Katamarane vom südlichsten Zipfel Afrikas? Robertson and Caine in Kapstadt fertigt seit 30 Jahren Katamarane der Marke Leopard, unter anderem für die Charterflotten von Sunsail und Moorings. Die Werft profitiert von strategischen Vorteilen, hat aber auch so manche Herausforderung zu bewältigen. Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen des Bootsbauers.

Text: Quentin Mayerat

Wie es der Zufall will, fällt unsere Ankunft in der Werft in Südafrika mit einer Vollversammlung der 1800 Mitarbeiter zusammen, bei der die «neuen Unternehmenswerte» verkündet werden sollen. Wirklich alle sind da, vom Arbeiter bis zum Topmanagement. Für diesen Anlass hat die Geschäftsleitung eigens einen nationalen Star-Rapper engagiert, der die Botschaft in eingängigen Worten übermittelt: «Respekt, Verantwortung und Zuverlässigkeit, Innovation, Teamgeist und Spitzenqualität», dröhnt es aus den Lautsprechern. Die gesamte Belegschaft ist in Feststimmung, tanzt und singt mit. Man spürt, wie stolz alle hier darauf sind, zu diesem Unternehmen zu gehören. Als Marktführer in Amerika und führender Katamaranbauer der südlichen Hemisphäre mit bislang über 2500 produzierten Booten kann Robertson and Caine den Grossen in Frankreich durchaus das Wasser reichen.

EINE DER MONTAGESTRASSEN; DIE BOOTE FAHREN AUF SCHIENEN VON EINER STATION ZUR NÄCHSTEN, BIS ALLE TEILE EINGEBAUT SIND.

Vorsprung vor der Konkurrenz

Wodurch hebt sich die Nummer drei der Weltspitze von ihren Wettbewerbern ab? LeopardKatamarane sind vor allem eines: funktional. Das Design ist durch und durch an den Bedürfnissen der Nutzer orientiert, weshalb die Marke schon oft Vorreiterin für neue Konzepte war, die sich heute allgemein durchgesetzt haben. Man denke insbesondere an das 2010 eingeführte Frontcockpit mit Zugang über den Salon oder auch die Flybridge mit Loungebereich, die 2018 mit dem Leopard 50 auf den Markt kam. Robertson and Caine setzt Trends und kann sich dabei auf seine langjährige Erfahrung aus dem Jachtbau für Charterunternehmen stützen.
«Ansprechende Optik, unter allen Bedingungen sicher und mit komfortablem Salon sowie bequemen Kabinen», so beschreibt Franck Bauguil, Vizepräsident für Sales und Produktentwicklung bei Leopard, die ideale Jacht und fügt hinzu: «Schnelligkeit ist natürlich wichtig, aber noch wichtiger ist, dass man damit möglichst weit segeln kann.» Diese Philosophie ist bei jeder einzelnen, von Robertson and Caine produzierten Einheit spürbar.

WIE DIE ANDEREN GROSSEN MEHRRUMPFBOOT-HERSTELLER VERFÜGT AUCH ROBERTSON AND CAINE ÜBER EINE EIGENE SCHREINEREI.

Bei der Besichtigung der Fertigungslinien überrascht die unübersehbare Ähnlichkeit mit den grossen europäischen Herstellern. Die Mitarbeiter beherrschen das auf alle Modelle angewendete Infusionsverfahren perfekt, die Montagelinien sind optimiert und eine Qualitätskontrolle ist fester Bestandteil jeder Produktionsphase. Auch der Innenausbau erfolgt intern. Dass ein Teil der leitenden Angestellten aus dem Automobilbereich stammt, ist übrigens kein Zufall, denn die Werft möchte ihre Prozesse stärker standardisieren. Dank straffer Organisation fertigt Robertson and Caine derzeit 180 Einheiten pro Jahr – eine echte Meisterleistung, wenn man bedenkt, dass es nicht ganz unproblematisch ist, in Südafrika zu produzieren.

1800 MITARBEITER UND VOLLE AUFTRAGSBÜCHER! JETZT MUSS DIE WERFT NUR NOCH MIT DER NACHFRAGE WACHSEN.

Herausforderungen

In der Tat sind die Herausforderungen trotz der klaren Vorteile des Standorts (geringere Arbeitskosten, Zugang zu den Märkten in Asien und Ozeanien) zahlreich: Aufgrund der räumlichen Entfernung von Zulieferbetrieben muss die Werft öfter als Wettbewerber auf Teile warten und die Ausund Weiterbildung der Arbeitskräfte ist aufgrund der sozialen Lage im Land erschwert. Die Energieversorgung ist ein weiterer Knackpunkt, denn Unterbrechungen der Stromversorgung sind in dem Land alltäglich und müssen auch von der Industrie mit einkalkuliert werden. Bei unserem Gang durch das Werk fallen die brummenden Generatoren ins Auge, die für die Produktionssicherheit unerlässlich sind. Ein Bild, das auch in unseren Werften künftig an der Tagesordnung sein wird? Wie auch immer: Einen Vorteil hat der Standort der Werft in jedem Fall: Die Übergabe eines Leopard kann auf Wunsch in Kapstadt erfolgen und ist somit wunderbar mit einer Südafrikareise kombinierbar – mit abschliessendem Segeltörn! Alternativ gelangt der neue Katamaran ganz unspektakulär per Frachter zu seinem neuen Besitzer.