Die 5 Jours du Léman waren an Intensität nicht zu übertreffen. Ende Juli wurden die Teilnehmer von einer Schlechtwetterfront mit heftigen Gewittern und böigen Winden überrollt. Die fünf Tage und fünf Nächte auf dem Wasser, ohne Zwischenstopps und Unterstützung von aussen, forderten von den Teams eine gehörige Portion Beharrlichkeit. Am Ende des Wahnsinns stand Petit Tabac als Sieger fest.

Text: Jean-Guy Python

Um eine grosse Reise anzutreten, braucht es Mut. Das ist auch am fünftägigen GenferseeKlassiker «5 Jours du Léman» nicht anders. Dort zeigen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jedes Jahr von neuem, mit wie viel Herzblut sie bei der Sache sind. Sie gehen ständig an ihre Grenzen und lassen sich durch praktisch nichts entmutigen. All diese Eigenschaften braucht es, um das Distanzrennen einigermassen unbeschadet zu überstehen, schliesslich entspricht es in etwa fünf Bol d’Or Mirabaud.
Auch dieses Jahr gaben die Teams am anspruchsvollen Marathon bis zum Schluss alles und hielten trotz der vielen Turbulenzen tapfer durch. Nach fünf verrückten Tagen liefen die Seglerinnen und Segler mit gezeichneten Gesichtern völlig ausgelaugt im Hafen von Vidy ein. Die Müdigkeit war ihnen nach der kräftezehrenden 31. Auflage anzusehen. «Das Wetter war extrem herausfordernd», bestätigte Wettfahrtleiter Hubert Telfser. «Es zogen ständig neue Fronten über den See. Die meisten Konkurrenten haben schon Gewitter erlebt, das ist nichts Ungewöhnliches. Dass an zwei Tagen aber gleich vier oder fünf mit einer solchen Wucht niedergehen, ist doch unüblich. Vor allem das erste, das mitten in der Nacht ausbrach, war richtig krass. Das von Beginn an sehr stürmische Wetter drückte auf die Stimmung und verursachte grossen Materialschaden. In den ersten 24 Stunden gaben neun Teams auf.»

BERNARD BORTER UND YAN PERRET-GENTIL AUF SAVOY VERRE – LITTLE NEMO, DIE ERSTEN SIEGER IN DER GESCHICHTE DER REGATTA AUF GRAND SURPRISE

Die Grand Surprise neu mit dabei

Von den 32 Surprise-Teams, die sich am 23. Juli am Start eingefunden hatten, kamen nach fünf Tagen nur gerade 23 ins Ziel. Die andern hatten irgendwo auf dem mehrmaligen Rundkurs von Vidy nach Genf, Le Bouveret und zurück das Handtuch geworfen. Dieses Jahr waren zusätzlich zu den Surprise-Jachten erstmals auch die Grand Surprise dabei. Mit ihrer Aufnahme wollen die Organisatoren der Regatta ihre Flexibilität demonstrieren. «Mit der Entscheidung, eine weitere Bootsklasse zuzulassen, wollen wir zeigen, dass sich die 5 Jours du Léman dem Zeitgeist anpassen kann. Das ist besonders im Hinblick auf die Zukunft wichtig.» Insgesamt fünf Grand Surprise waren gemeldet und nur eine davon musste frühzeitig die Segel streichen. Alle anderen hielten die Strapazen des Ausdauerrennens bis zum Schluss durch, auch wenn die grösste Zweihandregatta auf einem Binnensee und ohne externe Unterstützung noch so sehr an die Substanz geht. Bei den 5 Jours du Léman müssen die Surprise – und neu eben auch die Grand Surprise – den Genfersee innerhalb von fünf Tagen möglichst oft umrunden. Die Einheitsjachten sind mit Trackern ausgestattet, damit die Zuschauerinnen und Zuschauer die Regatta rund um die Uhr live mitverfolgen können. Dass es bei den 5 Jours du Léman um mehr geht als nur um das sportliche Abschneiden, sondern auch das Zwischenmenschliche eine grosse Rolle spielt, liegt auf der Hand.

Ein Rennen mit vielen Wendungen Gewonnen haben die 31. Ausgabe dieses FünfTage-Rennens Julien Brunet und Frank Reinhardt. Die strahlenden Sieger gaben im Ziel bereitwillig Auskunft über den Regattaverlauf und räumten ein, dass auch etwas Glück im Spiel war. Sie hätten allerdings schon etwas nachgeholfen. «Die diesjährige Ausgabe hatte es echt in sich, wir haben selten solche Bedingungen erlebt», meinte Julien Brunet, der seit seinem 15. Altersjahr mit Frank Reinhardt befreundet ist. «Wir sind den See siebenmal hinunter und wieder hinaufgefahren – und siebenmal in Folge bei kräftigem Westwind am Wind hochgesegelt. Der Wind kam kein einziges Mal aus einer anderen Richtung und blies konstant stark. Zwei oder dreimal krachte es gewaltig, doch trotz der heftigen Gewitter erlitten wir keinen Schaden. Das Rennen ist in etwa so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben, und es war auch etwas Glück mit dabei. Ohne kann man unmöglich gewinnen.»
Im Grunde genommen seien sie nie ganz vorne gewesen, ergänzt Frank Reinhardt, sondern dem Feld hinterhergesegelt. «Das war nicht schlimm, wir waren nie allzu weit weg und haben immer wieder versucht aufzuschliessen. Beim Prolog lagen wir an der Spitze, nach der ersten Nacht nahmen wir es dann etwas gemütlicher und passierten Le Bouveret an 22. Position.»

Dass der Beginn des Rennens nicht nach Wunsch verlaufen sei, erwähnt auch sein Teamkollege, «das hat uns aber erst recht motiviert. Und wir hatten wirklich während des gesamten Rennens grossen Spass. Wir waren überzeugt, dass wir den Anschluss wieder schaffen und zumindest den 2. Platz holen würden. Mit dem Sieg haben wir nicht mehr gerechnet, der Führende hatte zu viel Vorsprung.»
Wieder neue Energie zu tanken, sei bei den harschen Bedingungen schwierig gewesen, fährt Julien Brunet fort. Erholungsphasen gab es keine. «Wir freuen uns umso mehr über den Sieg, weil wir es mit soliden Teams zu tun hatten.»

Die Siegerjacht Petit Tabac hat in den fünf Tagen 954,8 Kilometer zurückgelegt. Wenige Stunden vor dem Ende der Regatta lagen sechs Fahrer praktisch noch Bug an Bug. Schliesslich schaffte es hinter Petit Tabac von Brunet/Reinhardt SOS Oxygène mit Mathieu Sistek und Tugdual Becquemie auf den 2. und Malice mit Marius Lanz und Thomas Lepère auf den 3. Platz. Das Rennen blieb bis zum Schluss spannend, denn die Reihenfolge änderte sich fortlaufend. Denis Cortella und der Offshore-Spezialist Pierre Leboucher zum Beispiel lagen auf Korteldesign mehrere Tage in Führung, bevor sie auf den undankbaren 4. Platz zurückfielen.