Dona Bertarelli, Yann Guichard und ihr Team befinden sich in den Startblöcken für einen letzten Versuch, die Jules Verne Trophy doch noch zu gewinnen. Wenn es diesen Winter nicht klappt, ist der Traum geplatzt.

Text: Grégoire Surdez

Spindrift racing und die Jules Verne Trophy verbindet eine Art Hassliebe. Sie machen einander seit über zehn Jahren schöne Augen. Seit die Segel- und Lebenspartner Yann Guichard und Dona Bertarelli den grössten Regattatrimaran der Welt gekauft haben, verfolgen sie fast obsessiv ein einziges Ziel: Sie wollen den Rekord für die schnellste Weltumseglung knacken. «Der heilige Graal unseres Sports», so Yann Guichard. «Das klare Konzept, die Strecke, alles trägt dazu bei, aus der Jules Verne Trophy einen Mythos zu machen. Ein Boot, ein Start- und Zielort und eine Route, die den Südpol umrundet und das Kap der Guten Hoffnung, das Kap Leeuwin und das Kap Horn passiert. Ganz ehrlich, das ist kaum zu übertreffen. Ich werte diesen Rekord höher als die Vendée Globe oder den America’s Cup.»

DONA BERTARELLI IST BEI DIESEM REKORDVERSUCH ALS REPORTERIN MIT AN BORD

Klare Worte, die Yann Guichard da wählt. Sie erklären wohl auch, weshalb das Team aus La Trinité-sur-Mer trotz mehrerer Misserfolge und gescheiterter Kampagnen den Glauben nicht verloren hat. Die Rekordzeit von 40 Tagen, 23 Stunden und 30 Minuten, die Francis Joyon (u.a. mit Bernard Stamm an Bord) mit Idec aufgestellt hat, ist nicht in Stein gemeisselt, davon ist Yann Guichard überzeugt. «Ich halte es für machbar, die 40 Tage zu unterbieten», sagt der Skipper des Trimarans, der dieses Jahr in Sails of Change umbenannt wurde. «Bei perfektem Wetter und reibungslosen Manövern rechne ich mit einer Marge von etwa zwei Tagen. Francis und sein Team haben ein grossartiges Rennen gezeigt und im Indischen Ozean sowie beim Schlussspurt
im Nordatlantik hervorragende Bedingungen angetroffen. Es gibt aber auch Teilstrecken, wo es weniger gut lief und wo wir Zeit gewinnen können.»

Sails of Change wurde leicht angepasst, um die Chancen auf eine Bestzeit zu vergrössern. Der Mittelrumpf wurde verkürzt, ausserdem wurde der etwas kürzere Mast der Route du Rhum
2014 verwendet. Er ist ideal für eine Jules Verne, wie eine vertiefte Analyse ergeben hat. Die grösste Veränderung betrifft das Team. Von der ersten Weltumsegelung sind nur noch Yanns
Bruder Jacques Guichard und Xavier Revil mit dabei. Sie haben an keinem Spindrift-Abenteuer seit der Teamgründung im Jahr 2013 gefehlt. «Und dann ist da natürlich noch Dona, die
zum ersten Mal seit unserem Versuch im Jahr 2014/15 wieder mitsegelt», freut sich Yann Guichard. «Ich bin mit meiner Familie unterwegs. Das ist eine grosse Verantwortung, aber auch
eine riesige Chance, die mir da geboten wird.»

DER GRÖSSTE RENNTRIMARAN DER WELT HAT DURCHAUS DAS POTENZIAL, DIE 40 TAGE ZU UNTERBIETEN.

Die schnellste Frau seit 2015 (47T10h59’) startet diesmal mit einer ganz anderen Einstellung. Mit 54 Jahren wagt sie sich noch einmal in die zutiefst unwirtliche Welt, in der ohrenbetäubender Lärm, entfesselte Elemente und unzählige Schläge zum Alltag gehören. Eine Spazierfahrt ist die Rekordjagd beileibe nicht. «Ich wollte schon lange zurück aufs Meer, konnte
mir meinen Wunsch aber umständehalber nicht erfüllen. Meine beruflichen und philanthropischen Tätigkeiten nahmen mich zu sehr in Anspruch. Ich hätte mich nicht richtig vorbereiten können. Diesmal stimmt das Timing, umso mehr, als ich nun live von meinem Engagement zum Schutz der Ozeane und Küsten berichten kann, der mir sehr am Herzen liegt. Das ist schliesslich der Zweck unserer Stiftung Sails of Change.»An Bord wird Dona Bertarelli diesmal keine Wache übernehmen. Sie ist als Reporterin dabei und möchte Yann Guichard und seinen Männern über die Schulter schauen. Perfektionistisch, wie sie ist, überliess Dona Bertarelli nichts dem Zufall. «2015 habe ich viel geschrieben», sagt sie. «Diesmal möchte ich den Schwerpunkt auf Bilder und Videos legen. Filmen und Berichterstatten will gelernt sein, daher habe ich mich weitergebildet. Ich habe unter anderem einige Tage mit Kriegsreportern der BBC verbracht, um zu sehen, wie und womit
sie täglich arbeiten. Das war sehr spannend.»

Eine ausgeklügelte Halterung, ein Smartphone für Momentaufnahmen und ein Schneideprogramm dienen ihr als Arbeitshilfen. «Wenn es die Navigation und die Bedingungen zulassen, sollten sogar Live-Schaltungen möglich sein», verrät Dona Bertarelli. «Ich weiss nicht, in welchem Zustand ich das Meer vorfinden werde, aber darum geht es eigentlich gar nicht. Dass Ozean, Klima und die Gesundheit der Menschen eng miteinander zusammenhängen, steht ausser Frage. Jetzt müssen wir Lösungen finden, um die Biodiversität mit konkreten Aktionen zu erhalten. Letztendlich waren es meine Kinder, die mich dazu gebracht haben, das Thema über den Segelsport anzusprechen. Sie konnten nicht verstehen, warum ich das tolle Boot nicht für Aufklärungsaktionen nutze. Sie
hatten recht. Das macht alles Sinn und passt perfekt zu meinem Engagement, für das ich mich seit über 20 Jahren stark mache. Für sie, unsere Kinder und zukünftigen Enkelkinder kämpfen Yann und ich.»

SOBALD SICH EIN GÜNSTIGES WETTERFENSTER AUFTUT, PRESCHT SAILS OF CHANGE LOS RICHTUNG ÄQUATOR.

Auch wenn die Umweltbeobachtung im Fokus der Reise auf den Spuren von Jules Verne steht, wird natürlich nicht getrödelt. «Die vom visionären Schriftsteller definierte Richtzeit wurde
bereits um die Hälfte unterboten», schmunzelt Yann Guichard. «Wir werden lediglich versuchen, noch etwas schneller zu sein. Am 24. Oktober startet unsere Stand-by-Phase. Dann halten wir uns bereit, bei einem guten Wetterfenster nach Brest zu fahren. Unsere Instrumente und unser Router Jean-Yves Bernot können ziemlich genaue Prognosen für gut zehn Tage machen. Das erklärt, warum wir manchmal auf einen Start verzichten. Nur weil die ersten 48 Stunden günstig sind, heisst das noch lange nicht, dass die gute Wetterlage anhält.»

Sicher ist derzeit nur, dass dieser Rekordversuch der letzte sein wird. Wir alle hoffen natürlich auf ein Happy End