. fert.ch

Die Belotti für einen Event oder einen Törn chartern

Die Belotti kann für ein- oder mehrtägige Ausfahrten gemietet werden. Infos: yachting@fert.ch

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