Wasserstoff als emissionsfreier, alternativer Treibstoff soll in der Personenschifffahrt auf Schweizer Seen Einzug halten. Die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV) plant ihr Motorschiff Saphir umzurüsten und macht damit einen bedeutenden Schritt in Richtung nachhaltige Schifffahrt.
Die Wasserstofftechnologie scheint eine vielversprechende Lösung zu sein, um die
CO2-Emissionen bis 2050 auf netto null zu senken. In Brennstoffzellen wird Wasserstoff
(H2) in einer elektrochemischen Reaktion in Strom, Wasser und Wärme umgewandelt. Die dadurch erzeugte elektrische Energie treibt, gekoppelt mit einer Batterie, einen Motor an. Einziges Abfallprodukt dieses Prozesses ist Wasser. Es werden absolut keine Schadstoffe wie Stickoxide und Feinstaub, auch kein CO2, abgegeben. Nebenbei sind andere Bootsfahrer und Anwohner weniger Lärm und Vibrationen ausgesetzt.
Problemlos ist die Nutzung von Wasserstoff allerdings nicht. Die Infrastruktur ist aktuell noch begrenzt und die Herstellung energieaufwendig. Zudem muss das H2 aufgrund seiner geringen Dichte auf den hohen Druck von 350 bar komprimiert oder verflüssigt und bei sehr niedrigen Temperaturen um –253°C gelagert werden. Zusätzliches Sicherheitsrisiko ist seine hohe Entzündlichkeit.
Besonders Schiffsbauer sehen sich also vor grosse Herausforderungen gestellt. Die innovative Shiptec AG in Luzern, die sich für umweltfreundliche Technologien einsetzt, hat umfangreiche Abklärungen für den Einsatz von H2 in der Schweizer Binnenschifffahrt durchgeführt. Obwohl zurzeit der Wasserstoffantrieb mit Brennstoffzellen, Batteriepufferung und elektrischem Motor kommerziell noch nicht konkurrenzfähig ist, wurde in einer Projektstudie nachgewiesen, dass ein Fahrgastschiff mittlerer Grösse in Zukunft ökonomisch und ökologisch sinnvoll betrieben werden kann.
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Die SGV als Vorreiterin
Ökologische Überlegungen überzeugten die SGV, das Potenzial von Wasserstoff als alternativen Kraftstoff auf einem Fahrgastschiff zu erproben. Allerdings nicht mit einem Neubau, sondern mit der Umrüstung des MS Saphir. Das 300 Passagieren Platz bietende Schiff wurde 2012 im Design einer Luxusjacht gebaut und wird vor allem im Luzerner Seebecken für Rundfahrten eingesetzt. In seinem modernen Interieur bietet es unterschiedliche Sitzlandschaften, eine Heckplattform auf Wasserhöhe sowie eine Bar auf dem Oberdeck. Da beim bestehenden Hybrid-Antriebssystem mit Dieselaggregaten und E-Motoren in den nächsten Jahren sowieso eine Erneuerung fällig geworden wäre, bot es sich für eine Umrüstung auf Wasserstoff an.
Wasserstoff-Hybridsystem
Ganz auf Batterien als Energiespeicher verzichten wollten die Shiptec-Ingenieure nicht. Für die Herstellung von H2 wird bedeutend mehr Strom gebraucht als nachher in der Brennstoffzelle zurückgewonnen werden kann. Daher soll so viel elektrische Energie wie möglich direkt in Batterien auf dem Schiff gespeichert werden. Das Brennstoffzellensystem wird zur Ergänzung als sogenannter «Range Extender» eingesetzt.
Der Umbau des MS Saphir soll im Herbst 2025 in der Werft der Shiptec in Luzern starten. Die Kosten, inklusive der Initialkosten für eine Tankstelle, werden auf rund 4,4 Millionen Franken geschätzt.
Ein Grossteil der Kosten entsteht durch die enormen Sicherhheitsauflagen im Umgang mit Wasserstoff. Zur Aussenschale des Schiffes muss allseitig ein Sicherheitsabstand von mindestens 80 Zentimetern eingehalten werden. Ferner müssen Räume mit Brennstoffzellen und Räume zur Lagerung von Wasserstoff gegenüber anderen Räumen auf dem Schiff luftdicht abgetrennt sein. Das erfordert nicht nur den Bau zusätzlicher Schotten, auch eine neue Stahldecke muss eingeschweisst werden. Das Wasserstoffsystem, das damit erforderliche neue Lüftungssystem und Brandschutzkonzept bedingen zudem eine ganze Palette von Neuinstallationen an Bord.
H2 aus lokaler Produktion
Wasserstoff wird durch Elektrolyse gewonnen. Zur Produktion von grünem Wasserstoff wird Wasser mit elektrischem Strom in Sauerstoff (O2) und H2 zerlegt, möglichst mit erneuerbarer Energie. Um den erforderlichen Wasserstoff für das MS Saphir sicherzustellen, beteiligt sich die SGV Holding AG als Muttergesellschaft der SGV AG und der Shiptec AG an der ersten H2 – Produktionsanlage in der Zentralschweiz. Die Anlage der H2Uri AG entsteht beim Kraftwerk Bürglen im Kanton Uri. Die Wasserkraft stammt aus dem Schächenbach, der rund um die Uhr Laufenergie liefert. Die Anlage wird also direkt bei der Stromquelle liegen und soll vor allem dann in Betrieb sein, wenn überschüssiger Strom vorhanden ist und der Strompreis möglichst tief liegt. Die Jahresproduktion soll bis auf 260 Tonnen grünen Wasserstoff ausgebaut werden.
BÜRGLEN IN URI ENTSTEHT
DIE ERSTE H2
-PRODUKTIONSANLAGE
DER ZENTRALSCHWEIZ. ©zVg
-SCHIFFE DER SGV SOLLEN MIT EINER MOBILEN WASSERSTOFFTANKSTELLE VERSORGT WERDEN. ©zVg
HYSEAS III SOLL EINST ALS FÄHRE IN SCHOTTLAND EINGESETZT WERDEN. ©zVg
Inbetriebnahme im Sommer 2026
Gut ein halbes Jahr soll der Umbau des MS Saphir dauern. SVG-Geschäftsführer Stefan Schulthess rechnet damit, dass es frühstens im Sommer 2026 den Betrieb wieder aufnehmen kann. «Es wird dann zusammen mit dem Schiff auf dem Walensee das erste Wasserstoffbetriebene Fahrgastschiff der Schweiz sein.» In der Binnenschifffahrt hätten zurzeit aber batteriebetriebene Lösungen die Nase vorn. Mit dem MS Rütli testet die SGV auch diese Variante. Eine dritte Möglichkeit ist der Einsatz sogenannt synthetischer Treibstoffe, etwa für Dampfschiffe. Hier wird der Einsatz des von der Firma Synhelion hergestellten Solartreibstoffs geplant. Synhelion ist ein ambitioniertes Schweizer Unternehmen, das die Energiewende mit einer bahnbrechenden Innovation vorantreiben will: der Umwandlung von Solarenergie in CO2-neutrale Treibstoffe. Diese Vision, die an der ETH Zürich die ersten Funken geschlagen hat, könnte die Mobilität weltweit revolutionieren. «Die Emissionsreduktion in der Schifffahrt muss schrittweise bewerkstelligt werden», erklärt Schulthess. «Sie muss sowohl mit der Entwicklung neuer Antriebstechnologien als auch mit der Erhöhung der Produktion von erneuerbaren Energien einhergehen.»
Mit dem komplett schadstofffreien Betrieb des MS Saphir erhofft sich die SGV nicht zuletzt einen Imagegewinn, vor allem auf einem See in einer weitgehend intakten Naturlandschaft, wie es beim Vierwaldstädtersee der Fall ist. Inwieweit sich dies monetarisieren lässt, wird sich zeigen.