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Casanova Vater & Sohn: bootsbau als Lebensaufgabe

by Rodney Stewart Stewart

Drei Generationen der Familie Casanova haben die kleine Bootswerft am Fuss des Lavaux in den letzten 45 Jahren am Leben erhalten. Tom, der Jüngste im Bunde, führt die Tradition weiter, setzt dabei aber auch persönliche Akzente.

Text: Rodney Stewart

«Während meine Freunde auf der PlayStation spielten, verbrachte ich meine Freizeit hier in der Werft», erinnert sich Tom Casanova. Der 23-Jährige ist gerade dabei, eine Schiffsflanke abzuschleifen. Trotz seines jungen Alters verfügt er bereits über ein unglaublich breites Wissen im Bootsbau. Seit er alt genug ist, mit Werkzeugen umzugehen, hegt und pflegt er Schiffe vom Genfersee. «Er ist wie ich, er hat den Boots- bau im Blut», schmunzelt sein Vater Marcel. Dessen im Jahr 2000 verstorbener Vater Helmut hatte die Werft 1976 nur einen Steinwurf vom Hafen La Pichette entfernt, zwischen den Gemeinden Chardonne und Corseaux, gegründet.

TRADITIONSBEWUSST: DIE CASANOVAS PFLEGEN MIT VIEL HERZBLUT KLASSISCHE MOTOR- UND SEGELBOOTE.

Ein idyllisches Arbeitsumfeld ist nicht alles

Seither haben die Casanovas mit viel Herzblut, Schweiss und Sorgfalt Motor und Segelboote aller Art gebaut, gepflegt und repariert. Der Bootsbau gehört zur DNA der Familie. «Ich wusste schon immer, dass ich mit Schiffen arbeiten wollte. Dennoch habe ich viele verschiedene Praktika absolviert, um anderes auszuprobieren», sagt Tom. «Ich habe sogar einen Versuch in der Mechanik gewagt, konnte mich aber nicht wirklich dafür begeistern. An einem gewissen Punkt habe ich überlegt, ob ich nicht eine Schreiner oder Tischlerlehre machen sollte. Mein ursprünglicher Wunsch war aber stets grösser, offenbar tief in mir verankert.» Nach seinem Lehrabschluss in der Werft Lavarelo vor drei Jahren stieg er bei seinem Vater Marcel ein, um die Casanova-Tradition fortzuführen. «Ich hatte eigentlich keine Lust, ihn sofort zu mir zu nehmen», stichelt der sonst eher zurückhaltende 56-Jährige. Aus gutem Grund: «Ich wollte, dass Tom über den eigenen Tellerrand schaut, Neues kennenlernt, zum Beispiel in der Deutschschweiz, um andere Ansätze und Methoden zu entdecken.» Sein Sohn sah das anders. Für ihn gab es nichts Schöneres, als zuhause, in der 100-Quadratmeter-Halle zwischen dem See und den umwerfenden Weinterrassen des Lavaux, zu arbeiten.

Eine solche Umgebung habe jedoch nicht nur positive Seiten, sagt Tom. «Bei schönen Wetter sieht man die Leute auf dem Weg zu ihrem Schiff vorbeigehen. Da der Versuchung zu widerstehen, nicht auch alles stehen und liegen zu lassen, ist nicht immer ganz einfach.»

Wie die meisten Werften dieser Grösse finanziert sich der Betrieb der Casanovas haupt- sächlich mit Reparaturen und der Überwinterung von Booten – 120 haben auf dem 1000 Quadratmeter grossen Gelände Platz. Arbeit gebe es mehr als genug, versichert Tom. Das hält ihn und seinen Vater nicht davon ab, jede freie Minute für kreativere Projekte zu nutzen. Eigentlich sei das «reiner Zeitverlust», amüsiert sich Marcel. Derzeit restaurieren sie ein Dinghy International 12’, das an den Olympi- schen Spielen 1924 in Paris teilgenommen hat, und bauen nach dem Vorbild eines LuthiFischerboots eine grazile Motorjacht aus formverleimtem Holz. Das Projekt sei eine Spontanentscheidung gewesen, so Tom. «Wir haben den Bau 2018 in Angriff genommen, als wir ausnahmsweise eine Woche lang nichts zu tun hatten. Aber wir kommen nur langsam voran und brauchen wohl noch etwas Zeit, bis wir fertig sind.»

«Solange ich noch den Mast hochklettern kann»


Der junge Handwerker ist bootsbautechnisch logischerweise noch nicht ganz so bewandert wie sein Vater, gleicht die fehlende Erfahrung aber mit unverbrauchtem Blick und neuen Ideen aus. Seine Vorschläge kommen allerdings nicht immer gleich gut an. «Gefahrenzone. Wir sind nervig, verlogen, schlecht gelaunt und stehen dazu. Auf Ihr eigenes Risiko!» steht übersetzt auf einem Schild am Eingang. Die Warnung scheint ernst gemeint. «Wir sind nicht immer auf der gleichen Wellenlänge und verwenden auch nicht unbedingt die gleichen Produkte», räumt Tom ein. «Die Leute meiner Generation wählen eher den einfacheren Weg. Warum sich unnötig das Leben komplizieren? Das heisst aber nicht, dass wir uns vor der Arbeit drücken wollen. Manchmal finde ich eine andere Lösung, als die, die ich gelernt habe … und hin und wieder entstehen dadurch Spannungen zwischen uns, das stimmt schon. Aber wir können damit umgehen.» Marcel nickt, für ihn ist die Situation nicht neu. «Ich habe mit meinem Vater das Gleiche erlebt, als ich 1983 angefangen habe mit ihm zu arbeiten. Jetzt stehe ich auf der anderen Seite und verstehe ihn besser. Wenn gar nichts mehr geht, verziehe ich mich», grinst er. In den Ruhestand gehe er trotz allem noch nicht. «Ich werde meinen Sohn so lange unter- stützen, wie ich gesund bin und noch den Mast hochklettern kann. Ausserdem lernt man in unserem Beruf nie aus. Er verändert sich ständig. Denken wir zum Beispiel an Carbon. Ich weiss zwar, was das ist, die neuen Materialien sind aber doch eine grosse Herausforderung!»

Neue Herausforderungen waren genau das, was Tom gesucht hatte, als er sich entschied, in der Werft zu arbeiten. Im Gegensatz zu vielen anderen, wusste er, worauf er sich einliess. Längst nicht alle sehen die Realität hinter dem Beruf. «Auf die Frage, warum sie Bootsbauer werden möchten, antworten viele Lehrlinge, weil sie gern angeln, segeln und den See mögen. Das mag ja sein, reicht aber nicht. Von den 15 Lehrlingen meines Jahrgangs haben nur gerade acht die Ausbildung abgeschlossen. Die anderen sind umgesattelt. Es gibt Leute, die glauben, wir hätten einen Schoggijob. In Wahrheit ist unsere Arbeit sehr anstrengend. Ich selbst hatte Glück. Da ich das Grundwissen bereits mitbrachte, wurden mir viele interessante Aufgaben anvertraut. Der andere Lehrling musste derweil schleifen. Heute ist das natürlich nicht mehr so. Ich übernehme auch undankbare Arbeiten.»

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