Wir haben an Bord eines Windy SR44 einen 200 Seemeilen langen ExpressTörn von Sardinien, nach Korsika und an die Côte d’Azur unternommen und trotzdem Zeit gefunden, in den schönsten Sand- und Felsbuchten der Region zu ankern.
Fotos: Louis Jeunet
Den ersten Eindruck der spektakulären Schönheit der Costa Smeralda bekommt man auf der Fahrt vom Flughafen in Olbia nach Porto Cervo. Eine schmale, unter der sommerlichen Hitze flimmernde Strasse führt kurvenreich einen steilen Hügel hinauf. Oben eröffnet sich ein Panorama, das einem den Atem verschlägt. Ein Felsband, das stellenweise an feinste Spitze erinnert, zieht sich scheinbar endlos dem türkisfarbenen Meer entlang. Viele Luxushotels und Villen stehen direkt am Wasser, sind aber nach Wunsch des Aga Khan so gut in die Umgebung eingebettet, das sie die Landschaft nicht verschandeln.
Happy Few aus aller Welt
Als Karim Aga Khan IV. die Region im Jahr 1962 bereiste, soll er sich Knall auf Fall in die sardische Küste verliebt haben. Vor allem die spätere «Spiaggia del Principe» (Prinzenstrand) hatte es dem Milliardär angetan. Er kaufte das Ödland für einen Spottpreis, taufte es «Smaragdküste» und zog dort im Lauf der Jahre einen exklusiven Urlaubsort für wohlhabende Leute auf.
Heute ist die Costa Smeralda nicht mehr nur den Schönen und Reichen vorbehalten, bleibt aber trotzdem ein Hotspot der High Society. Kaum irgendwo sonst trifft man auf einem so engem Raum so viele Megajachten und Edelschlitten an. Ein Grossteil davon liegt in Porto Cervo, einem aus dem Boden gestampften Badeort mit Jachthafen, in dem die Preise für eine Übernachtung das Vorstellbare übersteigen.
In dieser exklusiven Marina gehen wir am späten Nachmittag für einen Express-Törn an Bord eines Windy SR44. Die Motorjacht muss spätestens in 48 Stunden an der Côte d’Azur sein, ansonsten haben wir freie Hand. Route und Etappen können wir nach Lust und Laune gestalten. Das Wetter sollte uns keine Grenzen setzen, es ist strahlender Sonnenschein vorausgesagt. Wir wollen so viel Törnfeeling wie nur möglich in die zwei Tage packen und die bekanntesten, aber auch geheimsten Ankerplätze zwischen Sardinien und Korsika ansteuern.
Racer und Hightech-Jachten
Porto Cervo hat mit seinen hübschen, in den Hang gebauten Häusern und dem naturbelassenen Ufer viel Charme bewahrt. Der legendäre Jachtclub hingegen ist in einem grossen, wenig einladenden Gebäude aus den 1960erJahren untergebracht. An den Stegen liegen Regattaboote neben modernsten Jachten der Marken Bluegame, Ferretti oder Azimut. Die italienischen Bootsbesitzer haben Geschmack! Der Eigner unseres Windy ist ein Vielfahrer. Die beiden 16-Zoll-Bildschirme von Garmin auf dem Armaturenbrett veranschaulichen seine Ausflüge seit der Übergabe des SR44 vor zwei Monaten: Die Linien bilden ein von Porto Cervo aus gezündetes Feuerwerk. Beliebteste Destinationen sind offensichtlich die Costa Smeralda und der La-Maddalena-Archipel, wo die unvergleichlich schönen Ankerplätze auf den Inseln Caprera und Spargi zu finden sind. Auch ein paar Stopps in Budelli, einer in Cavallo und zwei, drei Hin- und Rückfahrten nach Bonifacio sind zu erkennen. An die Ost- und Westküste Korsikas hat er sich hingegen noch nicht gewagt.
Schnelles, leises Boot
Mit seinem aussergewöhnlich weichen Rumpf zieht der Windy seine Bahn, ohne zu forcieren. Zügig fährt er vor der sardischen Küste über das leicht schimmernde Meer. Seine Reisegeschwindigkeit liegt zwischen 30 und 32 Knoten, dies bei einem Durchschnittsverbrauch von ca. 130 l /h. Das Modell ist mit einem IPS650-Antrieb ausgestattet, der an Volvo D6-Motoren mit je 480 PS gekoppelt ist. Ein Kraftpaket, das zwar weniger sportlich daherkommt als die über 50 Knoten schnelle Aussenborderversion mit 3 x 425 PS, dafür aber besser ausbalanciert und über längere Strecken sparsamer im Verbrauch ist. Man muss nicht laut werden, um einander zu verstehen. Der Motorraum ist erstaunlich gut schallgedämmt, das ist auf langen Strecken Gold wert. Nach weniger als einer halben Stunde schiebt unser SR44 den Bug unter die Brücke zwischen La Maddalena und Caprera. Sie ist für Segelboote und Motorjachten mit Flybridge, die höher als 5 Meter sind, gesperrt. Für alle anderen hält die Meerenge zwischen den beiden Inseln einige aussergewöhnliche Ankerplätze bereit.
Auch im Sommer nicht überlaufen
Wir befinden uns in einem Meeresschutzgebiet, das auf Seite von La Maddalena nur stellenweise bebaut ist. Die Nordwestseite der Nachbarinsel Caprera scheint sogar vollkommen naturbelassen. Die Italiener lieben diese Küsten. Sie sind deutlich zerklüfteter als die von Korsika und bieten unzählige wilde Ankermöglichkeiten. Wir stoppen zunächst in der Nähe der Cala Faldarini, wo wir uns mit einem Sprung ins kühle Nass erfrischen. Anschliessend fahren wir im gleichen Tempo bis zur beliebtesten Inselgruppe der Strasse von Bonifacio. Budelli, azzoli und Santa Maria umgeben einen natürlichen smaragdgrünen Pool. Die meisten Boote machen in den Buchten mit dem klarsten Wasser fest. In einigen kann man 3 bis 4 Meter bis auf den sandigen Grund sehen. Man muss sich zwischen Felsen hindurchschlängeln, stets das Echolot im Auge, denn der Grund steigt stellenweise steil an. Bei unserer Durchfahrt sind schon dreissig Boote da. Eine Bojenlinie zwischen der Küste und dem Inselchen Carpa verhindert das Ankern an der schönsten Stelle, dem «BudelliPool», denn der wahrhaft magische Ort ist Opfer seines Erfolgs geworden. Die Behörden des Meeresparks haben drakonische Massnahmen ergriffen, um einem allzu starken Andrang im Sommer zu unterbinden. Der Landgang ist mittlerweile verboten. Gleiches gilt für den «rosa Strand» von Budelli. Die Besucher hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, ganze Ladungen des einzigartigen rosa Sandes mit nach Hause zu nehmen. Einige kannten keine Skrupel und handelten sogar damit. Die Situation wurde so kritisch, dass die Behörden hart durchgreifen mussten. Von Budelli aus ist der Lavezzi-Archipel nur einen Steinwurf entfernt: eine knappe Viertelstunde bis zur Cala di u Lioni.
Tizzano, malerisch ankern und gut essen
Vor Ort bestaunen wir fasziniert und etwas skeptisch das prekäre Gleichgewicht der vom Wind geschliffenen Felsen. Die bekannteste Bucht ist die Cala Lazarina. Kaum werden die Tage etwas wärmer, zieht es die italienischen und französischen Bootsfahrer in Scharen dorthin. Auch hier musste drastisch durchgegriffen werden, damit die Bucht nicht aus allen Nähten platzt. Im Frühsommer wurden vier Ankerplätze mit gelben Bojen markiert. Seither ist es nicht mehr möglich, in Nähe des Friedhofs der La Sémillante zu ankern. Das Kriegsschiff zerschellte 1853 an den Riffen. Keiner der 444 Seeleute überlebte. Am frühen Abend sind die Passagierschiffe abgezogen und nur noch wenige Boote liegen vor Anker. Wir nutzen die Gelegenheit für ein letztes Bad in dieser märchenhaften Umgebung, bevor wir Kurs auf Bonifacio nehmen. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne begleiten uns bis zu den Kreidefelsen. Wir beschliessen, unsere Fahrt bis nach Tizzano, 18 Seemeilen vor Bonifacio, fortzusetzen, bevor die Dunkelheit ganz hereinbricht. Auf unserem Kurs nach Nordwesten sehen wir bis zum Schluss genug. In der Bucht liegt ein kleiner Jachthafen – eine Seltenheit an der Westküste. Als wir am ersten Schwimmsteg festmachen, ist es stockdunkel. Unter dem Rumpf ist nicht viel Wasser, aber für den Windy, der mit den IPS einen Tiefgang von nur 1,10 Metern hat, reicht es. Wir haben nicht zufällig in Tizzano angelegt. Hier befindet sich die begehrteste Restaurantterrasse der Region. «Chez Antoine» ist eine Institution, die von Bootsfahrern aus aller Welt gerühmt wird. Auf der Speisekarte stehen frischer Fisch und Rindfleisch vom Holzkohlegrill.
Idylle auf Tivella
Die kleine Hütte, die in Tizzano als Hafenmeisterei dienst, ist geschlossen. Wir übernachten kostenlos. Am nächsten Morgen brechen wir früh auf und ankern nur wenige Seemeilen nördlich vor dem hübschen Strand von Tivella. Mit Ausnahme von ein paar Wanderern scheint er menschenleer. Tivella ist ein Schönwetterankerplatz, geschützt vor den vorherrschenden Winden und weniger überrannt als Roccapina oder Conca. Zwischen den wenigen Segelbooten, die hier die Nacht verbracht haben, finden wir genug Platz. Der Ort ist von betörender Schönheit.
Als nächstes steuern wir den Hafen von Cargèse an. Auf den 38 Seemeilen bis dorthin ziehen an Steuerbord die drei tief eingeschnittenen Golfe von Valinco, Ajaccio und Sagone vorbei. Nur wenige hundert Meter entfernt passieren wir die Sanguinaires. Von hier ist es nicht mehr weit nach Ajaccio. Eine Handvoll Bootsfahrer angelt in der Nähe, hinter ihnen türmt sich die imposante Insel auf. Ein wunderbarer Anblick!
Girolata und das Naturreservat Scandola
Bootsfahrer, die vor der Westküste der Insel unterwegs sind, kennen die Tankstelle von Cargèse, denn zwischen Ajaccio und Calvi kann man die Häfen an einer Hand abzählen. Vor der grossen Überfahrt zum Festland besuchen wir die Bucht von Girolata. Das malerische Fischerdorf am Golf von Porto ist nur über einen steilen Fussweg zu erreichen und Höhepunkt eines jeden ernstzunehmenden Korsika-Törns. Im Sommer kann es sich allerdings kaum gegen den Zustrom von Booten wehren.
Die Gemeinde hat reagiert und vor einigen Jahren kostenpflichtige Vertäubojen installiert. Die Massnahme zeigte Wirkung und war auch deshalb ein Erfolg, weil sich die Ankerketten durch die nächtlichen Strömungen häufig ineinander verhedderten. Seit unserem letzten Besuch hat sich der Ort verschönert. Das kleine genuesische Fort oberhalb der Bucht wurde letztes Jahr restauriert und am Strand haben neben einigen Ramschverkäufern mehrere neue Restaurants eröffnet. Offensichtlich macht der Massentourismus auch vor Girolata nicht Halt. Das kleine Dorf scheint voll im Trend zu liegen, zumal man von hier auch das Naturreservat von Scandola auf dem Seeweg besuchen kann. Die grossen Passagierschiffe wurden durch eine Vielzahl sportlicher RIBs ersetzt, die jeden Tag Dutzende von Besuchern aus Porto, Calvi und Ajaccio an Land spülen. Girolata bleibt trotz allem paradiesisch und einmalig in seiner Art. Auch wir verlassen das Dorf nur ungern. Unser ExpressTörn endet mit einer Küstenfahrt entlang der roten Porphyrfelsen auf der Halbinsel Scandola. An der Westspitze des Naturreservats liegt die kleine Insel Gargalo. Hier stoppen wir die Zeit für unsere letzte Teilstrecke. Nach weniger als 3,5 Stunden laufen wir am frühen Abend im alten Hafen von Cannes ein. Darin eingerechnet sind mehrere Stopps zur Beobachtung von Delfinschulen. Sogar eine rund zehn Meter langen Finnwal haben wir gesehen!
Reise-Infos
Bilanz der Überquerung
95 zurückgelegte Seemeilen, 30–31 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit, 370 Liter Treibstoff. Die Crew ist weniger als 48 Stunden nach dem Start in Porto Cervo von Bord gegangen, hat aber das beglückende Gefühl, eine ganze Woche unterwegs gewesen zu sein. Auf dem Meer verliert man das Zeitgefühl!
Technische Infos
Windy SR 44: Länge: 13,32 m
Breite: 3,95 m
Tiefgang: 1,10 m
Gewicht: 10 t
Motorisierung: Volvo IPS600 (2 x 480 PS)
Treibstofftank: 900 l
Wassertank: 300 l
Kabinen/Kojen: 2/4
Preis: ca. 1 450 000 Euro (voll ausgestattet)
Hersteller: Windy, Schweden
Beste Reisezeit
Von April bis Anfang November. Beliebteste Reisezeit für Törnliebhaber ist bekanntlich der Sommer, aber auch die Nebensaison ist nicht zu verachten. Ein Nachteil können die meist etwas frischeren Temperaturen sein. Warme Kleidung gehört daher unbedingt ins Gepäck. Die kühleren Tage und Nächte sind der Preis, den man für menschenleere Ankerplätze bezahlen muss. Die Wassertemperatur liegt ab Juni bis November über 20°C. Ihren Höchstwert erreicht sie im August mit 25°C.
Navigation
Die Strasse von Bonifacio ist tückisch und nicht ungefährlich. Planen Sie Ihre Route gut im Voraus und halten Sie vor allem bei schlechtem Wetter nach Gefahren und Untiefen Ausschau. Aufgrund des VenturiEffekts zwischen Korsika und Sardinien kann der Wind sehr schnell zunehmen. Segeln Sie bei Starkwind nicht gegen den Wind. Für den Nationalpark La Maddalena müssen Sie von Anfang Mai bis Ende Oktober abhängig von der Länge Ihres Bootes und der Aufenthaltsdauer eine Gebühr entrichten. Infos und Vorschriften: lamaddalenapark.it
Für massgeschneiderte Reisen und/oder Törns
Kontaktieren Sie Fabienne von The Yacht Experience:
fabienne@the-yacht-experience.ch oder +41 76 378 56 04.